"Live"-Reisebericht 2021 Spanien, Portugal?, Frankreich

  • #21

    Woooow........wunderbare Bilder, traumhafte Landschaften und ansteckendes Reisefieber verbreitest Du hier und lässt uns alle teilhaben an Deiner tollen Reise.

    Einige Gegenden dort erinnern mich frappierend an das ebenfalls wunderschöne Mallorca, wo ich auch unbedingt wieder hin möchte, sobald das mal wieder möglich ist.


    Vielen Dank für Deinen super Reisebericht sowie die Klasse Bilder, bleib gesund und im Sattel! :handgestures-thumbupright:

    YOU live only once - so you should ride only at good motocycles ... 😉

  • #22

    20.4. Sierre de Gredos 1/2


    Nördlich von Madrid ein paar Passknackerpunkte in Ost-West-Richtung. Genug für etwa 2 Tage Touren. Warum die da liegen, wusste ich nicht, wird ja hoffentlich kein Quatsch sein. Von der Region hatte ich aber noch nie gehört. Technikmäßig hat meine BNB-Wirtin für mich bei einem motorradaffinen Reifenhändler angerufen, den ich morgen oder übermorgen erreichen werden, um mal vorzufühlen in Sachen Termine, Lagerbestände und ob ich mir etwas hinliefern lassen kann/muss. Als er gehört hat, dass ich MT-09 fahre, konnte ich ihn übers Telefon lachen hören - so üblich sind die Reifendimensionen. Also einfach hinkommen und ca. eine Stunde warten. Prima, aber das ist ein Thema für später. Heute werden Pässe gefahren. Dann mal los!


    Der erste Pass zieht sich eine Weile und die Straße ist eher bröselig. Ich mache mir Sorgen, ob das den ganzen Tag so bleiben soll. Auflösung: Nein, es wird besser. Und auch wieder schlechter. Ein Wechselbad der Straßenoberflächen.



    Insgesamt alles sehr hoch hier. Auch in den Ebenen stehen über 1000 Höhenmeter auf dem Navi. Die Passhöhen gehen bis 1909 Meter hoch. Es ist weitgehend einsam hier. Kühe sind ein großes Thema.





    Es hat 6-16 Grad je nach Höhenlage, was in der Goretexjacke dank der Sonneneinstrahlung auch auf einem Naked Bike gut geht. Später zieht der Himmel zu und ich habe 10 Minuten Regen. Da muss es dann schon die Regenjacke zusätzlich sein.



    Fürs Mittagessen decke ich mich im Aldi von Avila ein. Avila scheint eine Retortenstadt zu sein. Der Aldi ist seltsam leer, aber außer mir sind noch zwei andere Ausländer im Laden und sprechen Schweizerdeutsch. Oho. Meine Vorräte waren erschöpft, so kaufe ich groß ein und halte 15 Minuten später an einer Kuhwiese zwecks Mittagessen. Da kommt halbe Herde zum Glotzen an, was ich da treibe.




    Gegen Ende noch eine Straße mitten durch einen See?



    In den Tälern hat man gerade und übersichtliche Straßen. Die Pässe sind entweder supereinsam und etwas verfallen, oder super ausgebaut und mit ein wenig Verkehr drauf. Auf letzteren sind sogar ein paar Blitzer. In Summe eine faszinierende Gegend, die außerhalb von Spanien wohl niemand kennt. Zur Nächtigung suche ich mir 18 Uhr ein Hotel, buche aber heute mal vorab per Booking. Es ist in der Nähe der Hauptstrecke nach Madrid, aber ruhig gelegen, seit die LKW hier nicht mehr direkt vorbeifahren dürfen. Damit entfiel anscheinend aber auch 90% der potentiellen Kundschaft. Morgen geht's ca. 4h weiter mit der Region hier, und dann ganz in den Nordwesten von Spanien, mit Stopp beim Reifenhändler. Die üblichen Arbeits-/Öffnungszeiten hier sind übrigens 9-14 und 16-20 Uhr.


