"Live"-Reisebericht 2021 Spanien, Portugal?, Frankreich

  • #42

    28.4. Baskenland


    Morgens ist es noch trüb, laut Wettervorhersage klart es dann aber langsam auf und bleibt heute trocken. Leider habe ich beim Checkin nicht nach dem Preis gefragt, und so kostet das Zimmer heute 50 Euro. Bei booking wären es 33 Euro gewesen. Tja, liebe Gastwirte, dann buche ich halt künftig bei booking, auch wenn ihr dann noch Gebühren abtreten müsst. Ich breche versehentlich den klemmenden Hebel der Fensterläden ab, das sage ich auch, dafür werde ich aber nicht gekreuzigt. Nun denn.


    Der Tank war ja noch leer und ist über Nacht schon wieder nicht voller geworden. Vielleicht hätte ich doch Vollkasko nehmen sollen? Zwei Orte weiter sind zwei Tankstellen in der Ortsmitte, aber mein Navi will erst außenrum und dann von hinten rein und wieder raus fahren? Hört das Navi jetzt auch Rammstein? Ich sehe mal, was sich da machen lässt. Tja. Da lässt sich nichts machen. Der ganze Ort ist verkehrsberuhigt, und die Tankstellen haben es nur noch nicht gemerkt. So einen Driss bin ich nicht mehr gewohnt. Egal, Tank voll, irgendwann auch wieder raus gefunden, und die Tour geht weiter :) Als ersten Pass geht's zum Puerto de Orduña, und danach kommt lange nichts.



    Also habe ich heute habe ich auch endlich mal wieder Autobahn! Sogar mit Maut und vielen Tunnels. 8 Euro heute. Man gönnt sich ja sonst nichts. Dafür komme ich zügig voran. Es ist sogar Verkehr auf diesem Strecken, so mit LKWs und Autos. Einfach Einheimischen hinterherfahren, dann macht man nichts zu falsch.


    Der Punkt Jaizkibel liegt ganz nah am Meer, und man kommt nur durch San Sebastian hin. Das scheint so der Hausberg zu sein für Radfahrer und vermutlich auch Motorradkrawallos, denn es ist am Wochenende Tempo 50.



    Die Tour heute hat ein paar Schlüsselstellen, bei denen das Navi andere Vorstellungen als der Tourenplaner hat. Daher ist die Gesamtroute mit 630 km auf dem Navi viel zu lang. Vom Punkt Aguina geht es tatsächlich nach Osten weiter. Dann kommen einige Pässe genau auf der französischen Grenze. Da habe bedenken, ob ich wie an Tag 2 Probleme bekomme mit Fotos und Überfahrt, daher plane ich die Route ohne Grenzüberquerung. Also z.B. vom Collado Lizuniaga direkt wieder runter ins Tal, statt durch Frankreich zum Puerto de Lizarieta. Das ist nicht schlimm, denn im Baskenland ist der Asphalt meist gut bis sehr gut in Schuss.




    Es ist wieder mal beeindruckend, was an Tieren auf und neben der Straße so unterwegs ist:




    Besonders abgelegen ist der Aztakarriko Lepoa / Collado Aztakarri (hier hat alles zwei Namen in zwei Sprachen):



    Richtig lästig ist wieder mal der Col de Lindus, der laut Teleatlas Kartenmaterial nicht von Spanien angefahren werden kann. Da war ich aber schon, und auch OSM weiß es: Es gibt einen 3 km langen, (schlecht) asphaltierten Weg vom Puerto de Ibaneta. Hier komme ich wieder runter. Links geht's nach Frankreich, rechts tiefer nach Spanien, und geradeaus zu einer abgefahrenen Wetterstation am Ende von 10? km schlechtem Weg und Schotterweg, wo wir das letzte Mal was weggeblasen worden sind.



