Sa 4.5. Emilia-Romagna
Heute ist der Regen aber wirklich vorbei, und es ist auch schon alles trocken. Außer meine Stiefel und das wärme Paar Handschuhe, aber die Handschuhe bleiben auf dem Balkon und bei den Stiefel akzeptiere ich heute die Restfeuchte, und gehe erstmals ohne Müllbeutel über den Socken rein. Heute muss ich nicht einpacken und auschecken, denn es ist eine Rundtour. So geht’s gut gelaunt ohne Gepäck, leicht wie eine Feder, los auf die Genusstour. Einfach nur Motorrad fahren auf italienischen Bergstrecken um die 1000 Meter.
Das Samsung S8 hat ein frisches Kabel bekommen und lädt heute völlig unschuldig ohne Probleme an der zweiten USB-Dose an meinem Motorrad, als wäre nie etwas gewesen. Ich beäuge den Akkuladestand immer wieder mal misstrauisch, bin aber beruhigt. Wenn's jetzt heute und die nächsten 15 Tage nicht regnet, ist alles in Ordnung. Vorsichtshalber lasse ich den Stecker drin, dann kann nichts eindringen und den super sensiblen Alarm auslösen.
Ich fahre ohne Topcase, und darauf habe ich mich vorbereitet! Normalerweise klebt man ja das Passknacker-Poster aufs Topcase. Da gibt’s jedes Jahr ein Neues. So verhindern die Organisatoren, dass alte Nachweise mehrfach eingereicht werden können. Ich habe den Aufkleber auf eine Plastik-Tafel geklebt und diese ans Motorrad geschraubt. Und zwar an den waagrechten Teil des Kennzeichenauslegers. Den hat der Vorbesitzer montiert! Eigentlich trägt die MT-09 RN43 ihr Nummernschild ja seitlich montiert hinterm Hinterrad. Das gefiel mir optisch besser, aber diese Lösung spart ca. 5 kg ein. Außerdem habe ich die Originalteile nicht, ich hatte keine Zeit, und die Schrauben sind auch schon verhunzt.

Leider ist das nur so lange zu erkennen, bis ich den Topcaseträger montiert habe. Das habe ich wohl nicht zu Ende gedacht. Den Topcaseträger baue ich jetzt nicht jedes Mal ab und wieder an – sind zwar nur 4 Schrauben, aber mit Schraubensicherung. So strapaziere ich heute wohl die Geduld der Passknackeradmins etwas. Aber ich schweife ab. Sonnenschein, Wochenende, Urlaub – Berge, Kurven, Pässe, fröhlich drückender Dreizylinder, was will man mehr? Vielleicht noch mehr Pferdestärken?

Ich hatte hier und da auf Hauptstrecken auch menschliche Gesellschaft, schließlich fahren Italiener durchaus auch sehr gern Motorrad. Aber eher nicht auf den Nebenstrecken, aus denen meine Route besteht.

Irgendwo in einer dieser Bergstrecken laufe ich auf einen Polizei-Dacia auf. Er fährt innerhalb 10 Sekunden rechts ran. Ein besonderes Schmankerl habe ich mir ausgesucht zu etwa 1/3 der Route. Am Passo del Giogo auf 1262 Metern (den Namen gibt's mehrfach, ich meine den in der Nähe des Foce delle Radici) kann man diesen unverdächtigen Abzweig nach oben nehmen.

Dazu sollte man etwas Bodenfreiheit mitbringen und keine Angst vor richtig schlechten Straßen haben, denn schon die ersten Kilometer hat die Erosion ganze Arbeit geleistet. Es geht eine Sackgasse ca. 6 km den Berg hoch. Dort steht dies:

