11.4. Südfrankreich, nah die spanische Grenze ran? vermutlich Regen
Tagesziel ist heute möglichst nah an die spanische Grenze zu kommen, damit ich Montag vor 13:30 drüber kann - denn dann wird mein deutscher Coronatest 72 Stunden alt. Ich habe die erste Nacht in Frankreich nicht SO toll geschlafen, aber die Sonne geht auf und die Yamaha ist noch da - was will man mehr? Ich bin zwar schon um 6 wach, wenn man offiziell wieder vor die Tür darf mit einem triftigen Grund, aber irgendwie ist es mir da noch zu kalt. Also gemütlich packen und die Optionen peilen. Von Westen her zieht ein Regengebiet rein. Westlich vom direkt Weg hätte ich einen Cevennentour geplant, aber wie schon geschrieben, Priorität hat das nicht, und Cevennen mache ich im Regen NIE WIEDER, seit ich da mal einen Reifenschaden hatte, genau wie mein Mitreisender, weil die Brösel von den Überspülungen sehr scharfkantig sind. Also geht's direkt auf die Autobahn, Tagesziel ist Perpignan, die letzte Großstadt auf französischer Seite.
Kurz vor Lyon bin ich etwas irritiert, dass man Navi den Weg durch die Innenstadt vorschlägt, statt der Beschilderung nach Marseille zu folgen, aber das schon richtig so. Leider war ich kurz abgelenkt und werden unbemerkt fotografiert. Dabei bin ich echt nicht schnell unterwegs. Über 120 wird's schnell sehr laut und anstrengend, und jedes km/h reduziert die Reichweite, die ohnehin ein knappes Gut ist. Mitten durch Lyon zu fahren erinnert an den letzten Motorradurlaub mit Hängeranreise. Weil Sonntag ist und auch eh keiner raus darf ist wenig los, so macht die Fahrt durch die Stadt tatsächlich Spaß. Wer's nicht kennt, ist es ampel- und kreuzungsfrei mit Tempo 50 bis 60. Der Tunnel ist ein Höhenübergang, und spätestens danach bin ich gefühlt in Südfrankreich. Leider kann man nirgends zum fotografieren anhalten.
Ein paar Autos fallen mir auf, die beim Überholen eine Weile schräg hinter/neben mir verharren. Die interessieren sich vermutlich für mein deutsches Nummernschild. Es wäre vermutlich clever gewesen, ein Nummernschild zu verwenden, dass französischer aussieht, also schon mit dem richtigen Text drauf, aber Format und Schrift wie in Frankreich. Aber das wäre vermutlich irgendwie verboten. Außerdem bräuchte man dann auch noch je eins für Spanien und Portugal. Und wenn's eh schon verboten ist, könnte man auch gleich ein ganz anderes Nummernschild nehmen. Jaja, da war sie wieder, die kriminelle Energie. Manche der Glotzer haben übrigens selbst deutsche Nummernschilder am Auto. Man sieht auch Schweizer und hier und da mal einen Engländer.
Für den ersten Tankstopp nach den üblichen zwei Stunden suche ich mir einen Tankstelle abseits der Autobahn. Das spart Geld und bringt etwas Abwechslung rein. Wieso zahlt man eigentlich erst Maut und dann auch noch Tankstellenaufschlag? Das klappt gut, es gehen 14,01 Liter in den 14 Liter-Tank rein, ohne das etwas überläuft. Da der MT-09 Tank oben sehr flach ist und der Tankdeckel einen Kragen hat, der tief rein geht, ist es unfassbar zeitraubend und nervig, den letzten Liter reinzukriegen. Motorrad schaukeln und mit der Pistole tröpfeln, heißt die Divise.
Von dem Rückweg direkt zur Autobahn mal wieder Blick auf die Karte: Wo bin ich hier eigentlich? Westlich vom Vercours. 3 Passknackerpunkte sind ganz nah an der Autobahn. Also, wenn man weit rauszoomt, zumindest. Es regnet noch nicht und auf dem Regenradar sieht es auch nicht so aus, als ob es noch kommen würde, zumindest nicht zwingend. Da kann ich doch schlecht nein sagen, oder?