    Zielerreichung:

    28,8% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    1823 Kehren laut Passknacker

    9 von 10 Zehennägeln tun nicht weh

  • #23

    21.04. Mad Rider 2, Transfer, Reifenjagd


    Heute mache ich die restlichen Pässe im Mad-rider Norden, und dann geht's stark nordwestlich. An der Nordküste Spaniens (und ihrem Hinterland) lauern zahlreiche Passknackerpunkte für mindestens eine Woche Kurvenspass. Bekannteste Region sind wohl die Picos de Europa. Ansonsten habe ich einen Reifenhändler auf halbem Weg des Transfers in der Route und hoffe, das er offen hat, wenn ich komme, und dass ich da was kriege.


    Einpacken geht routiniert, Motorrad ist noch da, Kette wurde gestern Abend frisch gesprüht. Frisch ist auch eine zutreffende Beschreibung für das Wetter, daher geht's in Regenkombi los. Und schon wieder aus dem Hochtal (800 Meter) hoch in die Berge (bis 1880 Meter). Wie immer kein Verkehr, und heute überwiegend gute Straßen. Daran kann man sich echt gewöhnen. Ich frage mich, was hier, eine Stunde außerhalb von Madrid, wohl am Wochenende los ist? Vermutlich nichts, sonst wären da mehr Lokale.






    Mit Kühen muss man immer rechnen, mit oder ohne Gatter.



    Ich komme so gut voran, dass ich guter Dinge bin, es vor der 14-16 Uhr Mittagspause zum Reifenhändler in Valladolid zu schaffen, also mache ich gegen Ende etwas mehr Tempo. Das klappt leider nicht, denn der letzte Abstecher zum Puerto de la Quesara entpuppt sich als Bröckelpiste mit Kies drauf, noch dazu mit Wanderbaustelle - und da muss ich zwei Mal durch.



    Hektik ist da kein guter Begleiter. Die 160 km nach Valladolid hätte ich dann mit einem Schnitt von 110 km/h fahren müssen - und das auf einer zweispurigen Bundesstraße mit LKW-Verkehr und Ortsdurchfahrten, aber nicht zu schnell, sonst droht noch ein Tankstopp. Ne, das ist mir zu wild, ich gebe mich geschlagen und hoffe auf eine Notbesetzung während der Siesta.


    Der Stadtverkehr von Valladolid kündigt sich durch einen Rückstau an. Ich habe in Sevilla aufgepasst und zaubere mich durch. Eine BMW mit Koffern folgt mir. Oha, da bin ich empfindlich, seit ich mal einem Trickbetrüger auf einer BMW mit Koffern in Deutschland aufgesessen bin. Also darf er gerne vor. F800GT, Turnschuhe, LS2-Helm - okay, das ist unverdächtig, da fahren wir mal hinterher. Im spanischen Stadtverkehr gibt es für Zweiradfahrer ungefähr zwei Regeln:


    1. Es wird gefahren, wo Platz ist.

    2. Wenn einmal gefahren werden soll, wo kein Platz ist, kann man davon ausgehen, dass die anderen Platz machen.


    So komme ich dann zügig zur Anschrift des Reifenhändlers, und bin schon 14:05 da. Das Tor ist zu, die Tür verrammelt, klopfen und rufen führt zu keiner Reaktion. Das ist schade. Ich warte jetzt aber nicht 2 Stunden auf das Ende der Siesta und dann noch mal eine Stunde auf die Arbeit, wenn ich überhaupt direkt drankomme, und nicht jemand vor mir dran ist. Dann wäre ich bei 4 Stunden und damit dem halben Fahrtag. Also weiter.


