Mo, 9.9., Monte Baldo, Hochebene, Süden
Heute fahre ich alleine die Monte Baldo-Runde, weil ich mich lang nicht so wirklich entscheiden kann, was ich machen will. Klar ist, dass das Motorrad dreckig ist, dass es gewaschen werden muss, und dass es auf Schotter wieder dreckig wird. Also wird es diese Route, denn sie hat den höchsten Schotter-Anteil. Aber zunächst geht es runter zum Etschtal, immer am Fels entlang und manchmal auch mitten durch. Das ist fahrerisch interessant und auch anspruchsvoll, und wenn man rumbummelt, hat man auch was von der Aussicht.
Dann geht es schnell wieder hoch zum Passo Bordala und Passo di Santa Barbara. Das sind eindeutig Motorradstrecken, und ich habe diverse deutsche Motorradfahrer vor mir, die alle wesentlich langsamer sind, und die teilweise haarsträubende Linien fahren, als wäre es eine Einbahnstraße. Zum Glück muss ich mir das nie lange anschauen, denn der 3-Zylinder verwandelt im Handumdrehen die Gegenwart in Vergangenheit, wenn man rechts dreht und halbwegs dran vorbei zielt. Mein China-Navi findet einen drolligen Weg hoch zum Monte Baldo, nämlich über Sano durch die Weinberge.
Dann führt die SP3 bekannt und genial in die Höhe.
Erster Stopp ist Bocca del Creer / Monte Baldo, wo man klettern könnte. Ich fahre weiter zur Bocca di Navene, und das hat einen guten Grund:
Ich genieße hier einfach zu gerne eine heiße Schokolade mit dieser unverschämt guten Aussicht auf den halben Gardasee. Als ich mich zur Weiterfahrt vorbereite, kommt eine 5er Motorradgruppe an, die ich heute schon gesehen, aber nicht überholt habe - sie sind glücklicherweise nach 2 km abgebogen, die ich um Motoröl anschnorre. Ich habe nix dabei, denn ich fahre schließlich Japaner, aber Samstag hat sich wohl der eine oder andere Tropfen verabschiedet, denn nun bin ich am Minimum, und da fühle ich mich nicht wohl angesichts 14 weiterer Fahrtage. Einer hat Öl dabei und gibt es mir, ein anderer braucht Kettenspray, das gebe ich ihm - leider ist meine Mini-Spühdose damit leer, und so habe ich einen Eintrag auf dem Einkaufszettel.
Die Monte Baldo Höhenstraße fahre ich nicht bis zum südlichen Ende, sondern biege zuvor links ab und fahre via Avio zum Passo Fittanze della Sega. Erinnerungen kommen hoch an die Schlachten, die bei vergangen Höhenstraße hier geschlagen wurden: Als Guide dozierte ich oben am Pass, dass mein schöner Sportreifen in der letzten Kehre doch ein wenig gerutscht sei, worauf den restlichen Sportfahrern auf Tourenpneus alles aus dem Gesicht gefallen ist, weil sie seit der zweiten Kehre eigentlich quasi durchgehend am Rutschen waren.
Diese Passhöhe ist eigentlich weniger ein Höhenübergang als ein –eingang, nämlich zu einer Hochebene. Es folgen nun reichlich Kilometer auf einem prima ausgebauten Netz als breiten Schotterstraßen. Sehr früh überhole ich dabei 2 Enduros, Transalp und F650GS. Mit einer MT-09 (nix Tracer), vorne Sportreifen, hinten abgefahrener Sporttourenreifen. Da grüßt man doch besonders freundlich. Die MT-09 liegt hier unerwartet ruhig. Ob's am breiteren Hinterreifen liegt, am niedrigeren Schwerpunkt oder dem geringeren Gewicht gegenüber der Versys 650 weiß ich nicht, aber ich bin echt angetan und traue mich bis zu Tempo 60. Und dabei habe ich noch Zeit für die tollen Aussichten.
Auch den abwegigen Abzweig zum Monte Tomba nehme ich unter die Räder, obwohl bei Passknacker extra vor einer Befahrung mit Straßenmotorrädern gewarnt wird - es war schon steiler und unebener, aber nicht wild. Die Wirtschaft oben wird wieder betrieben, also müssen hier auch Autos hoch und runter - zum Glück kommt mir keines entgegen, denn die Fahrlinie würde ich mir schon gerne selbst aussuchen. Die Aussicht von hier ganz oben ist Klasse!
Im weiteren Verlauf folge ich einem 4x4-Pickup, wie sie nun mal typisch für diese Strecken sind. Es tauchen auch sehr große Pfützen auf, die ich artig umfahre. Dann folgt wieder Asphalt, ebenfalls mit tollen Aussichten, und mit einer anderen Art von Fahrspaß.
Weiter südöstlich besuche ich die beiden neuen Passknacker San Bortolo delle Montagne und Passo Santa Caterina, bevor ich mich wieder nördlich in Richtung Basislager orientiere. Die Uhr tickt, und das Navi schätzt 17:00 Uhr als Ankunftszeit. Das klingt gut, aber mit Pausen wäre es etwas knapp, da es ab 19:00 Uhr Abendessen gibt, und man will sich ja noch frisch machen. Den Punkt Roccolo Rossata fahre ich an, und nehme mir vor, ihn künftig auszulassen. Auch der Passo Zovo liegt eher in der Zivilisation als außerhalb und bringt wenig Flair mit. Das bringen danach Passo Xon mit seiner irren Kurvenführung und Passo di Campogrosso, wobei ich heute aus routentechnischen Gründen nur einen davon auf beiden Seiten fahren kann. Da die Nordseite des Passo di Campogrosso dauerhaft gesperrt ist (außer man hat eine Genehmigung), fällt die Wahl nicht schwer. Die Nordseite des Passo di Campogrosso führt übrigens fast durchgehend bergab und ließe sich daher auch ohne Motor hinabrollen - das wäre zwar rücksichtsvoll, aber genauso verboten.
So oder so, man kommt zum Passo delle Fugazze, und dann zum Passo Xomo, trotz verwirrender "gesperrt bei Kilometer XY"-Beschilderung. Von hier nördlich zum Passo della Borcola hat man eine ganze Reihe von Kehren zu bewältigen, die mir heute richtig Spaß machen. Ende der Welt-Feeling und drohende Wolken sind eine nette Kombination für Abenteuer-Flair. Dazu wird es auch wieder ordentlich kalt. Andere Leute fahren dafür den Pordoi – ich habe hier noch mehr Kehren, aber die Straße für mich alleine.
Über Serrada geht es endgültig zurück in Hotel-nahe Gefilde. Ich fahre sogar noch am Hotel vorbei, um die Yamaha zu waschen, und um sie dann wieder trocken zu fahren, sammle ich noch zwei Passknacker in der Nähe ein, nämlich den Passo del Cost und Spiazo Alto (viel besser bekannt als Kaiserjägerstraße).
So geht ein schöner Solo-Fahrtag zu Ende. Das einzige, was etwas Sorgen macht, ist das verdampfende Profil am Hinterreifen. Der muss dringend neu. Freundlicherweise ist unser Hotelwirt bereits im Kontakt mit einem Reifenhändler, der sogar einen CRA3 für mich hat. Nur für die Mitfahrerin Bea sind wird noch am Feilschen: Er hat keinen BT-023, schlägt stattdessen einen Pirelli Diablo Rosso 3 vor - oha, das ist aber was ganz Anderes, und für die Dame sicherlich übertrieben. Ich lasse nach Pilot Road fragen.