    Das war dann auch mein letzter Pass heute. Vorletzter Stopp heute ist ein Supermarkt am Camino, in Auritz / Burguete. Hier ist Camino-Tourismus. Kreuzwegwandern ist seit ein paar Jahren wieder modern. Das verschafft die Zeit und Ruhe zur inneren Einkehr und Einsichtnahme. Ich kenne ein paar Leute, die das gemacht haben. Ich kann bestätigen, dass die Beschäftigung mit diesen Themen aus meiner Sicht für sie nötig war. Leider schien sie aber bei keinem davon zu nachhaltigem Erfolg geführt zu haben. Aber das ist nur meine äußere Sicht, jeder trägt sein eigenes Kreuz. Meine Route führt ein Stück zurück und dann nach Westen. Ich finde eine nette Unterkunft und auf dem Weg dorthin läuft es noch mal richtig gut. Die Reifen müssen ja nur noch 2 Tage halten. Die N-135 kann ich empfehlen. Die letzten 2 Kilometer folge ich einem Auto, damit die Fußrasten bis zum Hotel aufhören zu glühen. Die Anpassung des Seitenständeranschlags mit der Feile hat sich gelohnt, er setzt jetzt nicht mehr auf.


    Am Abend versuche ich einen Termin für den Covid-Test zu bekommen, den ich für den Rückflug nach Deutschland brauche. Deutschland akzeptiert auch Tests 48h nach Einreise (was unfassbar beknackt ist), aber die Airline möchte den Test vorher sehen. Da es in Spanien keine Testzentren gibt, sondern nur private Anbieter, bei denen sich jeder selbst organisieren muss, hirne ich nach, wie der Anbieter daheim hieß: Eurofins! Die haben sehr viele Labore auch in Spanien. Termine gehen nur telefonisch, und nur zu Öffnungszeiten wie 9-14, 17-19 Uhr. Da rufe ich jetzt an. Da geht auch jemand ran. Er spricht kein englisch, ich kein spanisch. Statt jemanden ans Telefon zu holen, legt er auf. Okay. Ich quäle den Google Übersetzer mit dem was ich will, und allen denkbaren Antworten, die man bei einer Terminvereinbarung haben könnte, und rufe noch mal an. Das geht eine Weile gut, bis ich Rückfragen bekomme, die ich nicht verstehe. Es wird nichts umformuliert, es wird im gleichen Tempo 1x wiederholt und dann wird aufgelegt. Seufz. Dann spanne ich eben die Kellnerin ein. Sie ist sehr freundlich und steht meinem Problem mitfühlend gegenüber. Sie bedient 1x alle Gäste im Restaurant, und dann rufen wir da gemeinsam an. Es ist besetzt. In 20 Minuten machen die für heute zu. Ich rufe wieder an - wieder besetzt. Seeufffzzz. Während ich es wieder versuche, nennt sie mir eine Klinik im der Nähe, und da gehen wir dann gemeinsam auf die Homepage und versuchen einen Termin zu vereinbaren. Nach der Abfrage aller Stammdaten wird man gefragt, zu welchem Arzt oder zu welcher Fachabteilung man möchte - und nach der Fachabteilung dann zu welchem Arzt. Das hilft uns nicht weiter. Klinikname + covid führt per Suchmaschine dann zu einer völlig anderen Seite, wo man sich tatsächlich einen Termin und einen Testtyp klicken kann. Und auch sofort online mit VISA bezahlen. 95 Euro bitte. Aber gerne doch! Wäre das günstiger, hätte ich es jede Woche gemacht, aber das nur am Rande. So, endlich geschafft, große Erleichterung, ewige Dankbarkeit, usw.


    Dann wäre da noch das Motorrad! Die Yamaha passt nicht ins Handgepäck, und sie braucht einen großen Service und einen Parkplatz. Außerdem schaffen es die Reifen nicht mehr bis nach Hause und vermutlich auch nicht bis Andorra, wo man sie günstig wechseln könnte, und das Kettenkit hat auch schon bessere Tage gesehen. Ich hatte einige Yamaha-Händler in Madrid angeschrieben und immerhin zwei haben geantwortet. Der günstigere ist weiter außerhalb, weil Madrid offenbar nicht nur die Stadt ist, sondern auch eine autonome Gemeinschaft (entspricht unseren Bundesländern) mit 8000 km². Allerdings ist der zentral gelegene Yamaha-Händler im Kostenvoranschlag 500 Euro teurer und vom Stadtzentrum bzw. Flughafen per ÖPNV auch nicht mehr als eine Stunde weiter entfernt als der günstigere. Da ich nach Abgabe des Motorrads Zeit haben werden, wird's dann wohl der weiter außen liegende - wenn sich nicht noch ein Dritter meldet.


