Beiträge von blahwas

    Der Tracertank ist genau 4 Liter größer. Pflichtändernug ist eigentlich nur die Sitzbank, die muss vorne gekürzt werden. Das mit dem Plastik ist Fleissarbeit, es geht auch ohne Anpassung der naked-Seitenteile (bzw mit 10 Minuten Feilen) und ohne Tracer-Seitenteile. Ich wollt es halt möglichst original aussehend haben.

    Glückwunsch zum Volltanken :) Da komme ich nicht mit.



    Ketzerische Frage: Was wäre denn, wenn die Zapfsäule nicht ganz so genau geeicht wäre, und immer ein wenig zuviel anzeigt? Das würde dem Tankstellenbetreiber sicher schlaflose Nächte bereiten ;)

    18.4. Andalusien Teil 3, Sonntagsrun auf Ronda


    Morgens erwacht, dem Fuß geht's gut. Wunderbar. Dann auf zu frischen Taten? Oder lieber erst mal Routen planen für den Plan B? C?, dass Portugal mich nicht reinlässt. Zuhause habe ich Nordspanien schon komplett durchgeplant. Zuhause. Nicht auf diesem Laptop, und nicht in der Cloud. Naja, ist ja keine hohe Kunst, also in einer halben Stunde mal eben eine 4000 km-Pässetour geplant. Dazu noch die Überführungen. Drei Tag vor Arbeitswiederantrittstermin abbrechen und dann per AB heim quälen oder einen passenden Flug suchen und den Flughafen ansteuern, idealerweise mit Stellplatz fürs Motorrad bei einem Hotel in der Nähe. So, jetzt aber los! Aber vielleicht etwas vorsichtig, denn der Vorderreifen ist über Nacht nicht gewechselt worden und noch immer nah dem Minimum und vorne mit Sägezahn.


    Der erste Pass heute ist der Puerto del Viento. Der ist sehr schön, und an den kann ich mich gut erinnern von den zwei Reisen, die ich hier schon gemacht habe. Mich beschleicht aber das Gefühl, das da etwas fehlt. Also Handy raus, ins OSMand geguckt, wo ich die Passknackerpunkte drin habe (offline): Jawohl, da fehlen drei Pässe zwischen dem Hotel und hier. Ich ärgere mich über den Zeitverlust, aber dann fällt mir ein, hey, jetzt muss ich den ganzen schönen Pass wieder runter fahren! Und ich kenne jetzt schon die Gefahrenstellen! Und die bröselige Strecke MA-540 kann ich jetzt auch vermeiden! Mangels Portugal geht mir auch nicht mal Zeit aus am Ende! Es ist Sonntag, die Sonne scheint, ich fahre Motorrad in Andalusien und muss noch zwei Wochen nicht arbeiten. Mir kann heute echt alles andere egal sein.




    Also geht es wieder östlich, über prima Kurvenstrecken, flotte Bundesstraßen, und durch eindrucksvolle Landschaften. Da Sonntag ist, sind auch andere Motorradfahrer unterwegs. Insbesondere zwei Großrollerfahrer, Honda X-Adv, fallen mir auf. Auf der Bundesstraße überholen sie mich, nachdem ich ein paar Autos überholt habe. Ihr Reisetempo ist höher als meines, ich will ja Sprit sparen. Sie halten sich strengstens an Überholverbote, ignorieren Tempolimits aber komplett. Interessant. Das gucke ich mir mal aus sicherer Entfernung an. So bügeln wie die A-367 auf Ronda zu. Ronda ist der Fluchtpunkt der Motorradszene. In Andalusien, und eigentlich auch europaweit. Hier in der Region testen Industrie und Presse, nicht nur im Winter. Und die A-397 runter nach Marbella ist eine der Traumstraßen der Welt. 55 km ohne dass geradeaus geht, breite Strecke, ebener Belag. Am Wochenende ist hier Rennbetrieb. "60" Schilder offenbaren, dass im 6. Gang gefahren werden soll.


    Und hier führt meine Route jetzt entlang - nicht nur, weil da auch ein Passknackerpunkt drauf ist. Die beiden Rollerhelden vor mir biegen ebenfalls links ab. So lasset die Spiele beginnen. Wie bisher werden Überholverbote peinlichst eingehalten. Es wird ordentlich Schräglage gefahren, auf der typisch südeuropäischen Unsicherheitslinie. Das Tempo passt für mich gut. Für meinen Vorderreifen nicht so sehr, der untersteuert schon mal am Kurvenausgang. Ein ziemlich blödes Gefühl, wenn man Lenkimpuls gibt, aber der Reifen nicht mitspielt. Man nehme eine halbe Kohle aus dem Feuer. Wir laufen auf eine GSX-R auf. Der Fahrer trägt Lederkombi und Knieschleifer. Die Rollerfahrer versuchen nicht zu überholen, sondern halten 2 Meter Respektabstand. So eilt diese spontane Gruppe ins Tal, und die Lebensfreude quillt aus allen Körperöffnungen. Beim Passschild mache ich mein Nachweisfoto, dafür muss ich sie ziehen lassen. 1 km weiter stehen sie an einem Cafe, ich grüße freudig. Noch 1 km weiter kommt Section Control!??! Okay, laut Navi 22 km bis zum Ende der Strecke, macht bei Tempo 60 22 Minuten. Ich wollte eh gerade Pause machen. Genau hinter dem Section Control Start-Gerät ist ein Rastplatz - genial! :) Stoffwechsel, Snack, eine Schicht ausziehen, auf die Uhr schauen. Welches Durchschnittstempo hätte ich denn gerne? Die Rollerfahren tauchen am gleichen Parkplatz auf, halten aber Abstand. Jethelme und Alltagsklamotten, holla die Waldfee. Dran bleiben ging, überholen wäre nicht gegangen. 115 PS = 60 PS mehr hin oder her. Vielleicht mit intaktem Vorderreifen und ohne Gepäck.