    Einen Versuch wert scheint die Stadt Léon zu sein, benannt nach dem VW Golf von Seat ;) 115 km weiter, und ein großer Reifenhändler dort macht schon um 15:30 wieder auf. Da gondle ich dann mal hin auf der nächsten Bundesstraße hin. Das ist ganz schön ermüdend. Gähnen während der Fahrt ist kein gutes Zeichen. Außerdem ist mir kalt. 11 Grad bei Bewölkung, brr. Also Pause am Feldweg, Snack rein, Beine vertreten, und dann den Rest runter reiten. Eine kleine Schrecksekunde liefert noch eine aufgegebene Tankstelle, aber mit 45 km auf Reserve kommt ich noch zur nächsten. Der 1 L-Kanister beruhigt zwar, aber am Straßenrand tanken, wenn LKWs mit 120 km/h vorbei pfeifen, ist auch nicht so das allerangenehmste. Der Reifenhändler in Léon ist schnell gefunden, und der ist wirklich groß. 6 Hebebühnen, alle direkt von der Straße anzufahren. Ich parke vor der ersten, das Auto hat eh grade keine Räder drauf. Bevor ich den Helm runter und die Maske drauf habe, werde ich schon vom Chef angesprochen, was ich wünsche.


    Er steht meinem Problem mitfühlend gegenüber und notiert sich die Reifenmaße der Yamaha. Er wühlt im Computer, ich erblicke einen Satz TKC70 im Schaufenster - zumindest der Vorderreifen wäre erste Wahl für die Bröckelpisten, weil er super Rollsplit verdrängt, ohne echte Nachteile aus Asphalt, aber leider ist es ein 19"er. Und einen Felgenumbau wollte ich jetzt nicht auch noch angehen. (Obwohl!?) Das Hinterreifenmaß 170/60 R17 TKC70 steht bereit, und das hätte ich statt 180/55 R17 eh gern mal probiert, aber hinten brauche ich eher mehr Reichweite als ein TKC70 bietet. Es sind leider keine passenden Reifen in meinen Maßen auf Lager, aber es werden mir für morgen früh 10 Uhr je 1 Satz Pilot Power oder Conti Road Attack 2 angeboten, beide je 220 Euro inkl. allem. Okay, nicht meine Traumwahl, aber wird funktionieren. Die Nacht kann ich hier in der Stadt genauso gut wie andersrum verbringen, ich bin eh schon müde.


    Also flugs eine Unterkunft gesucht. Léon ist eine Großstadt, es gibt hier Hotel, Hostels und BNB. In den Bewertungen lese ich schon von liebevollen und gesprächigen Wirten - nein, Leute, es ist Covid - und ich suche mir ein Hotel. Es fällt ziemlich modern aus. An der Rezeption werde ich von einem schneidigen Angestellten ausgezeichnet bedient. Es gäbe eine Garage für 6,60 Euro, aber der Chef parkt sein Motorrad immer neben dem Eingang, da ist 'ne Kamera, und das darf ich auch. Da sagt man: Danke!


    So, nach dem Check-In und auspacken wollte ich eigentlich noch los, tanken, einkaufen und vielleicht Motorrad waschen... aber es fällt mir echt schwer. Ich muss mir eingestehen, müde zu sein und keine Lust mehr auf Motorradfahren zu haben. Ich bin ja auch gerade fast 300 km Bundesstraßen und 2x Stadtverkehr gefahren, und davor 200 km Pässe. Nebenan ist eine Pizzeria und neben dem Reifenhändler sind diverse Supermärkte. Da kann ich die Wartezeit morgen sinnvoll nutzen. Passt so. Umparken und ab in die Badewanne :)


    Zielerreichung:

    31,9% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    6800 km gefahren seit Urlaubsbeginn 10.4.

    2 Reifen runter, 2 Reifen bestellt

  • #24

    Ein toller Reisebericht. :thumbup: vor allem zu einer Zeit, in der man von so einer Tour träumt und eigentlich nicht mal ein paar Tage an die Ostsee kommt. Du zeigst, dass es trotzdem geht, fast ans Ende Europas zu fahren. Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß, gute Fahrt, schönes Wetter und tolle Erlebnisse.