    Mit dem Gefühl, halbwegs alles geregelt zu haben, gibt's Schinken-Käse Baguette zum Abendessen und dann geht's unter die Dusche. Dass ich keinen Fön habe, merke ich erst danach, aber irgendwas ist ja immer ;) Ich habe noch Schinken und Käse übrig, und keinen Kühlschrank, aber eine Plastiktüte und ein Fenster mit 9° Außentemperatur. Das passt so - Tüte ins Fenster klemmen, haut nicht ab und ist dicht.


    Zielerreichung:

    62,1% von 295 spanischen Passknackern

    Noch 2x schlafen

    Genau 494 km = Tagesdurchschnitt heute

  • #43

    Hallo Johannes, vielen dank für Deinen tollen Bericht. Ich wünsche Dir einen guten Heimflug und bleib gesund. Gibt es zu Deiner Spanientour eine Route? Es macht Lust im Herbst da anzugasen.

    Grüße aus dem wilden Süden - es regnet und so soll es auch am Wochenende bleiben||

  • #45

    29.4. Trübe und Müde

    Der "Kühlschrank" hat funktioniert, es gab Schlemmerfrühstück. Heute sammle ich ein paar Punkt nördlich von Pamplona, dann geht es in Pamplona zum Covid-Test.


    Danach gibt es in westlicher Richtung rund um Vitoria-Gasteiz noch ein paar Punkte zum sammeln, und dann ganz weit im Westen liegt Er Portillo (Masa) recht einsam in der Gegend rum, und passte bisher in keine Tour. Den erreiche ich wohl nicht mehr, sondern übernachte vorher.


    Aber erst mal los! Der Plan:


    Die Realität:


    Tja, leider fahre ich fast den ganzen Tag im Nebel rum.



    Den ganzen Tag? Nein, nur auf den Pässen. Im Tal geht's, also in Pamplona. Mein Test-Termin ist gebucht und bezahlt, satte 95 Euro, da will man pünktlich sein. Es gibt natürlich sinnvollere Aktivitäten als im Nebel auf nassen Passstraßen an Ende der Welt unter Zeitdruck Motorrad zu fahren, aber es passt zufällig ganz gut. Auf der Autobahn könnte ich noch Zeit aufholen, denke ich mir so, und drehe am Quirl. Dabei überhole ich zwei PKW der Feuerwehr, und denke mir nichts dabei. Ein paar Minuten später kommt ein Tunnel, da mache ich lieber langsam. Am Ende des Tunnels überholt mich der vordere Feuerwehr-PKW, bremst, und setzt sich vor mich. Und macht das Blaulicht an.