    Nützt ja nix, weiter fahren. Was sagt eigentlich der Sprit? Seit 17 km Reserve? 22 km zur nächsten Kreuzung, wo in meiner Erinnerung eine Tankstelle sein müsste? Das wird knapp. Ich habe noch den Kanister dabei, aber ich lasse es mal drauf ankommen. Es geht ja bergab. Der Straßenzustand ist inzwischen eher eine 3. Es sind Querrillen in den Kurven entstanden. Das gibt Abzüge in der B-Note, aber so lange die Rasten in der Luft bleiben, macht das nichts.


    Wieder in den Verkehr eingefädelt fahren alle sehr anständig. Dann kommt wieder ein Section Control-Gerät und ich bin unsicher, ob's schon das Ende ist, oder ein mittleres. Da ich von anderen Motorrädern überholt werden, war es wohl das Ende. Okay, Entspannung, und den Einheimischen anpassen. Man hat ja Respekt vor den kulturellen Bräuchen. Ein Varadero 1000-Fahrer fährt 95% von meinem Wohlfühltempo, da fahre einfach ich mal hinterher, bis runter ins Tal. Dann ran an die Tanke und voll gemacht: 13,98 Liter - von 14. Top! Im Shop Würstchen gekauft und etwas weiter westlich wieder hoch den Berg, zum Puerto de Penas Blancas. Diesen Punkt möchte mein Navi das dritte Jahr in Folge nicht auf Straßen anfahren, die tatsächlich legal und sinnvoll befahrbar sind. Das ist schon das dritte Kartenmaterial mit den gleichen Fehlern. Immerhin ist die Aussicht top.



    Es geht den gleichen Weg wieder zurück, wobei das Navi neue Ideen hat, mir den Weg zu versauen. Rechts ab in die Ministraße, die zum Trampelpfad wird? Oder lieber die Sackgasse zum Anwesen von Graf Willstenichtwissen von Woderseingeldherhat? Oder mal Fußgängerzone, durch die Cafes durch? Immer wieder gerne, wollte mir hier eh 'ne Wohnung suchen. Die Zeichen sind eindeutig ;) Auch im Tal wird's nicht besser, ich muss ein Stück nach Westen, und biege versehentlich auf die Mautobahn ein. Immerhin in die richtige Richtung. Den Euro Fuffzich kann ich verschmerzen. Dann geht's die A-369 wieder hoch nach Ronda, durch Algatocin, wo ich mein Basislager beim ersten Andalusientrip mit der gemieteten MT-09 hatte. Die A-369 ist inzwischen in etwas schlechterem Zustand. Ich erinnere mich aber an ein Cafe, und an mir nagt der Hunger. Außerdem ist bald 17 Uhr. Cafe entdeckt, rein da. Es ist wenig Betrieb, sichere Abstände sind gewährleistet. Im Außenbereich ist es warm und schattig. Der Grill ist besetzt. Ideale Voraussetzungen für mein erstes Restaurantessen seit ungefähr 5 Monaten. Ich hätte fast geweint.



    So, jetzt noch ein Hotel suchen. Obligatorische Frage, noch länger fahren, oder einfach in Ronda? Ronda wollte ich mir eh mal ansehen. Und platt genug bin ich auch schon. Außerdem ist Sonntag. Okay, gegenüber vom Bahnhof ist ein günstiges 1*-Hotel mit guter Google-Bewertung, wo man halbwegs in der Nähe eine realistische Chance auf einen kostenlosen Parkplatz hat - der Unterschied zur historischen Altstadt. Ich darf sogar direkt am Hotel "Hier nur während des Checkin"-Platz parken. Das Zimmer kostet 25 Euro und hat alles was ich brauche. Das klappt echt gut so mit gucken bei Google, dann einfach hinfahren und mit 3 Brocken spanisch für eine Nacht zahlen.


    Nach dem Abrödeln kommt noch der Stadtspaziergang. Historisches Gemäuer, viele Menschen auf den Straßen, in den Cafes und den Geschäften, die sonntags offen sind. Dem Fuß ist das völlig gleichgültig. Der fühlt sich an, als wäre ich heute morgen umgeknickt. Nur Kopfsteinpflaster in Turnschuhen mag er im Moment nicht so. Motorradstiefel sind ebenso gut für den Fuß wie ein Gips, aber damit wollte ich nicht durch die Stadt laufen. Hier ein wenig Kultur! Fotoausbeute Ronda:







    Morgen schließe ich mit Andalusien ab und mache mich auf den Weg nach Nordspanien. Nördlich von Madrid liegen genug Passknackerpunkte für zwei Tage, plus 500 km Überführung dorthin. Vielleicht laufen mir auch 1-2 neue Reifen über den Weg.


    Zielerreichung:

    21% von 295 spanischen Passknackerpunkten

    Reisetag 9 von 23

    12,3 Meter Ladekabel im Gepäck

    17.4. Andalusien Teil 2, die Mitte


    Das wichtigste zuerst: Dem Fuß geht es heute morgen besser als gestern. Keine Schmerzen in Ruhelage, bei Belastung ist er noch etwas verstimmt. Ich achte bei Pausen genau drauf, wohin ich trete, alles andere ist gut. Ich habe den Fuß über Nacht gekühlt, einfach durch aus der Decke rausgucken lassen. Das führt im Schlaf zu einem regelmäßigen unbewussten Alarm, weil der Fuß kalt ist, gefolgt von einem halb bewussten Passtschon, das muss so. Morgens noch mal Voltaren drauf und als es eingezogen ist, Socken an. So warm hat sich der Fuß noch nie angefühlt :)


    Heute ist Samstag. Mit etwas Ehrgeiz könnte ich morgen Abend Portugal erreichen. Portugal lässt Touristen im Moment nicht rein, vielleicht aber wieder ab 19.4. Und Portugal lässt niemanden ohne negativen PCR-Test rein. Es gibt eine unübersichtliche Vielzahl von PCR-Test-Anbietern. Heute noch könnte ich um 11 Uhr einen Termin in Granada bekommen, was 130 Euro kosten würde. Wochenende kostet eben extra, normal wären 70-100 Euro je nach Anbieter. 11 Uhr würde mich außerdem 2 Stunden Zeit kosten. Da noch nicht mal feststeht, dass Portugal Touristen reinlässt, schiebe ich das auf und lasse mich ggfs. Montag früh in Sevilla testen (letzte Großstadt in Spanien vor Portugal).