    Gruß Holger

  • #25

    Hallo Johannes, macht echt Lust auf Spanien! Mich wundert, dass das Wetter dort so bescheiden ist. Von Klimawandel keine Spur:eusa-think:

    Reifen sind ja echt akzeptabel von den Preisen. Aber einen TKC auf der MT09? Der hilft Dir mit der MT im Gelände auch nicht.

    Bleib gesund und schön sitzen auf dem Moped.

    Grüße aus dem wilden Süden

  • #26

    22.04. Leon - Nord 1


    Gut erholt aufgewacht im modernistischen Hotel fiebere ich dem Reifentermin entgegen. 10 Uhr ist fast etwas spät, aber ich könnte ja noch tanken fahren vorher. Also gepackt, ausgecheckt, losgefahren: Tankanzeige zeigt voll. Na dann halt nicht! Zum Reifenhändler gefahren, der sagenhafte 8 Hebebühnen hat, alle mit eigener Einfahrt, und direkt vom Chef empfangen und dirigiert worden, bevor auch nur ein Fuß unten war. Er zeigt mir die Reifen und sagt, dauert etwa eine Stunde.



    Okay, ich bin vorbereitet. Die obere Hälfte mein Soziustasche ist heute leer, ich gehe zu Fuß schön einkaufen und gucke mir nebenbei Leute und Häuser und die nähere Umgebung so allgemein an. Der Einkauf reicht sicherlich bis morgen Abend, und finde auch eine Bank hinter dem Reifenhändler mit Blick aufs Motorrad, wo ich ungestört mein Frühstück schnabulieren kann. Es wird dann doch etwas nach 11, weil die Räder in einer anderen Werkstatt ausgewuchtet werden, aber halb 12 reite ich bei km-Stand 32822 wieder los. Ich zahle 219 Euro, was ein echt fairer Preis ist. Auf frischen Reifen komme ich mir anfangs wie der erste Mensch vor, der versucht, Motorrad zu fahren, weil ich nicht mehr die Unförmigkeit der alten Reifen unbewusst kompensieren muss. Es geht in die Berge, und dafür muss ich gar nicht so weit Überführungen fahren. Schon nach 50 km schwinge ich mich elegante Schluchten entlang. Beim ersten Passknackerpunkt findet sich kein Schild oder anderes gutes Merkmal an den angegebenen Koordinaten.



    Das wird sich heute leider noch ein paar Mal wiederholen. In solchen Fällen hofft man, dass die Admins die Landschaft wiedererkennen, und falls nicht, fotografiert man die nächste Kilometertafel oder das nächste Ortsschild. Der Straßenzustand ist heute weitgehend sehr gut. Es gibt auch keine gerade Bundesstraßenetappen zwischen den Punkten hier. Außer diese ;)



    Auf den kurvigen Pässen werde ich zum Speed Touri und mir fällt auch wieder ein, warum ich die MT-09 gekauft habe :)






    Das Wetter macht derweil zu und ein paar Tropfen Regen kommen runter. Kalt war's leider schon vorher, aber jetzt wird's unangenehm. Ebenfalls unangenehm, der Punkt Alto de la Farrapona ist vom Osten her definitiv Schotter, mein Navi will aber trotzdem von Osten her dorthin fahren. Ich merke das und schaue in OSMand nach: Von Westen her Asphalt. Laut meinem Navi gibt's von Westen her gar keine durchgehende Strecke, aber jede Menge Waldwege. Da hilft dann ein zusätzlicher Wegpunkt an der Stelle, wo man von der Hauptstrecke runter muss, und ab da klappt's dann frei Schnauze. Einfach immer der Strecke mit der konstanten Steigung folgen. Ob angekommen sehe ich die andere Seite und bin froh, mich für diese Seite entschieden zu haben.