    Ich bin verwirrt. Feuerwehr? Nein, Policia Foral. Äh, wie bitte? "Blumenpolizei?" Immerhin macht das Blaulicht nur Dauerleuchten und nicht Blinkiblink. Das ist ziemlich verwirrend und einigermaßen einschüchternd. Jetzt, beim Schreiben des Reiseberichts gucke ich mal nach wer die sind: "Die Policía Foral de Navarra (bask. Nafarroako Foruzaingoa) ist seit 1982 die autonome Polizei der spanischen Region Navarra." Oha. Naja, ich bin einfach mal hinterher gefahren. Er wurde nicht langsamer und fuhr ungefähr Tempolimit. Das kann ich auch. Ich habe es zwar eilig, und als Deutscher ist mir Pünktlichkeit natürlich sehr wichtig, aber mit Verfolgungsjagd ins Krankenhaus fahren muss auch nicht sein, und führt eher nicht dazu, dass ich meinen Termin pünktlich wahrnehmen kann. Mal gucken wie sich die Lage hier entwickelt. Der zweite rote PKW setzt sich hinter mich. Wir fahren einen im spanischen Straßenverkehr üblichen Abstand von 30 Metern bei Tempo 120. Jo, läuft. Es kommt die erste Ausfahrt, keiner macht Anstalten mich anhalten zu wollen. Wir überholen andere PKW. Hmm. Ich überhole den anderen PKW einfach mal nicht! Ha, Pech gehabt, der zweite rote PKW bleibt hinter mir. Das ist jetzt schon einigermaßen beunruhigend. Wenn das eine Einschüchterungsaktion sein soll: Funktioniert. So gondeln wir Richtung Pamplona und ich freue mich nicht wirklich auf die erste Ampel. Aber kurz vor einer Mautstelle fahren die beiden roten ab, und ich bin erleichtert. Naja, vielleicht kriege ich noch Post. Es gibt ja Halterhaftung in Spanien.


    Aber jetzt hat der Covid-Test Priorität. Dazu muss ich 1x komplett ins Zentrum rein. Das Uniklinik-Gebäude ist schnell gefunden. Das war klar. Wo ich parken kann, und wo ich genau hin muss, das findet man online nicht raus. Es ist auch keine Teststation von außen zu sehen, so mit Container oder Zelt. Das Motorrad findet einen Moto Stellplatz bei einem benachbarten Gewerbe, und ich gehe mal zum Haupteingang. Dort steht ein Schild, kein Zutritt ohne digitale Anmeldung. Gut, ich habe noch 15 Minuten. Nein, ich habe keine Covid-Symptome, nein, ich hatte keinen Kontakt zu einem Infizierten. Drinnen ist eine Security-Schleuse und der Wachmann erklärt mir, ich habe das Formular für Begleitpersonen ausgefüllt. Englisch kann er nicht, aber eine Pflegerin. Diese erklärt mir, wohin ich muss: Anderer Eingang. Emergencia.


    Am anderen Eingang steht ein Container "PCR Test C". Da gehe ich mal rein. Drin eine Frau in Vollschutz die mich wahrnimmt, mir sagt ich sei falsch, und mich dorthin führt, wo ich wirklich hin muss: Rein in die Notaufnahme, dann links, dann nochmal links, da sind zwei Schalter. Freundlicherweise ist keine Schlange. Es kann zwar keiner englisch, aber meine Daten sind durch die Online-Anmeldung ja schon im System. Ich erhalte einen Beutel mit Stäbchen und Röhrchen, den ich selbst tragen soll (mit anfassen!), und dann führt man mich zurück in den Container. Hier kriege ich ein Stäbchen in die Mundhöhle, harmlos, und eins durch die Nase in den Rachen, weniger angenehm. Ungewohnt dabei, sie nimmt mir die Maske ab, d.h. berührt meine Maske, und geht nur auf einer Seite durch die Nase. Bei den Teststationen in Bayern wird nur durch den Mund tief im Rachen gerührt, und das nur durch ein Fenster. Wie auch immer, ich bin hier fertig und kann weiter. Bloß raus aus der Stadt.


    Es geht wieder in die Berge, auf eine Hochebene. Ich bin der einzige weit und breit - halt der Highlander. Hier ist sogar mal kurz Aussicht:


    Es ist wie überall wenig Betrieb und ich sehe heute 0 andere Motorradfahrer. Pässe knacken bei Schlechtwetter ist ein hartes Geschäft. Hier steht als Foto-Tipp "Landschaft" in der Beschreibung.


    Immerhin keine Mülltonnen ;) Kleiner Lichtblick zwischendurch:


    Danach kommt wieder eine lange Überführung und wie schon erwartet verlassen mich die Kräfte, denn leider geht während der letzten Stunde der Regen erst richtig los, und neben den Handschuhen wird auch die Hose undicht, trotz Regenkombi. Dabei hat es auch nur noch 8°C und mir ist schon lange echt kalt. Wäre der Tracer-Tank-Umbau vor der Reise gelungen, hätte ich jetzt auch Sitzheizung. Aber das nur am Rande. Beim letzten Tankstopp suche mir also ein Hotel mit Restaurant, und werde für 28 Euro fündig, wenn auch 20 km abseits der Route. In den Bewertungen ist von sicherem Motorradparkplatz die Rede.