    Heute fahre ich Motorrad! Aber erst pflege ich Motorrad. Der Bremshebel wird endlich tiefer gestellt, und die Kette kriegt eine notdürftige Reinigung/Schmierung aus der kleinen Dose WD40. Das muss reichen.


    Der erste Passknackerpunkt heute ist Haza del Lino. Das ist eine Kammstraße mit Sicht aufs Meer. Den Punkte habe ich vor 4 Jahren im Urlaub entdeckt und vorgeschlagen. "Leider" ist er ein großer Umweg - 125 km kürzer wäre die Route ohne den Punkt. Dafür ist es aber ein schöner Umweg. Leider ist heute nichts mit Aussicht aufs Meer, da steht 'ne Wolke. Aussicht gibt's dann weiter unten.



    Unten im Tal wird's mollig warm. Wegen Baustelle ist die Autobahn gesperrt, also muss ich über die bestens ausgebaute und sehr kurvige Küstenstraße fahren. Ein Opfer, dass ich nur zu gerne bringe. Bis zum Pico de Lopera ist es dann wieder ganz schön weit. Es geht wieder in die Berge hoch, dann eine Weile durch's Hochland.



    Am Porto del Sol (Sonnenpass) raste ich etwas länger. Wie ich so meinen Snack mampfe, mir die Sonne ins Gesicht scheinen lasse, den Wind spüre und mein lauerndes Motorrad betrachte, überkommt mit DAS Gefühl. Ich will gerade genau hier sein und nirgendwo sonst. Als rastlose Seele ist das für mich selten.



    Aber irgendwie muss ich dann doch weiter. Kleines Bergdorf zwischendurch :)



    Torcal Alto ist eine Sackgasse in einen Gebirgszug hinein mit ganz besonderen Felsenformen.



    Mit der Ermita de las Tres Cruces kommt ein Klassiker als letzter Punkt heute. Das ist eine einsame Kirche auf einem Berg, 10 km außerhalb von Malaga. Letztes Mal war ich hier in der Einflugschneise. Heute sehe ich selten mal ein Flugzeug.



    Man kann von zwei Seiten auf Schotter hin, und von Süden auf Asphalt. Ich komme von Norden und muss nach Westen. Hin fahre ich vorsichtshalber Asphalt, zurück aber Schotter. Es sind nur 7 km, es geht bergab, und es ist auf der Karte nahezu geradeaus, kann also nicht steil sein. Real ist es dann auch gut zu machen. Nur die Aussicht lenkt ab.



    Unten im Tal bin ich fertig und suche ein Hotel. Mit Restaurant, bitte. Beim letzten Tankstopp roch es schon so unverschämt verführerisch nach Hähnchen. Das Hotel ist schnell gefunden will nur 25 Euro für die Nacht. Großes Zimmer mit zwei Betten, Dusche, Fön. Gutes WLAN :) Vor dem Restaurant fahre ich noch kurz einkaufen und tanken, das hat sich bewährt. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, im Restaurant etwas zu bestellen und es dann im Außenbereich zu essen, oder auf dem Zimmer. Aber ich bin es ehrlich nicht mehr gewonht. So viele Menschen um mich rum, davon die Hälfte ohne Maske, auch drinnen. Im Außenbereich raucht jemand Zigarillos, ürgh. Ne, irgendwie hat die Vorstellung hier eine Stunde zu sitzen gerade jeden Reiz verloren. Ich habe Einkäufe auf dem Zimmer. Die waren zwar für morgen gedacht, aber morgen werde ich schon auch noch was neues finden. Manche Tankstellen hier haben Shops wie daheim.


    Technisch ist noch zu vermelden, dass der Vorderreifen einen Nachfolger braucht. Angesichts der teilweise bröseligen Pisten wäre ein TKC70 gut. Ich setze auf Sevilla am Montag. Sonst verhält sich die Yamaha vorbildlich japanisch unauffällig und zuverlässig.


    Und dann ist da wieder DAS Gefühl. Ich hirne ja im Hinterkopf die ganze Zeit etwas rum, was ich eigentlich mache, wenn Portugal mich nicht rein lässt. Nordwestspanien weiterfahren, oder Pyrenäenausläufer? Und fahre ich am Ende des Urlaubs das Motorrad heim, oder fliege ich heim und fahre später weiter in Spanien, womit ich 4 Tage Autobahn spare? Aber eigentlich treibt mich eine viel größere Frage um: Warum überhaupt zurück? Gerade jetzt, wo Deutschland auf den totalen Shutdown zuschlingert? Vermutlich wieder nur im privaten Bereich, versteht sich. Ich will doch eigentlich schon länger weg aus dem Land der Rechthaber, wo Wirtschaftslobbyismus mit Politik verwechselt wird, jeder Zehnte vordemokratische Bedürfnisse hat, der Winter gefühlt immer ekliger und die kleinen Freiheiten immer weniger werden, und sein es nur Tempolimits auf Kurvenstrecken und der TÜV. Was habe ich von Freunden, die im ganzen Land verstreut wohnen, die ich wegen Coronaregeln praktisch nicht sehen darf? Meinen Job kann ich in Prinzip von überall machen. Meine Ausbildung ist kaum zu überbieten. Meine Branche gibt's auch in Spanien. Meinen ehemaligen Arbeitgeber und seine 3 großen Mitbewerber auch. Der Posten "Miss Blahwas" ist vakant. Die Sprache zu lernen wäre hilfreich, und sich zu vernetzen. Aber das sind lösbare Aufgaben. Worauf warte ich eigentlich? Am Ende der drei Wochen eine Wohnung nehmen, oder Hotelzimmer mit Langzeitrabatt, genug Leerstand ist ja vorhanden, den Dienstlaptop aus Deutschland schicken lassen und einfach anfangen, hier weiter zu machen. Wie beim Reisen wäre der erste Kilometer der wichtigste...