    Auch heute stehen wieder überall Kühe rum, wo man sie nicht erwarten würde. Ein Cowboy kommt entgegen, der mit seinem Pickup Kühe den Pass hoch treiben möchte. Die Kühe bleiben aber verwirrt stehen, als sie mich sehen, und eine beginnt gar in Gegenrichtung zu flüchten. Aber nicht weit. Ein anderes Mal überhole ich Schafherde - zum Glück eine sehr kleine, die daher einspurig lief. Die Gegend hier ist zwar Gebirge, aber durchaus besiedelt und auch belebt. Man trifft Menschen und sieht Autos.


    Außerdem bin ich hier im Einzugsgebiet des Camino de Santiago, also der Pilger. Das macht gegen 17 Uhr die Suche nach einer Unterkunft überraschend einfach. Das Hotel-Restaurant sieht von außen sehr geschlossen aus, aber die Tür geht auf und drinnen kriege ich ein Zimmer für 25 Euro. Dass es kein eigenes Bad hat ist nicht so super, aber ich bin heute bisher der einzige Gast. Duschen mit Maske wollte ich jetzt nicht, aber ich halte es auch mal einen Tag ohne Dusche aus, besonders wenn es nicht heiß war. Heute war ein spannender Einstieg in diese Gegend mit viel Fahrspaß und wieder mal immer wieder neuen Landschaften. Spanien hat echt viel zu bieten.


    Zielerreichung:

    34,9% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    2 gleiche Reifen montiert

    Immer 3 Zeilen Zielerreichung


    ---


    Es ist erst April Spanien ist landeinwärts größtenteils Höhenlage. Wir Touris denken halt immer nur an den Strand.

  • #27

    23.4. Nord 2 Chaostage


    Leckomio. Der Tag heute allein reicht für einen ganzen Reisebericht. Es begann mit einer nicht so tollen Nacht in einem nicht so tollen Hotel. Ich blieb leider nicht der einzige Gast, und der zweite Gast hat als Hobbies 1. Rauchen und 2. Gewalthusten mit Hochziehen und Röcheln. Ich sehe also zu, dass ich morgens zügig da weg komme. Leider war noch niemand an der Rezeption, daher hinterlasse ich 20 Euro in meinem Zimmer, das eigentlich 25 Euro kosten sollte. Ich habe es aber nicht passend, und mehr bezahle ich bestimmt nicht freiwillig. Ich nehme mir aber vor, dem Besitzer eine Mail zu schreiben und um seine Bankverbindung zu bitten, für den Rest.


    Um 8 Uhr startet die Yamaha fertig gepackt mit leicht schlechtem Gewissen auf eine Tagestour, die ziemlich sternförmig aussieht. Der erste Passknacker ist gleich mal 130 km entfernt, davon aber das meiste Bundesstraße und auch Autobahn. Heute gibt es keinen Regen, aber warm ist es hier, jenseits der 1000 Höhenmeter, noch lange nicht.



    Wie ich so die Autobahn entlang döse, wird der Verkehr einspurig verengt und weiter vorne lauert wieder eine Polizeikontrolle. Ich will eigentlich diese Abfahrt hier nehmen und hoffe noch, dass ich vorher abfahren kann. Dazu halte ich mich sehr dicht hinter dem LKW vor mir und an seiner rechten Seite. Das nützt leider nichts, die stehen mit 8 Mann auf beiden Seiten der Straße und haben mich gesehen. Einer hat ein G36, bis ich da außer Reichweite bin, ist mein Topcase durchsiebt. Noch mehr Löcher in den Vakuumbeuteln kann ich echt nicht gebrauchen und mein Rückenprotektor ist nur Level 1, der hilft nicht gegen 5,56 x 45 mm. Also stelle ich mich der Kontrolle.


