Die Antwort "kommt darauf an" gibt jeder, der aus dem Stehgreif nichts dazu sagen kann. Bei der Versicherung Mitarbeiter am Telefon zu befragen ist verschwendete Zeit, die wissen es schlicht nicht genau.
Ihr müsst die Sache von der anderen Seite betrachten.
Für mich besteht ohne Eintrag in die Fahrzeugpapiere keine Reifenbindung. Eine Pflicht für eine Reifenfreigabe besteht in einem solchen Fall gesetzlich nicht. Worauf soll aber nun eine Versicherung einen Mitverschuldenseinwand stützen? Ich habe die gesetzlichen Vorgaben erfolgt. Reifenfreigaben haben für mich einen empfehlenden Charakter, mehr jedoch nicht.
Und auch wenn Neo es nicht wahrhaben wollte: Es ist beim Auto das gleiche. Da gibt es Billigstreifen aus chinesischer Herstellung, die bei Nässe fahren wie Schmierseife. Trotzdem darf ich mir die aufs Auto machen, ohne dass ich damit gegen irgendwelche Regeln oder Pflichten verstoße. Und aus diesem Grund kann mir niemand eine Mithaftung aufdrücken, nur weil ich besch… Reifen montiert habe.
Und bei den Motorradreifen verhält es sich nicht anders. Was ich mir auf meine Maschine aufziehen lasse, ist meine Sache. Die Reifen müssen Mindestvorgaben erfüllen, Größe, Traglast, Speedindex und Profiltiefe. Wenn das stimmt, gibt es definitiv keine Mithaftung bei einem Unfall.
Ich bin keineswegs verpflichtet, z.B. im Falle des Conti Road Attac 3 beim Hersteller nachzufragen, ob der auf der Tracer nicht getestet oder bloß nicht für tauglich befunden wurde. Der Reifen passt von den Spezifikationen, also darf ich ihn montieren. Dass Conti ihn wohl nicht für optimal hält, muss mich dabei nicht interessieren.
Wer etwas anderes sagt, liegt nach der aktuellen Rechtslage für Motorräder ohne Reifenbindung schlicht falsch. Und die Ansichten vieler Sachverständiger sind nicht automatisch deswegen richtig, weil sie Sachverständige sind. Davon mal abgesehen, dass diese Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, sich also grundsätzlich jeder "Sachverständiger" nennen darf, wenn er das will, sind die nicht selten nicht auf dem aktuellen Stand der Rechtslage.
Wer nur mit freigegebenen Reifen fahren mag: sehr gerne.
Wer eine Maschine ohne Reifenbindung hat und andere Reifen fahren will: kein Problem, eine Haftung wird es nicht geben.
Ansonsten dürften sich viele ausländische Motorräder nicht nach D wagen, denn maßgebend ist bei einem Unfall fast immer das Recht des Staates, in dem der Unfall passiert. Und außerhalb von D kennt bekanntlich kein Mensch so etwas wie Reifenfreigaben, also haben Ausländer grundsätzlich weder darauf geachtet noch eine Freigabe dabei. Und trotzdem bekommen die Ihren Schaden ggf. in voller Höhe ersetzt.
Bitte nicht panisch machen lassen, dass es bei zahllosen Motorradunfällen noch keinen Fall gab, bei dem das offenbar Thema war, spricht doch für sich. Und das zu Zeiten, zu denen noch eine Reifenbindung üblich war.