    Zielerreichung:

    18% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    4400 km gesamt, 290 km Vorsprung vor Planung

    Noch 1 von 4 Plastikflaschen aus Deutschland

    16.4. Andalusien Teil 1, die Sierras


    Die Nacht war kalt, und die Zimmernachbarn auf beiden Seiten waren nicht zu überhören, darum Gehörschutz. Immerhin kann man dank Ausgangssperre von 23-5 Uhr auch in einem Stadthotel durchschlafen, weil nachts draußen Ruhe ist. Zum Frühstück gibt's die zweite Hälfte der Pizza von gestern und ein Mars.


    Heute kommt der Teil der Reise, auf den ich mich am meisten freue. In Andalusien war ich schon 2x mit dem Motorrad, jeweils nach Malaga fliegen und ein paar Tage Motorrad mieten. Das erste Mal mit einer MT-09, da wusste ich, so eine brauche ich irgendwann auch mal privat :) und das zweite Mal mit einer MT-07 Tracer. Die war mir aber deutlich zu klein. Heute ist endlich mal den ganzen Tag gutes Wetter angesagt und ich wage einen Tourstart ohne Regenjacke, da die Sonne schon im Badezimmerfenster deutlich wärmt.


    Freundlicherweise hat sich das Headset von den drei Tropfen Regen gestern erholt und ich starte mit sehr guter Laune in den Tag. Die Laune steigt noch weiter als nach 15 km die erste Kurvenstrecke erreicht ist. Idealer Asphalt, tolle Landschaft, kühne Trassierung, null Verkehr, und wie immer in Spanien: keine Tempolimits! :)





    Ich fahre von Ost nach West die Sierra Alhamilla entlang. Die Passknackerpunkte sind alle aufm dem Kamm. Zum zweiten Punkt Cerro de Monteagud gibt es drei Wege: "Vom Puerto de la Virgen führt auf direktem Weg eine anspruchsvolle Piste (SG4) hoch. Von Benizalón her führt eine neue Teerstraße herauf. Nur die letzten sechshundert Meter sind Kopfsteinpflaster. Von Norden kommt eine drei Kilometer lange Sandpiste (SG3), die etwa dreieinhalb Kilometer nördlich des Puerto de la Virgen von der A-1100 nach Süden abzweigt." Ich bin am Puerto de la Virgen. Der direkte Weg ist wirklich anspruchsvoll: Steil und voller Steine. Die Teerstraße kommt von Westen her und wäre ein gewaltiger Umweg. Also probiere ich es mit der Sandpiste. Da diese noch feucht vom Regen gestern ist, wird das nicht so leicht, aber sie ist nicht besonders steil. Trotzdem schalte ich die Traktionskontrolle der MT-09 aus, damit ich nicht irgendwo stecken bleibe. Außerdem schreiben die Journalisten immer, dass das nötig wäre. Der Weg ist ziemlich weich und hat sehr wenig kleine Steine, die den Grip verbessern würden. Es ist halt ein Nordhang, der bleibt länger nass.



    Irgendwann ist es dann aber endlich geschafft, ich komme auf die Straße. Ich biege links ab und beschleunige - da lenkt mein Motorrad mehr nach links als ich wollte? hö? Und dann mehr nach rechts?? Und dann liege ich auch schon drunter. Ich habe nach 4 km nassem Sandweg ohne Sturz ganze 10 Meter Asphalt geschafft bis zum Sturz. Eine oberflächliche Analyse der Situation zeigt auf verdreckte Reifen plus abgeschaltete Traktionskontrolle. Dringlicher jedoch, ich klemme unter dem Motorrad mit dem Fuß fest, und die Soziusfußraste will sich in meinen Knöchel bohren. Blöd!


    Tja, auf Hilfe warten kann ich hier lange. Ich komme zwar an die Hupe ran, aber es würde mich niemand hören. Immerhin, mit Bewegung am Lenker hebt sich das Motorrad leicht an, ich kann meinen Fuß befreien und aufstehen. Erst mal tief durchatmen. Und ein paar Schichten ausziehen, das dauert jetzt etwas, und es wird warm - wenn nicht von der Sonne, dann von der Peinlichkeit. Der rechte Fuß ist beleidigt und möchte nur sorgfältig belastet werden. Okay, das sei im gegönnt. Dann noch humpelnd das Gepäck vom Motorrad holen, den Seitenständer ausklappen und warten, ob nicht zufällig jemand kommt, der mir beim Aufheben helfen möchte. Vielleicht erst mal ein Knoppers essen und was trinken. Und mal gucken, ob der Fuß noch normal aussieht: Ja, tut er. Glück gehabt (und Schutzkleidung).



    Tja, da kommt keiner - warum auch, bin ja am Ende der Welt hier. Also versuchen wir das mit dem Aufheben mal alleine. Vorher gut zu sehen, es laufen keine Flüssigkeiten aus, alle Hebel sind noch dran, und das Motorrad liegt ordentlich auf Griffschalen, Lenkerenden und den Sturzpads, die ich für diesen Zweck verbaut habe. Das Aufheben gelingt überraschend einfach, und das Motorrad steht sauber da. Die rechte Griffschale ist innen lose und nur noch außen fest. Die Griffschale ist zwar von SW-Motech (Gebrauchtkauf von karklausi ;) ), die Halterung passte aber nicht an den konifizierten Lenker, daher ist hier noch die Halterung der vorherigen China-Griffschalen verbaut. Wie auch schon beim ähnlichen Sturz vor 2 Jahren in Italien lässt sich die Griffschale innen mit Kabelbindern am runterklappen hindern. Damit ist die Schutzfunktion gegen Stürze jetzt ziemlich hinfällig, also bitte nicht wiederholen. Okay, sonst sieht alles gut aus, also wieder einpacken, aufrödeln und weiterfahren. Weiterfahren nach einem Sturz fühlt sich anfangs immer super seltsam an, aber nach ein paar Kilometern geht's wieder. Nur die Fußbremse nicht so richtig. Einerseits ist der Fuß noch beleidigt. Andererseits ist der Bremshebel jetzt noch weiter nach oben verbogen. Den muss ich dringend mal tiefer stellen. Vielleicht kann ich mir bis dahin das Nutzen der Hinterradbremse bei jedem einzelnen Kurveneingang abgewöhnen.