    Uniformierter #1 spricht mich an, ich kann aber kein Spanisch. Ich werde zur Seite gewunken. Tätä, reingetappt. 8 Beamte, alle mit Pistolen, einer zusätzlich mit einem G36. Das ist mindestens einer zuviel, um mit meiner Nagelschere da eine realistische Chance zu haben. Uniformierter #2 spricht mich auf Englisch an. Kann ich! Und eigentlich bin ich ja gar nicht SO illegal hier. Also spiele ich mal mit. Ausweis bitte, und was machen Sie hier. Hier ist mein Ausweis, ich bin

    a) auf der Durchreise aus Portugal

    b) Tourist und reise durch Spanien

    c) wüste Beschimpfungen auf übelstem Bayerisch

    Ich bleibe mal ehrlich und wähle b). Uniformierter #2 ist verwirrt, und fragt bei Uniformierter #3 nach. Uniformierter #4, der mit dem G36, zuckt kurz zusammen. Ich schnappe das Wort "Test" auf. Uniformierter #2 fragt, ob ich einen Test hätte. Na klar, daaa hinten in meinem Topcase. Bitte zeigen. Okay, ich steige ab und gehe zum Topcase. Uniformierter #2 begleitet mich intensiv und steckt mit der Nase in meinem Topcase, kaum dass es offen ist. Alter Polizistenreflex, Typ "zeigen sie mal Verbandskaten, Warndreieck, Reserverad" - oder auch einfach nur Eigenschutz, falls ich da eine Klapp-Bazooka raushole. Spanien ist ja nicht ohne was Inlandsterrorismus angeht. Während ich werkle werde ich gefragt, ob ich das erste mal in Spanien bin. Aha! Smalltalk! Sehr gutes Zeichen!


    Mein ausgedruckter PCR Test vom 9.4. gefällt ihm. Ich erkläre noch, dass ich den auch für Frankreich gebraucht habe und dann zügig durch Frankreich gefahren bin. Wohin ich heute fahre? Weiß ich nicht so genau, aber ich zeige die Route auf dem Navi. Ah, Asturien. Ja, bestimmt? Dann gute Fahrt! Und schon bin ich fertig. Außer dass ich wieder aufrödeln muss - Handschuhe ausziehen in Regenkombi, Kenner wissen was das heißt. Der neben mir fertig kontrollierte Sprinter springt nicht mehr an. Das Mitgefühl der Polizisten wird in Gelächter ausgedrückt. Eieiei. Bloß weg hier. Niemanden umfahren und dann quickshiftend weg da bevor jemand auf die Idee kommt, die Zähne auf dem Kettenrad nachzuzählen.

  • #28

    So, zu meinem Passknackerpunkt Alto de Poio! Da geht's recht zügig hin, allerdings in die Wolken rein. Das heiß keine Sicht und Kälte. Zum nächsten Punkt habe ich zwei Möglichkeiten: Nahezu den gesamten Weg zurück, oder über Minipopelstraßen ziemlich Luftlinie. Die Navis sind sich uneinig, was schneller geht. Eine Stunde Autobahnlangweile hatte ich, außerdem müsste ich dann noch mal an der Kontrollstelle vorbei - auch wenn die einseitig ist, mir ist das unangenehm. Also Minipopelstraßen. Laut OSMand alles asphaltiert. So schraube ich mich in die Landschaft rein, und tatsächlich habe ich Asphalt und sogar einen Mittelstreifen. Aber nur bis zu einer Kehre, dann will Chinanavi geradeaus fahren. Das geht auch 5 km zu, allerdings mit zunehmend verwirrt guckenden Anwohnern und Hunden in allen Größenordnungen, die es auf der Straße echt gemütlich finden. Dann kommt ein Sportplatz und Ende Gelände. Chinanavi wollte kurz vorher auf einen Feldweg abbiegen, den ich aber verweigere. Am Sportplatz sind Bänke zum Rasten. Das trifft sich gut, Frühstück fehlt bisher.