    Die letzten Kilometer ziehen sich wirklich. Dass es durch eine schöne Schlucht geht tröstet mich nicht, ich gucke fast schon mehr auf die restlichen Kilometer als auf die Straße. Völlig nass und durchgefroren komme ich am Hotel an, aber die Tür ist vergittert und drinnen ist es dunkel. Nein, bitte nicht auch noch das. Ich wende, parke davor, da hält ein Passant. Den quatsche ich an: Hotel apierto? Si! Das Hotel ist offen! Klar, es hat mehrere Türen. Ich fummle mein Gepäck runter, was ewig dauert, und werde nach der Garage gefragt. Der Passant ist wohl der Wirt. Klar will ich in die Garage! Er geht zu Fuß 100 Meter weiter, und öffnet er Tor zu ca. 60 qm mit Sandboden, Enduro, Traktor und 3 Autos. Das passt für mich.


    Einchecken und den Krempel aufs Zimmer zerren, raus aus den nassen Sachen. Leider muss man ja erst mal lüften. Leider ist die Heizung kalt, aber eingeschaltet, und Fön gibt's auch nicht. Aber ein heiße Dusche hilft auch ohne Haarwäsche.


    Für Madrid buche ich mir noch ein anderes Hotel, denn das Ibis vermietet zwar ein günstiges Einzelzimmer, warnt aber nach der Buchung, dass es kein Fenster habe, und man ein Upgraden buchen kann (kostenpflichtig). Wer vermietet denn in einer Pandemie ein Hotelzimmer, das man nicht lüften kann? Bait and switch heißt die Devise, oder zu deutsch, Lockangebot. Ach ja, und den beworbenen Airportshuttle gibt's eigentlich schon, man soll aber lieber ein Taxi für 30 Euro nehmen. Da nehme ich lieber ein anderes Hotel.


    Und dann muss ich mich für einen Yamaha-Händler entscheiden, der mein Motorrad bespaßen und beherbergen darf, während ich in Schlandland meinem traurigen Arbeitnehmerdasein fristen muss:

    a) außerhalb, 1h Zugfahrt, sympathisch

    b) näher dran, aber keine Öffis

    c) so halb, Öffis umständlich, will als einziger Geld fürs Parken, dafür aber gleich 400 Euro (nein, der wird's nicht)


    Positiv dagegen, dass mich schon abends das Ergebnis des PCR-Tests erreicht: Negativ. Damit fällt der Restaurant-Besuch gleich leichter - ohne schlechtes Gewissen.


    Zielerreichung:

    67,1% von 295 spanischen Passknackern

    Alles nass außer Jacke

    2 von 2 Covid Tests negativ

    Einmal editiert, zuletzt von blahwas ()

  • #47

    Negativer Test ist doch positiv 😉

    Hoffe du hast dir bei der letzten kalten und nassen Fahrt keine Erkältung eingefangen.

    Wieder super und spannend geschrieben 👍💪

    Drücke dir die Daumen für die weiteren Vorhaben.

    Einer von uns beiden ist klüger als du 8)

  • #48

    Schade, dass zum Schluss das Wetter noch so schlecht war. Aber wieder ein toller Bericht. Danke nochmal für die schönen Eindrücke. :thumbup:

    Gruß Sigi :girlwink:

    Starflite, Kreidler RM 50, CB 900F bol dor, CBX 750F, CBR 1000 sc21, Gpz 900R, FZR 10003LE, CBR 900RR sc28,

    CBR1100 XX, MT 09 RN 43 in ständiger Verbesserung.