    Den restlichen Tag sammle ich Passknackerpunkte und genieße die Strecken. Bei den Pausen humple ich etwas, aber ich bin nicht funktional eingeschränkt und die Schmerzen sind auch ok. Bei der letzten Fußverletzung hat die Arzt "schmerzgerecht belasten" gesagt, und genau das tue ich. Die Tankstellenauswahl ist auf dieser Route sehr eingeschränkt. Da kommt nur etwa alle 100 km eine. Mit knapp 200 km Reichweite gehe ich auf Nummer sicher. Nebenbei kann ich auch mein Motorrad für 1 Euro grob waschen, nach all dem Regen gestern.


    Eine weitere geplante Schotteretappe streiche ich. 30 km kürzer klingt gut, aber 10 km fragwürdiger Schotter statt 40 km feinster Pässespaß? Nein, danke: Wegen Pässespaß bin ich hier. Und es fährt sich hier genauso gut wie in meiner Erinnerung :)




    Auffällig ist noch das normale Leben. Anscheinend ist Covid hier schon vorbei. Menschen sitzen in vollen Restaurants ohne Masken am Tisch und essen zusammen. Da kann ich nur staunen. Und mich drauf freuen, falls man das in Deutschland irgendwann mal hinbekommt.


    Letzter Punkt des Tages ist die Sierra Nevada (Pico de Veleta). Der mit 2520 m höchste Pass Spaniens - oder eher höchster legal auf Asphalt anfahrbare Punkt Spaniens. Die Straße geht sogar noch weiter bis auf 3396 m, aber diese ist nicht öffentlich. Allerdings fahren heute zwei SUV-Prototypen mit Erlkönigfolie die Hauptstrecke rauf und runter, vielleicht dürfen die ganz hoch? Ansonsten ist am Ende der öffentlichen Strecke ein Skiort und recht viel Toursimusverkehr.



    Ich überlege noch, ob ich hier übernachten will, denn die Auswahl ist groß, aber die Aussicht auf morgendliche Frost lässt mich wieder ins Tal fahren. Ich finde per Google eine sehr schöne Unterkunft und erwische gerade noch die Hausherrin, die gerade los wollte, und die sogar Englisch spricht! Neben dem Checkin erfahre ich, dass Covid PCR-Tests in Spanien nur von privaten Labors angeboten werden. ich brauche ja einen für Portugal. Einheimische dürfen weiterhin ihre Landkreise nicht verlassen, aber ausländische Touristen sehr wohl. Das soll mal jemand in Deutschland versuchen ;) Das Zimmer ist Klasse, hat einen Balkon, eine eigene Heizung, einen Fön, ist liebevoll eingerichtet und kostet nur 40 Euro. Das Bett ist sehr weich, aber sonst alles perfekt.



    Der Fuß kriegt Voltaren, ich kriege 'ne Packung Schinken ausm Supermarkt. Mahlzeit! Hoffentlich passt morgen der Fuß wieder in den Stiefel und hoffentlich kriege ich einen PCR-Test. Morgen (Samstag) schaffe ich es vermutlich bis Ronda, dann könnte ich Sonntagabend nach dem letzten Pass schon nach Portugal rüber fahren.


    Zielerreichung:

    14,6% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    297 km Vorsprung vor Planung

    Linker Fuß, linkes Knie, Hüfte und Kopf tun nicht weh

    15.4. Regentag und Überführungsmaximum


    Das klingt nicht verheißungsvoll, und das wurde es auch nicht. Positiv zu vermelden, es war nachts angenehm warm im Zimmer und ich kam einigermaßen zeitig ausm Quark. Außerdem war morgens an der Rezeption das erste Mal in Spanien jemand willens, mit mir ein paar Brocken Englisch zu sprechen. Das ist aber mein Problem, denn ich hätte ja auch ein paar Brocken Spanisch lernen können. Zum ersten Passknacker geht es 130 km nach Westen, und danach zum zweiten 130 km nach Südosten. Dann kommt 230 km nichts, außer dem Weg nach Andalusien, und dann eine neue Passgruppe: Die Sierra Alhamilla. Diese kann ich schön morgen von Ost nach West befahren. Heute wird die Zeit nicht reichen, und im Regen macht's auch wenig Sinn sich da mit Gewalt durchzuquälen, statt es morgen trocken zu genießen.

    Hilft nix, los geht's. Ich bin hier so am Ende der Welt, dass es keine Autobahn gibt, sondern nur eine sich durch Berg- und Hügellandschaft windende Bundesstraße. Ohne Ampeln, mit Schildern, ohne Verkehr und ohne Überwachung.



    Das könnte also alles recht schnell gehen, aber deutlich dreistelliges Tempo kostet zuviel Anstrengung und Reichweite. Also schön brav sein und genießen. 8 Grad verleiten auch nicht zum Rasen. Leider fahre ich ziemlich auf eine Regenfront zu. Kurz vorher noch mal Pause machen, Snack rein, Stoffwechsel, dann alle Luken dicht und rein da. Der erste Passknackerpunkt heute ist ein Aussichtspunkt: Desfiladero de Despenaperros.



    Dann geht's zum zweiten Passknackerpunkt. Der Regen ist nicht wirklich stark, eher Nieselregen, und teilweise trocknet es auch schneller als es runterfällt. Wärmer wird's dadurch aber auch nicht. Als dann Nebel hinzu kommt, gesellen sich beschlagende Brille und am oberen Rand versagendes Pinlock auf die Liste der Unerfreulichkeiten. Nicht unerfreulich, sondern nachgerade lebensgefährlich dagegen sind die Fahrbahnmarkierungen. Die kann man eigentlich auch so verbauen, dass sie bei Nässe griffig sind, aber diese hier eigenen sich ideal für seitliche Vorderradrutscher über die gesamte Länge. Also Augen auf bei der Linienwahl. Eigentlich weiß man sowas doch, aber Ausdauer und Aufmerksamkeit sind gegenläufige Ziele. Auch der zweite Passknackerpunkt heute ist ein Aussichtspunkt: Puerto de Las Palomas (Cazorla). Heute nur mit Aussicht auf die Wolke. Aber der Überdachte Ausguckt dient mir als Pausenplatz. Snacks!