    Ich kriege was zum beißen, und der Hotelier kriegt die angedachte Email. OSMand liefert die Erkenntnis, dass man vorhin in der Kehre besser auf der "Hauptstrecke" geblieben wäre. Ich habe einen Handyhalter dabei, will den aber nicht extra montieren - der ist einfach zu sperrig. Ich habe aber ein Garmin Zumo 220 mit OSM-Karten dabei, das kann mich doch navigieren! Klar, es berechnet eine Route, und malt eine gerade rosa Linie in die Landschaft zum nächsten Wegpunkt. Prima, dann kann ich es ja gleich wieder ausschalten und wegpacken. Ich mag das Scheißding eh nicht. Die restliche Route finde ich auch mit dem kleinen Chinesen, wobei der Straßenzustand 98% echt okay, 1% naja und 1% haarsträubend ist. Gemessen am nicht vorhandenen Rang dieser Verbindung ist das überraschend gut. Am Punkt Puerto de Ancares angekommen bin ich dann trotzdem erleichtert, dass es jetzt wieder auf Hauptstrecken geht. Die Yamaha hat nämlich auch schon wieder Appetit. An der Hauptstrecke wird sie auch bald bedient. Die Nebenstrecken haben keine Tankstellen. Da will ja auch niemand mit einem Tanklaster fahren.




    Dafür gibt's hier wohl Bären. Ich sehe aber keine.



    Aber Kühe und Pferde immer wieder.



    Weiter geht's Richtung Norden. Hier sind die Navis sich wieder uneinig. OSM möchte einen Umweg, China möchte direkt. Ich probiere direkt, weil es in OSM gut ausgebaut aussieht. Der Einstieg ist etwas schwer zu finden. Das hier ist eine (ehemalige?) Bergbauregion. An einem LKW-Wendeplatz hinten raus, 3x ums Eck, geht's auf eine sehr gut ausgebaute, 30 km lange "Bundesstraße" - mit einem großen Schild mit viel Text. Ich erfasse Satzfetzen vom Typ "Privatstraße", "Minengelände", und "verboten". Was genau das heißen soll, weiß ich nicht, aber das würde erklären, warum OSM hier nicht entlang möchte. Da jede durchaus Zivilfahrzeuge und keine grob verschmutzen LKW hier fahren denke, dass das klar geht. Und das geht dann auch klar. So knacke ich mich weiter durchs Land un genieße Straßen mit flüssigen Kurven und prima Aussichten.



    Man sollte es aber nicht übertreiben, wird angedrohnt.



    Am Puerto del Connio lade ich die nächste 500 km-Tour, und gleiche sie aus irgendeinem Impuls heraus noch mal mit der Passknackerlandkarte ab. Das tue ich normalerweise nicht, aber heute hat es sich gelohnt: Der Pozo de las Mujeras Muertas war in keiner von beiden Routen. Das hätte mich den Landespreis Spanien kosten können! Jetzt muss ich nur noch einen Weg dorthin finden. 13 km Luftlinie werden zu 50 km Route, und die führt geradewegs in einen Schotterweg. Nein, da spiele ich nicht mit. Manchmal macht da Chinanavis das, die Ausschlüsse ignorieren, wenn der Umweg zu groß wäre. Das ist mir aber egal, der Umweg ist auch ein Weg, und zum Motorrad fahren bin ich schließlich hier :) Es ist weiterhin sehr schön hier, auch wenn ich fünf Regentropfen abbekomme.


    Dann macht die Route einen Schlenker nach Westen und ich verliere an Höhe. Nach dem Punkt Alto de Acevo suche ich ein Hotel. Ein "Hotel"-Hotel, nix mit Hostel, BNB & Co. Eigenes Badezimmer, por favor! Ich werde fündig, wenige Kilometer von meiner Route entfernt. Ich buche per Booking, fahre hin, 8 Uhr bis 17:45 reicht echt als Fahrzeit. Auf dem Weg habe ich plötzlich Sicht auf den Atlantik - zweites Meer, Check!