Es tut nach stundenlangem Autobahngebummel im Halbschlaf echt gut, wieder Landstraße zu fahren. Noch dazu in Frankreich! Die Passknackerpunkte im Vercours kenne ich alle schon, aber nicht, was westlich davon es. Es geht in Serpentinen der Berg hoch und ich habe jede Menge Spaß. Normalerweise mag ich Serpentinen nicht besonders, heute dagegen sehr. Die Yamaha schnurrt wie eine Katze, die Reifen haben Grip, und außer mir sind sonst nur Radfahrer unterwegs.
Die drei Passknackerpunkte wandern ohne besondere Vorkommnisse in den Köcher. Am dritten angekommen will ich umdrehen, aber mein Navi nicht. Ich drehe trotzdem um. Die Restzeit wird länger. Oh, habe ich da eine Abkürzung entdeckt? Sicherlich nicht, aber immerhin kann ich noch einige Kilometer schön über hügeliges Land fahren und dabei Maut sparen. Das war das erste Highlight heute.
Dann kommt wieder lange und öde Autobahn ohne besondere Vorkommnisse, außer dass der Regen tatsächlich kommt. Es regnet nicht besonders intensiv, aber auf der Autobahn wird man nach ein paar hundert Kilometern einfach doch ganz schön nass. Die Klamotten halten dicht, bis auf die Handschuhe. Notiz an mich selbst: Handschuhe dürfen neu.
Derweil schrumpfen die Kilometer bis Perpignan und gegen Mittag steht fest, dass ich das locker schaffe. Ich könnte es heute auch noch nach Spanien schaffen. Da ich so gut in der Zeit liege, kann ich quasi heute schon mit Pässe knacken in Spanien anfangen - die Pyrenäen sind schließlich die Grenze und voll mit spanischen Pässen. Das macht nur begrenzt Sinn, weil ich später eh für die Pyrenäen noch mal separat anreisen will/muss. Einzige abseits liegende Punkte würden Sinn machen. Z.B. der eine da, zwischen Autobahn und Küste, der kann heute in den Köcher. Und der französische Pass knapp daneben auch gleich. Ankunftszeit 16 Uhr, das ist doch noch immer super. Bonus, der spanische Pass ist auch ein Grenzübergang. Dort wird wohl kaum jemand fragen, was ich in Spanien verloren habe.
Also runter von der Autobahn, quer durch Perpignan - da kommt mir ein Konvoi von ca. 100 bunt gemischten Motorrädern entgegen. Das freut mich sehr. Die 1,5 Meter Abstand halten sie zwar nicht ein, und Masken trägt auch niemand, aber sie vom FFMC - fédération française des motards en colère - Französischer Bund der wütenden Motorradfahrer - so 'ne Art Motorrad-ADAC, aber in militant. Denen dürften wir einen Gutteil der französischen Motorradkultur verdanken, insbesondere ihre Verankerungen in der allgemeinen Gesellschaft, sprich, die vielen kleinen Freiheiten. Vorher am Tag habe ich noch drüber nachgedacht, was für ein tolles Verin das ist, und ob nicht vielleicht irgendeine deutsche Behörde Lust hätte, mich dort als V-Mann einzuschleusen? Falls hier einer mitliest, ich bin mir sicher, die planen was gemeines gegen die Verfassung, außerdem finanziert ihr doch auch sonst jeden Blödsinnsverein mit umgefallenen Doppelagenten, da kommt's auf einen mehr doch auch nicht an.
Die 45 km von der Autobahn bis zum Coll de Mollo haben mich zunächst erschrocken, ob tatsächlich ist das meiste davon Schnellstraße. Das beruhigt das Planergewissen. Als es dann endlich in die Berge geht, freut sich das Motorradfahrerherz umso mehr. Schmale Straße, enge Kurven und Kehren, ziemlich steil, starker Wind. Und, Prämiere, der starke Wind fängt mitten in der Kehre an oder hört mitten drin auf. Außerdem gibt es auch hier Brösel von Überspülungen, aber so wenige, dass man noch ganz gut ausweichen kann. Das alles mit 1000 km Autobahn gestern und heute in den Knochen - aber hey, vertrauen Sie mir, ich weiß was ich tue. Und ich genieße die Aussicht
Vom Coll de Mollo soll es direkt zum Col de Banyuls gehen. Das sah auf der Karte nah aus, ist real aber ein ganz schöner Umweg. Leider gucke ich nichts aufs Navi und fahre wirklich komplett aus den Bergen ans Meer und wieder zurück, 19 statt 13 km, dafür aber auch schön.