    So, und dann ist es schon Zeit für eine Exit-Strategie. Mit der Sierra Alhamilla fange ich heute sicher nicht mehr an. Ich fahre noch so weit ich kann und suche dann eine Unterkunft. 16 Uhr Ende wäre heute ok. Bald streikt auch noch mein Sena 30K Headset, es fängt an sich selbst zu bedienen. Offiziell ist es nicht wasserdicht, und real bei mir heute auch nicht. Damit geht mir auch noch die musikalische Untermalung und Motivation verloren. Hoffentlich erholt es sich über Nacht wieder, denn Musik ist mir wichtig. Das würde ich fast als missionskritisch einstufen und mir vor Ort Ersatz suchen. Aber erst mal Bundesstraße über Landschaft fahren.



    Nach 190 km habe ich die Nase ziemlich voll und bin fertig für heute. Ich suche mir ein Hotel, das mich nicht arm macht - man merkt den Unterschied zum AdW, hier ist es eine Ecke teurer. Bei Google ein Hotel halbwegs am Weg in einer kleinen Stadt für 45 Euro angeschrieben. Da fahre ich jetzt hin. Es sind geschlossen aus, aber mehrere Schilder behaupten das Gegenteil. Die Tür lässt sich öffnen. Ich stelle Helm und Tankrucksack an die nicht besetze Rezeption. Da kann ich auch gleich noch Soziustasche und Topcaseinnentasche holen, denke ich, und als ich wieder vor der Tür stehe, geht die nicht mehr auf. Schöner Mist, hoffentlich ist wirklich jemand da. Klingeln führt zum Ziel und das Zimmer kostet sogar nur 30 Euro. Gut: Es ist modern-minimal eingerichtet und es hat Fließenboden, ich mache also nicht den Teppich dreckig. Schlecht: Es hat weder Heizung noch Fön. Naja, die Dusche wird schön warm. Ich will gar nicht mehr raus...

    ... aber Hunger habe ich trotzdem. Supermarkt oder Restaurant? Pizza ist doch eigentlich safe, die fingert keiner mehr an nach zur Zubereitung, und bei der Zubereitung im Ofen stirbt hoffentlich alles. Vorbestellen und abholen? Na logo. 5 Minuten Fußweg einfach tut sicherlich auch gut. Und das klappt dann auch. Mir ist nicht ganz klar, was ich da bestellt habe, aber geschmeckt hat's mir. Zurück im Zimmer fällt mir noch auf, dass mein Navi fehlt. Hmmm. Ach, es steckt noch am Motorrad. Entweder hat's keiner geklaut, oder jemand hat's geklaut und danach wieder zurück gebracht ;) Dann den Wirt nach einem Fön fragen, Google Übersetzer hilft, und nochmal in die Dusche. Wellness pur. Und morgen geht's endlich andalusische Pässe knacken!

    Zielerreichung:
    10,5% von 295 spanischen Passknackern geschafft
    Tourfortschritt etwa 330 km vor Plan
    0 Verhaftungen

    14.4. Alicante, Kastilien?


    Die Nacht warm aber nicht so ganz erholsam, weil die Heizungsklimaanlage sporadisch anspringt und ich immer wieder denke, hier rauscht gleich ein Zug durch. In einem Bungalow hat man mehrere Zimmer und reichlich Gelegenheit, sich auszubreiten. Also hat man auch reichlich Mühe, am nächsten Morgen alles wieder einzusammeln. An der Rezeption des Campingplatzes ist niemand da, aber ein Handwerker möchte mich hinhalten und telefoniert hier und da. Ich habe gestern schon bezahlt, lege meinen Schlüssel vor der Tür ab, und gehe meiner Wege. Um 10 Uhr biege ich auf die Landstraße ein. Oho, eine Stunde später als üblich, da habe ich halbe Überstunde von gestern ja mehr als kompensiert.


    Pflichtprogramm sind heute gerade mal 3 Passknackerpunkte bei Alicante. Davon und danach habe ich lange Transferetappen. Dann kommt eine andere Region mit 6 Passknackerpunkten, was für heute eigentlich zuviel wird. Das Wetter ist wieder 10-15°, meist bewölkt, aber kein Regen. Für morgen ist allerdings schlechtes Wetter angesagt, mit 36 mm Niederschlag in manchen Orten entlang meiner Route. Da ist es schon fraglich, ob die Bergstrecken überhaupt noch passierbar sein werden, daher möchte ich heute mehr schaffen, damit ich morgen gut Gewissens abbrechen kann.


    Eigentlich wollte ich heute den Karl treffen. Karl ist ein alter Versysfahrer und surfender Rentner, der sich mit den Wohnmobil viel in Spanien rumtreibt. Mittlerweile mit Huski 701 SM. So auch zum Beginn meiner Reise. Allerdings ist er wegen Wetter und plötzlich eingetretenem Enkelkind schon auf der Rückreise, als ich ihn heute morgen anrufe. Schade für mich.


    Vom Campingplatz geht es schnell zur Autobahn und dann an Valencia vorbei. Hier zur Abwechslung mal reichlich Verkehr und ich komme mir weniger illegal vor. Allerdings zieht sich der Weg zu den 3 Passknackern bei Alicante 2 Stunden hin, neben Schmerzen in der rechten Hand tut heute auch die rechte Schulter weh. Umso größer ist die Erlösung, als es dann so weit ist.