Die Anlage ist längst nicht mehr in Betrieb, aber weiterhin umzäunt, und zwar auf den ersten Blick recht kompetent. Es gibt aber sehenswerte Dronenfotos bei Street View. Diese Anlage war im Kalten Krieg Teil eines Netzwerkes ähnlicher Funkanlagen, die mit der Troposphäre als Spiegel Direktverbindungen über ganz Europa ermöglicht haben. Heute hat man dafür Satelliten. Eine ähnliche Anlage steht an Passo Maniva. Wer googeln möchte: ACE High Livorno.
Für ich geht’s wieder runter, wo ein aus dem Ei gepellter R nineT-Fahrer fragt, ob er wohl da hoch kommt? Mit Hand und Fuß erkläre ich: Du hast mehr Bodenfreiheit als ich, der erste Kilometer ist der schwerste, los geht’s! Und los fährt er. Ich fahre weiter. Der Abstecher war kein Passknacker und kostete 30 Minuten, aber ich hab Urlaub, ich mache was ich will 
Jetzt geht’s 55 km westlich zum nächsten geplanten Pass, dem Passo dei Casoni. Hier sind die Naviprogramme unsicher, wie sie Anfahren wollen: Google direkt von Osten, was sinnvoll erscheint, OSMand ganz runter ins Tal, Autobahn, und dann von Westen wieder hoch in die Berge. Das erscheint mir weniger sinnvoll. Google hat auch die besseren Verkehrsmeldungen, also los geht’s von Osten! Dazu geht’s etwas Bundesstraße nach Norden. In einer 50 Zone biegt hinter mir ein Polizei-Alfa ein. Ich fahre innerhalb 10 Sekunden rechts ran. Für die nicht angeschnallten Kinder, die auf der Rückbank des PKW vor mir rumturnen, interessiert er sich nicht, er muss eilig ins Cafe.
Dann biege ich links ab, in die Berge. Hier stehen schon im Tal Schilder, dass irgendwas gesperrt sei, und als es in Berg hoch geht, wiederholt sich das Schild. Mir kommen aber Autos entgegen und die Strecke sieht auch nicht verfallen aus, also hoffe ich, dass eine andere Strecke gemeint ist. Nach einer Holzbrücke ist die Straße dann jedoch mit Flatterband versperrt, und es kommt gerade ein Fiat Panda von der anderen Seite. Die Frau sagt „Pronto!“ - sprich mich an! Ich frage mit Englisch, Hand und Fuß nach: Nein, da geht wirklich nichts, da sind 2 Brücken eingestürzt. Dazu gibt’s eine Wegbeschreibung für den Weg außen rum. Puh! Ohne die Sperrung wären es 3 km, außen rum sind es sagenhafte 72 km. Das wird mir zu lang. Der Versuch, den Punkt an einem späteren Punkt in meiner geplanten Route einzufügen, klappt nicht so recht am Handy, dafür kenne ich OSMand zu wenig. Im Hotel am PC sehe ich jetzt, dass es mit 32 km Umweg möglich gewesen wäre. Das wäre auch haarig, zumal es keine leichte Strecke ist. Na, sei's drum, ich hab Urlaub, ich muss gar nix bis 21.5., und das Lebenswerk Italien kriege ich früher oder später noch grüner. Aber heute fahre ich einfach den Rest weiter: Mistrella, Rastrello und Calzavitello. Sehr enge Straßen in mäßigem Zustand, mit wenig Betrieb und wenig Aussicht. Wenn doch, dann Foto!

Danach bin ich auch schon fast wieder im Hotel, aber ich tanke noch eben und wasche endlich mal das Motorrad in einer Waschbox. Es gibt 9 verschiedene Möglichkeiten, was man aufs Motorrad spritzen kann, und weil am Ende meines Kleingeldes noch immer irgendein Schaum am Motorrad ist, will ich noch für 1 Euro Waschmünzen mit der Kreditkarte holen. In der Annahme, dass der Automat mich fragen wird, wie viele ich eigentlich haben will. 20 Münzen fallen mir entgegen und mir wird klar, dass das jetzt länger dauert. 1 Münze später ist das Motorrad sauber, 2 Münzen später ist das Motorrad pico bello. Um die restlichen Münzen loszuwerden quatsche ich andere Kunden an, denn auch in Italien wäscht man samstags das Auto. Ich verkaufe ihnen die Münzen und rolle meines Weges. Achja, trocken fahren ist auch wichtig, also bloß nicht trödeln! 17 Uhr bin ich wieder am Hotel.
Das war ein guter Fahrtag heute. 1 Pass fehlte, sonst hat alles prima geklappt. Ein PKW hat mir heute im Kreuzungsbereich die Vorfahrt genommen auf eine Art und Weise, die Anlass zu einer sofortigen Reaktion gibt. Ich habe ihn leider recht spät wahrgenommen, weil meine Aufmerksamkeit gerade weiter nach vorne fokussiert war, auf einige PKW, die atypisch am Rand der Bundesstraße, mit palavernden Personen. Die Reaktion auf beides war aber die Gleiche, nämlich Bremse. So kam ich komfortabel vorbei.

303 km heute. Morgen Abend geht’s auf die Fähre! Vielleicht ich zersäge diese Tage ich meine SPC+ Hülle fürs S20FE und klebe den Mittelteil an mein S8 hinten dran. Außer, mir läuft vorher eine Klebehalterung über den Weg...
Was ich alles nicht dabei habe: Pinlock-Scheibe, Gehörschutz, wasserdichte Socken, Kabelbinder, Passknacker-Poster als Aufkleber auf Topcase