Mo 14.3.22 Norte Marathon Rundtour
Die Nacht war gut. Das Hotelfrühstück auch. Ich bin pünktlich 7:30 zur Eröffnung da und erschrecke das Personal damit zu Tode Heute habe ich viel vor. 425 km, um genau zu sein. Da ich die letzten Tage Ärger mit den Ideen das Navi hatte, habe ich für heute eine Detailplanung gemacht. Das heißt, ich gucke mir jede Straße vorher im Routenplaner an und nagle überall Wegpunkte in die Landschaft, wo ich entlang fahren will, anstatt das Navi selbst einen Weg finden zu lassen. Bei der Planung kann ich das bessere OSM Kartenmaterial verwenden, und "Abkürzungen" über irgendwelche Holperstrecken vermeiden. Ich mache also etwa das Gegenteil von kurviger.de, denn für meine Kombination aus Fahrzeug und Landschaft passen die Hauptstrecken besser. Die sind natürlich immer noch kurvig, vielleicht sogar kurviger als die "Abkürzungen", aber dort kann man eben auch mal über 30 oder gar 50 km/h.
Frisch gestärkt geht's 8:30 auf Achse, nach Norden den ersten Pass hoch. Die Handschuhe sind komplett trocken geworden, das ist angenehm. Es ist aber mit 11 Grad doch noch kalt genug für die Regenjacke. Ich habe viel vor, daher achte ich heute darauf, die Standzeit zu minimieren. Bei einer Rundreise kann man sich halt schlecht irgendwo unterwegs ein Hotel nehmen. Also klar, das kann man schon, aber dann zahlt man eine Nacht doppelt und hat nichts dabei außer dem, was man am Mann hat. Ich gönne mir übrigens den Luxus, mit einem fast leeren Topcase zu fahren. Ich mag nämlich nicht beim Auf- und Absteigen immer über einen Turm aus Werkzeug und Regenklamotten steigen, und eine kleine Tasche für den Topcaseträger habe ich nicht dabei. Das könnte aber eine Idee fürs nächste Mal sein.
Ich habe heute viele Kühe und Pferde auf der Straße. Klingt niedlich, aber diese hier können pieksen.
Der Straße schraubt sich an einem See runter und danach wieder hoch. Sehr schön!
Auch sonst habe ich einige exponierte Punkte.
Ich würde mich unwohl fühlen, unterhalb solcher Felsbrocken zu wohnen. Apropos Punkte: Normalerweise ist bei mir jeder Wegpunkt im Navi ein Passknackerpunkt, also anhalten, Foto machen, weiterfahren. Heute habe ich zusätzlich reine Hilfspunkte (anderswo heißen die Viapunkte), wo ich NICHT anhalten muss. Ich stehe also vor der zusätzlich Herausforderung, die beiden nicht zu verwechseln, sonst muss ich morgen wieder zurück. Und wegen der Kreisform dieser Route vermutlich gleich einen Großteil der Strecke von heute. Also Uffbasse! Aber es läuft gut. Weiterhin kein Regen! Auch weiter im Westen ist es schick, und es kommt sogar die Sonne raus:
Ich habe heute fast keine verwinkelten Holperstrecken, sondern kann das Tempolimit von 90 km/h außerorts voll ausnutzen. Das treibt die Durchschnittsgeschwindigkeit in unbekannte Höhen, und die Laune auch gleich. Es flutscht richtig! Die Kurven machen Spaß, der Dreizylinder singt ein schönes Lied, die meisten Autos hier haben weniger Leistung als ich, und es geht gut voran. Mit meinem 42 Jahren, der 42 auf dem Nummernschild und auf der Yamaha RN43 (immerhin fast richtig) kann ich den Unwahrscheinlichkeits-Antrieb nutzen - am Lenker ganz außen rechts - das gönne ich mir heute einfach mal Heute höre ich auch keine Podcasts, das beruhigt zu sehr. Ich war heute in Extremo.
Nein, ich höre keinen Mittelalter-Folk Metal Ich höre heute 1914. Aus aktuellem Anlass, das ist eine ukrainische Blackened Death Metal Band, und die Thematik passt zum Bandnamen. Das treibt an, macht ein wenig morbide, hält mich frei von blödsinnigen Gedanken und hilft mir so, mich aufs Fahren zu konzentrieren.
Aber Hochmut kommt vor dem Fall. In einer Kurve verschätze ich mich um 5 mm. Das ist nicht viel, reicht aber für unerwünschten Kontakt zur Landschaft. Und zwar fahre ich bei 80 km/h eine 180° Rechtskurve, weit innen, weil sie übersichtlich ist, und gerate etwas zu weit nach innen, bzw. komme mit der Wahrnehmung meines Umfelds nicht nach. So kriege ich einen drei Finger dicken Ast an den Kopf, oder besser gesagt, an den Helm. Meistens überschätzt man die Nähe weit entfernter Dinge zu einem, wenn man sich schnell bewegt. So landen Motorradfahrer beim Überholen manchmal im Gegenverkehr, obwohl in der Mitte reichlich Platz gewesen wäre. Ich kriege heute einen deutlich hörbaren, aber nur wenig spürbaren Schlag ab. Ich halte danach an, um zu sehen, ob am Helm noch alles dran ist - aber sogar die Lufthutze samt Versteller ist noch dran. Das kann ja nicht viel Überlappung gewesen sein, maximal 5 mm. Vielleicht hat das Motorrad nach einer Senke schneller ausgefedert als erwartet, vielleicht bin ich über eine Bodenwelle gefahren, vielleicht habe ich zu wenig geguckt. So oder so, nix passiert - weiter. Künftig 5 mm mehr Platz nach oben einplanen.