    Kleine Pause am Wegesrand ;)



    Den ersten Pass hoch geht's auf einer Strecke im Zustand 3. Es ist wieder komplett einsam. Ich fahre an einem Abzweig vorbei, dessen Oberfläche in erbärmlichen Zustand ist, und denke mir noch, gut dass ich da nicht rein muss. Ist die Strecke überhaupt aufm Navi? Ja, ist sie, und zwar orange - ich muss da später rein fahren :( Uff, naja, erst mal zum Passschild, Foto eintüten. 100 Meter weiter sehe ich ein Tor, Wachhaus und Sicherheitszaun. Ich bin ja schon wieder weg, ich bin gar nicht da, keiner hat mich gesehen. Gut wenn man keine Aprilia Donnerschlagkrach 3000 fährt. Es geht zurück, zur Holperstrecke, und dann holpere ich da mal schön entlang. Holper, holper. Langweilig, nervig, holper, immerhin habe ich Musik. Mit Aussicht ist auch nicht viel. Dann komme ich eine größere Lichtung, da steht ein anderer Motorradfahrer - der erste heute - und grüßt. Da grüßt man zurück und biegt rechts ab wie vorgesehen. Dann freut man sich über die tolle Hauptstrecke mit super, spannenden Radien usw. und wundert sich erst nach einigen Minuten des Austobens, warum das Navi irgendwo weiter hinten wenden will. Weil ich vorhin angeblich nicht links abbiegen dürften hätte. Oh nein, ich muss den ganzen schönen Weg wieder zurück! Mir bleibt nichts erspart. Aber für euch, meine treuen Leser, nehme ich auch dieses Opfer in Kauf. Der Passknackerpunkt ist dann tatsächlich in Sichtweite der Kreuzung :) Immerhin geben die Punkte bisher keine Rätsel auf, es stehen immer ordentliche Passschilder da.


    Den Weg zum nächsten Punkt schaue ich mir genauer an und beschließe, nicht mehr in Winzfurzstrecken reinzufahre. Außenrum macht mehr Spaß und geht vermutlich fast genauso schnell. Wenn man schon 80% des Tages Überführungsstrecke macht, soll der Rest wenigstens Spaß machen. Und so kommt es dann auch. Der Puerto de la Carrasqueta ist zwar nur 1020 Meter hoch, wäre aber auch in den Dolomiten eher oben in der Spaßwertung. An der Passhöhe raste ich und pfeife mir das Mittagessen rein. Ich bin allein hier, bis auf zwei Katzen, die am Gebüsch kuschelnd dem Wind trotzen. Es gibt auf dieser Reise bisher mehr wilde Katzen als wilde Hunde.



    Und dann folgt wieder Überführung. Damit es nicht nur Autobahn ist, klatsche ich einen Wegpunkt nach Yecla - außerdem ist das der schnellste Weg laut Google Maps. So spare ich mir Autobahn und komme super voran. Die drei Ortsdurchfahrten eignen sich gut zum tanken, denn wir haben 15 Uhr, wenn ich da nicht schon 2x getankt habe, bin ich liegengeblieben oder verunfallt. Elche de la Sierra heißt ein wichtiger Ort in der zweiten Zielregion heute. Hier sind 6 Passknackerpunkte so verteilt, dass man sie unmöglich in einer sinnvollen Reihenfolge abfahren kann. Ich frage mich, ob ich es heute noch angehen will, oder lieber erst morgen? Ich denke, da geht heute noch was. Vielleicht nicht bis zum Ende. Es ist zwar sehr entlegen hier, aber vielleicht gibt es ja irgendwo ein Dorfhotel.


    Wie gesagt, es gibt keine sinnvolle Reihenfolge, aber die Reihenfolge meiner Planung, bzw. was mein Navi draus macht, ist sicherlich weiter von einer sinnvollen Reihenfolge entfernt als andere Möglichkeiten. So fahre ich 3 km durch den Ort Riopar und stelle fest, dass später nochmal hier durch muss, und zwar in der gleichen Richtung. Dass kann eigentlich nicht richtig sein. Aber der Ort ist interessant, Hotels, Supermarkt, Tankstelle - vielleicht übernachte ich hier später. Jetzt optimiere ich erst mal die Reihenfolge der Pässe am Navi.


    Die Strecken beginnen vielversprechend. Hier kommt richtig Fahrspaß auf! Tolle Trassierung und viel Abwechslung. Der Straßenbelag ist nicht immer super, aber die MT-09 bügelt auch mit Serienfahrwerk viel glatt. Besonders die Gabel zeigt sich auch vom Bauwurzelaufbrüchen unbeeindruckt.



    Vom Puerto de la Crucetas finde ich zunächst zum Purto El Bellotar will mich das Navi in einen wilden Schotterweg schicken. Das spinnt wohl. Da fahre ich schön weiter Hauptweg. Stattdessen schickt es mich im nächsten Dorf auf eine Nebenstrecke, die sehr fragwürdig aussieht. Ich gucke es mir am Navi an und stelle fest, dass das wohl leider Sinn ergibt. Aber es ist nicht steil und außer dicke Schlaglöcher ist hier nichts gefährlich. Das geht 8 lange Kilometer so. Bei einer Kreuzung ist Zeit für eine Pause, innere Einkehr, Snack, Stoffwechsel und Navischimpfe. Laut OSM hätte man da einwandfrei außenrum fahren können, aber jetzt es auch nicht mehr schlimm, weiter zu fahren. Es wird immerhin nicht schlimmer und steiler. Nur begegnet ich niemandem, habe kein Handynetz und die Häuser sind auch alle Ruinen. Wenn hier was schief geht kann man sich eigentlich nur noch 'ne Hütte bauen und ein paar von den Rehen jagen, die ich so rumspringen sehe.