    Endlich angekommen checke ich ein. Wieder mal mit Hand und Fuß, mangels gemeinsamer Sprache. Der Wirt zeigt mir zwei Zimmer und ich darf mir eins aussuchen. Beide sind gut - ich nehme das zweite. Hier hat jemand mitgedacht und die Fenster offen gelassen, damit Covid schön raus geweht wird. Ich mache etwas Kettenpflege und einen Spaziergang für die Beweglichkeit, und wenn ich einen Supermarkt fände, könnte ich mir zum Abendessen auch noch 'ne Packung Wurst vorstellen.


    Dann jedoch das zweite Highlight des Tages, 15 Minuten in meinen Spaziergang hinein. Der Wirt spricht mich an und bittet mich, ins Restaurant zu kommen und mich an einen Tisch zu setzen. Dort sitze ich jemandem gegenüber, den ich noch nicht gesehen habe. Es hat etwas von Der Pate. Der Pate spricht französisch und englisch, wir einigen uns auf englisch. Der Pate erklärt mir, dass es ein Problem gäbe. Es tue ihnen sehr leid, man habe einen Fehler gemacht. Hier in diesem Landkreis sind keine touristischen Übernachtungen erlaubt. Es gäbe aber 9 km weiter ein anderes Hotel, wo ich übernachten könnte, weil es ein anderer Landkreis ist. Wenn ich einverstanden bin, soll ich die Buchung hier stornieren und einpacken, man wird mich dorthin begleiten. Dafür gibt's auch aber Freigetränke. 1 Bier kriege ich sofort und noch 2 Dosen in einer Tüte. Ich stehe ihrem Problem mitfühlend gegenüber. Endlich mal Probleme, könnte man auch sagen. Ich bin jetzt 13 Tage unterwegs und hatte noch kein derartiges Problem mit Übernachtungen - das hat mich bisher ehrlich ein wenig überrascht. Ich willige ein und packe meine Sachen. Der Pate fährt im Auto voraus, ich hinterher. Ich frage mich noch, im angeborenen Misstrauen, ob ich jetzt in eine Lagerhalle geführt und dort ausgeraubt werde, aber lache über den Gedanken. Er fährt langsam. Ich fahre Schlangenlinien. Die Nachricht kommt an. Der Pate kann auch schnell Autofahren. 9 km und keine einzige StVO-Verletzung später kommen wir am neuen Hotel an. Ich soll das Motorrad mit dem Nummernschild zur Wand einparken. Der Wirt hier ist informiert und zu dritt checken wir mich ein. Ich war niemals hier. Ich weiß ja nicht mal, wo ich überhaupt bin.


    Das Zimmer ist minimal hochwertiger, und ich packe aus. Im Ort habe ich einen offenen Supermarkt gesehen, da hole ich mir jetzt mein Abendessen. Ansonsten tue ich dem Wirt wohl einen Gefallen, wenn ich nicht den gesamten Ort abwandere sondern mich bald wieder zurückziehe. Der Wirt des morgendlichen Hotels hat mir zurückgeschrieben, das wäre schon in Ordnung, ich hätte ja nicht gefrühstückt und man bedankt sich für meinen Zahlungswillen. So geht ein ereignisreicher Tag zu Ende. Mal sehen, wie das künftig mit den Übernachtungen läuft. Mahlzeit!


    Zielerreichung:

    40,0% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    2 Corona-WTFs

    3 Freibier

  • #30

    Hi Johannes, danke für deinen unterhaltsamen Live-Bericht. :thumbup::thumbup:

    Ich wünsch dir Tage mit vielen Highlights und vor allem gutes Wetter.

  • Hey,

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