Die letzten beiden Punkte sind stadtnahe Aussichtspunkte über Braga und über Guimaraes. Hier habe ich besonders sorgfältig den Weg geplant, um mich nicht im Häuserkampf zu verfranzen. Leider sind die Einbahnstraßen am Berg real inzwischen andersrum als in meinem Navi, aber die anderen Autofahrer nehmen Rücksicht Nein, kleiner Scherz, ich achte die real existierende StVO und finde eben frei Schnauze den Weg bis ganz nach oben. Als ich gerade parken will, sprechen mit zwei amerikanische Touristen an, dass man auch bis ganz ganz nach oben fahren kann. Na dann mal los. Blick über Guimaraes:
Schöner Abschluss. Den Berg runter ist das Sena leer. Weiter ohne Musik? Geht ja gar nicht! Für diesen Fall habe ich ein zweites Sena im Tankrucksack dabei, das in die gleiche Halterung passt! Und ich schaffe es, zu wechseln, ohne den Helm abzunehmen. Ohne es vorher geübt zu haben. Jetzt nur noch zurück ins Tal und 30 km auf der mautpflichtigen, aber analog betriebenen Mautobahn absitzen. Die Musik spielt weiter. An der Autobahnausfahrt ist eine Mautstelle zum Bezahlen, und der Autofahrer vor mir braucht echt lange. Es gibt echt Leute, die haben es nicht drauf. Aber ich habe es nicht eilig. Als ich dran bin, stelle ich fest, dass mein Tankrucksack schon offen ist. Oops. Da ist der Geldbeutel drin, wäre blöd wenn der weg gekommen wäre. Aber er ist noch da, nix passiert, cool bleiben, Ticket raus, Kreditkarte bereithalten, und siehe: Es klappt auch bei mir nicht. Das Ticket wird zwar akzeptiert, aber keine Kreditkarte wird akzeptiert. Der Automat beginnt mit mir zu sprechen. Ah, eine automatische Hotline. Nein, ich kann kein Portugiesisch. You have to put the card in and then pull it out quickly. Schnell rausziehen. Was ist das denn für eine seltsame Technik? Aber sie funktioniert, das reicht mir. Die Schlange hinter mir wird es wohl ebenso machen müssen. Am Hotel fahre ich direkt in die Garage - geschafft!
Oder? Erst mal die Nachbereitung machen. Habe ich alle Fotos? Ich konnte ja unterwegs nicht hochladen wegen Schluckauf des Passknacker-Telegram-Bots. Und bei der Marathon-Etappe in Sardinien 2021 hatte ich dann tatsächlich einen Punkt vergessen, und damit den Landespreis verpasst. Aber die Passknackerkarte ist schön grün. Yeah, heute ein Sieger! Heute habe ich den Plan heute erfüllt, und das ohne übermäßige Anstrengung und mit viel Fahrspaß. Da zeigt sich, dass sich die Detailplanung wirklich lohnt. Die mache ich jetzt jeden Tag. Auch wenn der Reisebericht dadurch etwas später kommt, ätsch
So, Dusche, Supermarkt, es ist noch Wurst und Käse von gestern da. Es kommt frisches Brot dazu und außerdem ein Cesar Salad. Und was Süßes. Und vielleicht noch was Süßes. Ach, hungrig einkaufen gehen
Bis zum Landespreis hätte ich nur noch 450 km, das könnte ich morgen schon schaffen. Und dann muss ich mir überlegen, was ich danach machen möchte.
a) Nordspanien fahren oder nicht fahren
b) Direkt in die Pyrenäen hüpfen und dort schick die französische Seite abfahren.
c) Nach Barcelona, auf eine Fähre, und zwar:
c1) Nach Mallorca - da kann man innerhalb 16h einen Landespreis sammeln - leider fährt die Fähre von Mallorca nach Frankreich um diese Jahreszeit noch nicht, so dass ich nach Barcelona zurück müsste. Das ergibt viel Zeit auf Fähren und/oder Autobahnen.
c2) Nach Genua - spart etwa 700 km Rückreise, eine Übernachtung und die gesamte französische Autobahnmaut, dafür muss ich dann imüber die Alpen. Im März.
d) Südfrankreich
e) Autobahn stur nach Hause
f) Irgendwo vorsichtshalber einen neuen Hinterreifen suchen
g) Jede mehr oder weniger sinnvolle Kombination davon
Tendenziell bin ich zur Zeit für "alles der Reihe nach, so lange noch Zeit ist", und keine Fähren. Thema ist doch schließlich "auf Achse"
16 Passknacker und 425 km heute
Rangliste Platz 8 von 111
2154 km nach Hause, 420 km hinter Plan
87,3% von Portugal (62 von 71)