  • #49

    30.4. Schlechte Entscheidungen ergeben gute Geschichten


    Morgens wache ich mit einem Kater auf. Es fühlt sich zumindest so an. Das kommt nicht vom Alkohol, denn ich hatte den letzten Tage keinen, sondern weil ich gestern zu wenig getrunken hat. Ein häufiger Fehler an kalten Tagen. Dagegen hilft heute viel trinken, obwohl es noch immer kalt ist. Beim Ausschecken lasse ich mir die wichtigsten Dokumente für meine Flugreise ausdrucken: Boardkarte, Covidtest, Digitale Einreiseanmeldung (die erzeugt tatsächlich ein PDF, und nicht etwa einen digitalen QR-Code).


    So, Motorrad fahren! Es stehen 530 km auf dem Programm. Ein Pass westlich von Hotel, und eine Ecke einer Pässegruppe weiter südlich. Die ist optional, weil sie eh nicht ganz schaffe, und beim nächsten Mal keinen So großen Umweg bedeuten würde, aber ich will auch nicht zufrüh am Tagesziel ankommen, der Yamaha-Werkstatt in Madrid. Vor allem nicht während der zwei Stunden Mittagspause.


    Zunächst geht es durch die Schlucht zurück, die auch echt gut aussieht wenn man weniger müde ist als gestern abend. Zum ersten Pass ist es nicht weit, aber hoch. Leider ist es trüb, regnerisch und kalt. Und ich habe wieder mal nicht dran gedacht, vielleicht eine zweite Lage Unterwäsche anzuziehen.




    Weiter geht's zur nächsten Pässegruppe, östlich von Burgo. Alto de Pradilla steht auf dem Plan. Es ist wieder mal sehr kalt und auch nass. Bei einer kurzen Regenpause raste ich an einem verlassenen Hotel. Twix muss rein.



    Was sagt die Tankstellenplanung? Wat? Da kommen 150 km keine Tankstellen mehr?? Dann tanken wir mal vorher. Dabei einen Blick auf die Reifen werfen: ja, sind beide noch da. Luftdruck habe ich im Cockpit immer im Blick. Der hintere wird langsam eckig und zeigt ein Profil in der Mitte, das er gestern noch nicht hatte. Das ist nicht gut, aber die restlichen 400 km heute wird er ja wohl noch halten. Mit frischem Schwung geht's wieder auf die Piste. Am Passknackerpunkt angekommen wird mir auch klar, warum da 150 km keine Tankstellen kommen: Weil meine Route eine 75 km lange Sackgasse ist. Es geht 38 km zum nächsten Punkt und dann wieder zurück. Ich nehme mir vorher, an diesem Punkt mal zu gucken, ob das wirklich nicht anders geht. Allerdings kann ich mir das wohl sparen, denn ich komme an mehreren neongelben Schildern vorbei, wo groß und auch in Englisch und Russisch "Sackgasse" drauf steht. Die Strecke wird sehr einsam und schlängelt sich die Berge hoch. Zeit für eine Pause. Schöne Aussicht.



    Nur die Sicht auf den Reifen schockt.



    Da guckt ja schon Gewebe raus! Wie schnell hat der ContiRoadAttack 2 denn jetzt bitte abgebaut, der ist doch gerade mal 3800 km alt? Und was mache ich jetzt? Ich hätte noch 400 km bis zum Yamaha-Händler. 50 km kann ich kürzen, den Passknackerpunkt hole ich beim nächsten Spanienbesuch. Aber auch 350 km sind ehrgeizig bis gefährlich mit so einem Reifen. Und vor allem, breche ich hier ab, oder fahre ich noch hoch die 20 km zum Punkt und 20 km wieder runter - wo garantiert niemand vorbei kommt, Handyempfang fraglich ist, und es kalt und neblig ist?


    Die Antwort ist ja wohl jedem klar: Ich fahre so lange, bis mich einer aufhält. Oben sieht's dann so aus:






    1840 Höhenmeter, 4 Grad, Nebel, sehr tiefe Sackgasse - könnte einer der abgelegensten Orte auf dem Straßennetz in Westeuropa sein.


