Mi 11.9. Rund um Reifen
Bea und ich habe um 15:30 einen Termin beim Reifenhändler. Sie bekommt einen Satz Michelin Road 5, ich einen ContiRoadAttack 3 Hinterreifen. 15:30 ist eine etwas blöde Zeit, weil man danach nicht mehr wirklich etwas machen kann, und davor auch nichts Tolles. Also grasen wir die nächsten Pässe ab:
Am Monte Baldo gibt es einen Kaffee, und in Brusago gibt es Mittagessen in einem dieser landestypischen Restaurants, wo sonst eher Handwerker und Rentner günstig essen gehen. Über den Passo Redebus geht schick…
Und dann endlich nach Pergine, wo der Reifenhändler wartet. Bea lässt mir den Vortritt und lädt mich ein, ohne sie weiter zu fahren, weil sie meinen Tatendrang spürt - da sage ich nicht nein.
Nach dem Reifenwechsel schiebt der Mechaniker mein Motorrad 3 Meter rückwärts aus der Halle, und dann kleben bereits Steinchen an der Oberseite des Reifens. Es ist einfach klasse, wieviel Grip der CRA3 schon hat, bevor man einen Meter damit gefahren ist. 100 km vorsichtig Reifen einfahren ist was für andere Fabrikate. Ich breche nun zum Manghen auf, weil er wegen einer Oldtimer-Rally ab Morgen bis Sonntag gesperrt sein soll. Meine Gashand holt alles nach, was sie die letzten Tage durch "Profil schonen" verpasst hat. Die Yamaha schnupft dabei reichlich Schnell- und Bundesstraßen auf, biegt dann flüssig erst rechts und dann links ab, und dann geht's richtig los: Gegenüber dem Vorjahr ist der Belag besser und die Fahrbahn in weiten Teilen auch breiter geworden. Das nimmt man wohlwollend zur Kenntnis. Dass der letzte Sturm auch reichlich Bäume flachgelegt hat, ist weniger schön, aber zumindest hat man jetzt auch Sicht auf die Landschaft - und die lohnt sich hier richtig.
Es ist weniger Verkehr, die wenigen Autos vor mir lassen mich gerne passieren - auch wenn sie selbst schon fast auf zwei Rädern um die Ecken fahren. Bergauf kommt gegen ein Motorrad wenig an. Natürlich ist der Manghen keine Rennstrecke, denn das oberste Drittel ist weiterhin unter 4 Meter breit, und es stehen auch reichlich Kühe drauf, die man nicht erschrecken will. Oben angekommen bin ich froh, es geschafft zu haben, und begeistert von den Eindrücken.
Außerdem war ich deutlich schneller als das Navi dachte. Da könnte man doch noch...? Die weiteren Tage sind eigentlich schon verplant, und da bleiben ein paar Pässe übrig. Coe und sein Nachbar Valico di Valbona, und auch weniger Kilometer jenseits des Kaiserjägers, vom Hotel aus gesehen, Passo di Vezzena. Also flugs das Navi programmiert, und siehe, Ankunft 18:30. Das ist etwas spät, aber mal sehen, wie viel schneller ich heute wohl sein werde.
Es folgt wieder Schnellstraße, und dann der Kaiserjäger. Da habe ich heute wenig Verkehr in meine Richtung, und in Gegenrichtung wundere ich mich etwas über andere Verkehrsteilnehmer. Wenn ein Motorrad in einem einspurigen Tunnel bergauf fährt, sollte man da eigentlich nicht mit einem Kleinbus reinfahren. Passt aber. Wenn man mit dem Auto um eine Kehre fährt, sollte man dabei eigentlich nicht die gesamte Straßenbreite reservieren. Ich rechne mit sowas, und bin eher amüsiert ob des Nichtkönnens als sauer oder gar erschrocken. Auch die Aussicht ist kult.
Auf der Hochebene geht's links zum Passo di Vezzena, und auch hier kriege ich wieder bestätigt, dass eine durchgezogene Linie in einer nicht einsehbaren Kurve kein Hindernis sein muss, auch wenn die eigene Fahrspur reichlich breit ist. Ich weiche dem Übeltäter also aus und gucke etwas fragend. Schnell das Passknackerfoto am Passo di Vezzena geschossen, umgedreht, den Übeltäter von vorhin überholt und zurück nach Lavarone. Wer sieht etwas in diesem Bild?
Aber noch nicht zum Hotel! Heute geht's recht weit durch die Ortschaften und endlich links zum Coe. Plötzlich kein Verkehr mehr und Idylle. Es fährt sich fast wie ein typischer Dolomiten-Pass.
Weiter geht zum Valico di Valbona, an einer Schafsherde vorbei, die sich aber mehr fürs Gras neben der Strecke interessiert als für die Straße selbst. Am Valico di Valbona ist es heute ausnahmsweise nicht windig und feucht. Normalerweise kann man hier reichlich Wetter erleben.
Das war mein letzter Passknacker für heute, und ich steige erleichtert wieder aufs Motorrad. Ich fahre an, klappe den Helm zu, und würge ab! Scheiße, Fuß raauuuuuuu... nope, da ist kein Boden, ich stehe ganz am linken Rand einer deutlich überhöhten Rechtskurve. Und so begibt sie die Yamaha erneut auf den Weg in die Waagrechte, obwohl ich das verhindern möchte. Alleine, es gelingt mir nicht so gut. Zwar bleibt der Lenker in der Luft, aber hoch bekomme ich sie auch nicht mehr. So hänge ich halb über und halb unterm Mopped und gucke recht sparsam aus der Wäsche. Immerhin, der Motor ist schon aus, also klappe ich den Seitenständer aus und warte einfach mal auf Hilfe, denn mit zwei weiteren Händen geht das sicherlich sehr leicht. Die Hilfe erscheint in Form eines italienischen SUV mit 3 Damen und einem Herrn mittleren Alters, die meiner misslichen Lage mitfühlend gegenüberstehen. Der Herr versteht schnell was ich will und hilft mir hoch. Die Donnas sind eher besorgt um meinen Gesundheitszustand. Es könnte sein, dass ich sie vorhin überholt habe, und dass sie von einem Sturz während der Kurvenfahrt ausgehen - wer steht denn schon sonst mitten in der Kurve, außen, entgegen der Fahrtrichtung. Ich spreche praktisch Null Italienisch und erkläre halb lautmalerisch "Pausa, Foto, Foto, a la Moto, *rechte Hand Gasgriff drehen* bröÖÖöppp *kopf nach vorne* uiuiiuuuiii *umfallen andeuten*. Tutto bene!" Dann will sie mir noch den Weg irgendwohin erklären, was ich gekonnt mit "capiche niente" kontere. Ich bedenke mich erneut, und so ziehen wir unserer Wege. Ich rolle vorsichtigst zum Hotel zurück und hechte unter die Dusche, um 19:00 pünktlich zum Abendessen zu sein. Bea ist schon längst da und begeistert bis verwirrt von ihren neuen Reifen. Beim Abendessen fällt dann allgemein auf, dass es irgendwie anders ist, jetzt ohne Claudia, die problemlos den ganzen Tisch unterhalten kann.