    Okay, Zeit für Rücksprache mit den Profis. Die Meinungen gehen auseinander: Klar hält der noch 300! Der hält höchstens 170! So sah meiner aus, als es "Peng" und dann "Zisch" gemacht hat: Harmlos im Vergleich. Also fahre ich erst mal weiter, was bleibt mir auch anderes übrig. 4 Stunden auf den ADAC warten, nachdem ich meine "Adresse" geschickt habe, und dann Stress kriegen wegen des Flugs morgen früh. Die Optionen sind:

    A) Durchziehen bis Madrid und hoffen dass der Reifen nicht platzt. Im Interesse der eigenen Sicherheit vielleicht Strecke ohne Autobahn wählen, die ist allerdings 100 km länger und erfordert sicherlich mehr Kurven und Beschleunigungs-/Bremsvorgänge. Ich habe mir aber 2008 schon mal intensiv weh getan mit einem abgefahrenen Hinterreifen.

    B) Mich an einen Rastplatz stellen mit selbst gemaltem Schild "Madrid" und hoffen dass ein LKW oder Sprinter mit Hebebühne mich und die Yamaha richtig Madrid verfrachtet, wo ich dann die letzten Kilometer zum Händler humpeln kann.

    C) Jeden Reifenhändler auf dem Weg abklappern, und dort einen neuen Reifen montieren lassen. Oder einen alten. Kann auch ganz alt und abgefahren sein, Hauptsache dicht.


    Aber erst mal muss ich den Berg runter. Lag das Reh mit aufgeschlitzter Kehle vorhin auch schon auf der Straße? Und diese Steinchen hier?



    Im nächsten Dorf mit sicherem Handynetz gucke ich was die Route so an Reifenhändlern kennt. In 70 km Entfernung sind zwei. Das müsste doch recht sicher gehen. Danach wäre die Autobahnauffahrt, für den Plan mit dem Anhalter. Ich habe aber leider keinen Minirock im Gepäck. So eiere ich behutsam zum Euromaster in Aranda de Duero, und rödle mal komplett ab, um einen guten Eindruck zu machen. Der Reifen sieht jetzt so aus. Eindeutig negative Profiltiefe.



    Die Verkäufern versteht kein Englisch, und dieses Geschäft macht auch keine Motorräder, aber sie steht meinem Problem mitfühlend gegenüber und hängt sich ans Telefon. Dann nennt sie mir den Namen "Motor Street" und sagt, ich solle bei Google Maps gucken. Der Laden ist exakt 1x um die Ecke im gleichen Gewerbegebiet. Also rödle ich nach intensivem Bedanken halb auf und rolle dort ein. Es ist ein kleiner Beta- und Brixton-Händler, der einzige Mitarbeiter dort ist motiviert und kann englisch. Außerdem hat er vier verschieden Reifen in meinen Maßen auf Lager und montiert mir einen davon in 30 Minuten. Ich bin verliebt. Es wird ein Pilot Road 5. Der kostet mit 191 Euro fast so viel wie der Satz CRA2 in Leon, aber dafür ist er auch 2-3 Generationen neuer, auf Lager und sofort montiert. Wow. Ich liebe solche Händler. Ein anderer Kunde muss wegen mir warten. Da zahle ich gern Aufpreis. Ich hätte auch einen Reifen vom mutmaßlichen Entsorgungshaufen hinterm Haus genommen, aber das wollte er nicht - kann ich auch verstehen. Inzwischen scheint die Sonne und ich kann die 30 Minuten nutzen, um meine diversen Hosenlagen zu trocknen.


    Danach geht's mit frischen Mut auf die Piste. Jetzt tickt die Uhr ziemlich laut. Durch das Rumgeeier und den nicht geplanten Reifenwechsel wird es plötzlich knapp, 19 Uhr in Madrid zu sein, wenn der Yamaha-Händler schließt. So geht es voller Elan auf die Autobahn, aber mit der "Blumenpolizei"-Episode von gestern im Hinterkopf. Dann kommt ein schneller Audi A5 und ich hänge mich dran. Naja, ich versuche es, aber das wird mir auf Dauer zu krass, bzw. meiner Nackenmuskulator. Ich muss noch 2x halten, 1x um die Regenjacke anzuziehen wegen drohendem Starkregen, der aber kurz danach wieder endet, und dann muss der Tank mal wieder gefüttert werden. Zur Feier des Tages gibt's Superplus, und der Tank kriegt 'nen Zwanni in die Hand, stimmt so. Jetzt aber wieder auf die Piste, püntklich sein ;)


    Das klappt dann auch! Der Händler ist in einem Gewerbegebiet in einem Vorort von Madrid, und dort kommt man mit 0 Ampeln hin, und sogar nur die letzten 500 Meter ohne autobahnähnliche Straße. Die Händler hat einen tollen Showroom, aber die Werkstatt ist im Keller. Ich fahre 1x runter und fühle mich direkt wohl. Sehr viele Marken und 3 interessierte Mechaniker fragen mich auf Englisch aus: Reiseroute, Strecken, Unterkünfte, Motorrad, Reifen, usw. Ich lasse alles zurück, was ich erst wieder in Spanien brauche und daheim doppelt habe oder nicht mit ins Flugzeug nehmen kann, und mache mich nur mit Topcaseinnentasche und in Motorradkluft auf zum Hotel. Für den Weg verwende ich Uber. Das ist ein Fahrdienst, wo "jeder" Fahrten anbieten kann. Aber jeder, der es nicht richtig macht, fliegt auch ganz schnell wieder raus. In Deutschland hat es ein furchtbares Image, gilt als Raubtierkapitalismus und die Fahrer als ausgebeutet, und sie sind anders reguliert als Taxis, insbesondere müssen sie nach jeder Fahrt leer zurück zur Basis. Der Rest der Welt verdient sich was dazu oder genießt unkomplizierte Fahrten zu einem vorher festgelegten Preis an jedem Ort - auch da, wo's keine Taxis gibt.


    Mein Uberfahrer heute uberfährt erstmal fast einen Fußgänger, das scheint aber niemanden zu stören. Der Fahr trägt außerdem 2 OP-Masken übereinander und kommt mit offenen Fenstern an. Dann geht es die 30 km in 22 Minuten zum Hotel, mit 0 Ampeln, und sogar nur die letzten 700 Meter ohne autobahnähnliche Straße. Wie schaffen die das bloß in Spanien. Die Fahrt hat 38 Euro gekostet, bezahlt in der App. Kein Diebstahl oder Betrug möglich. Der Fahrer kriegt 'nen Zehner Trinkgeld bar in die Hand, weil sein Auto einen neuen rechten Außenspiegel braucht und weil ich echt gute Laune habe. Es hat alles doch noch geklappt, trotz der neuen Schwierigkeit mit dem fertigen Reifen!


    Das Hotel ist in Ordnung, und es hat einen kostenlosen Flughafenshuttle, der stündlich fährt. Abendessen gibt's aus dem Supermarkt. Es wären auch Restaurants in der Nähe, aber ich schone meinen Magen lieber. Was für ein Tag. Morgen noch den Flieger kriegen und nix im Zug vergessen, dann ist der Urlaub komplett geglückt.


    Zielerreichung:

    68,5% von 295 spanischen Passknackern

    3. Hinterreifen

    1/2 Reiseabschnitten

  • #50

    Den Reifen haste ja mal ausgequetscht😳, 3800, oder zum Schluss 4000 Kilometer sprechen ja nicht gerade für Laufleistung.

    Schön das alles noch so geklappt hat.

    Guten Heimflug 👍

    Einer von uns beiden ist klüger als du 8)

  • Hey,

    dir scheint die Diskussion zu gefallen, aber du bist nicht angemeldet.

    Wenn du ein Konto eröffnest merken wir uns deinen Lesefortschritt und bringen dich dorthin zurück. Zudem können wir dich per E-Mail über neue Beiträge informieren. Dadurch verpasst du nichts mehr.


    Jetzt anmelden!