    Aber auch diese Prüfung wird gemeistert, und freundlicherweise steht nicht am Ende von 20 km Schotter ein geschlossenes Tor. Jetzt wieder schön auf Asphalt schwingen - halt? Noch mehr Rehe? Das sind viele Rehe heute. Es ist zwar schon 17 Uhr, aber es ist ja noch lange hell? Okay, ich bin hier am Ende der Welt, da kommt nicht jede Stunde ein Fahrzeug entlang. Am nächsten Pass suche ich mir ein Hotel. In Riopar sind wirklich viele. Genau gegenüber von der Tankstelle, 25 Euro laut Google. Na, warum nicht, im Restaurant dort habe ich auch schon Leute gesehen. Ich fahre hin, am Ortseingang steht die Polizei :( Sie ist aber gerade mein einem anderen Auto beschäftigt :) Ich checke im Hotel ein, ohne Sprache, mit Händen und Füßen, 22 Euro. Passt! Frisch im Zimmer angekommen denke ich, hm, war's das jetzt echt schon für heute? Da sind noch zwei Pässe weiter nördlich. Das sind nur 30 km eine Strecke? Das schaffe ich noch! Wie schwer kann es sein?


    So schwer:



    Dazu noch 10x Wildwechsel. Ich fahre Tempo 50. 20 km von den 30 km sind üble Bröckelpiste mit Kies drauf und potentiell felgenmordernden Schlaglöchern. Endlich am Ziel:



    Gibt's zurück einen anderen Weg? Ja, sogar zwei - 54 und 58 km, Zustand unbekannt. Okay, die 30 km habe ich einmal geschafft, die schaffe ich auch ein zweites Mal. Wieder 10x Wildwechsel. Ich fahre weiterhin Tempo 50. 19:00 bin ich runter von der Nebenstrecke und kann mich auf der Hauptstrecke kurz austoben, bevor die Besorgungen losgehen: Supermarkt (zum Abendbrot Salami und fertige Crepes, einzeln verpackt), Geldautomat, Tankstelle, und Hotel. Der Einfachheit halber fahre ich direkt mit FFP2-Maske unterm Helm. Das geht gut ohne Brille. Die Polizei kommt mir im Ort entgegen aber beachtet mich nicht.


    Das war als Fahrtag heute eher durchwachsen, aber ich habe meine Ziele erreicht und bin froh drüber. Merke: Nicht in Kleinstrecken reinfahren. Und mit den Lieferanten des Kartenmaterials schimpfen, ich habe "unbefestigte Strecken vermeiden" aktiviert. Heute habe ich mich streckenweise gefragt, warum ich nicht die Versys genommen habe - Windschutz, Reichweite, Federwege. Die Antwort auf die Frage liefert hoffentlich Andalusien, vielleicht schon übermorgen :)


    Zielerreichung:

    9,8% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    Etwa 6 geplante Tagestouren an 5 Tagen gefahren

    2/2 Rückspiegeln übrig

    Di 13.4. Aragon


    Die Nacht war unruhig, weil das Haus dünne Wände hat. Und obwohl der riesige Parkplatze nahezu leer ist, scheint jemand neben und über mir zu rumoren. Man kriegt eben, was man bezahlt. Das Motorrad habe ich hinter einem LKW geparkt, so dass es weder von der Straße noch vom Hotel aus zu sehen ist. Als ich morgens hinlaufe, glaube ich selbst, dass es geklaut wurde, bis ich fast davor stehe :) Es ist aber noch da, vollständig, einigermaßen sauber, und springt auch sofort an. Wettermäßig sieht es gut aus, aber morgens um 8 Uhr sind es 4 Grad. Um 9 Uhr sind es schon 8 Grad. Ich wage mal einen Start ohne Regenjacke, denn die Sonne wärmt deutlich. Wird’s zu kalt, einfach anhalten und 5 Minuten warten.


    Heute stehen 8 Passknackerpunkte auf dem Programm. Warum so wenige? Weil Spanien zwar viele Punkte beim Passknacker hat, diese aber räumlich nicht zusammen hängen. Mal 4 Punkte hier und 50 km weiter noch mal 4. Da wundert man sich beim planen etwas und ärgert sich über lange und -weilige Überführungsetappen. Vor Ort stelle ich heute fest: Was hier Überführungsetappe heißt, toppt das meiste, was wir in Deutschland an Strecken haben. Stellt euch die Schwarzwaldhochstraße vor, nur ohne Verkehr, ohne Tempolimit, und ohne störende Bäume, die die Aussicht versperren. Voila, so ist Motorradfahren in Spanien, wenn man nur von A nach B kommen will und nicht zufällig beides im gleichen Tal liegt. Ich habe also mächtig Spaß und bin wieder mal froh, dass ich diese Reise gewagt habe.


    Ich bin heute vor allem in Aragonien unterwegs. Das ist eine sehr dünn besiedelte Region mit viel Bergland und Hochebenen, mit kargen Steppen und grünen Wiesen. Ich bewege mich eigentlich durchgehend auf über 1000 Meter Höhe. Der höchste Pass heute hat 1790 Meter. Deutschlands höchster Pass hat übrigens 1420 Meter.



    Außerdem gibt’s in Aragonien ein „Motorland“, zumindest ist es ausgeschildert. Klingt interessant, da fahre ich doch mal hin, auch wenn ich eigentlich gerade schon wieder auf dem Weg zur Tankstelle bin, denn in einer so dünn besiedelten Region ist es sinnvoll, mit der Tankstellensuche nicht zu warten, bis die Reservelampe blinkt. Am Kreisverkehr nehme ich die erste Ausfahrt laut Wegweiser „Motorland“ und Navi (Tankstelle) – das trifft sich gut, an der nächsten Ausfahrt steht finster guckende Polizei. Die haben mich vorhin auf der Autobahn zwar auch nicht beachtet, aber da war ich ja im fließenden Verkehr und nicht ein einsamer Mohikaner. Merke, hier später nicht entlang fahren.


    An der Tankstelle wird die MT-09 vom Personal betankt, und dabei auch gleich mit Benzin geduscht – okay? Hat das nicht Zeit bis zur Rückreise, im Moment brauche ich sie noch :) Ich gucke mal im Handy nach was Motorland eigentlich ist und wo das ist: Es ist die MotoGP-Strecke des Aragon GP. Aah. Es ist 20 km in die falsche Richtung. Oh. Nö! Dann lieber auf die N-420 (heißt wirklich so), aber nicht am Kreisverkehr vorbei, und auf zu frischen Pässen.


    Es ist wirklich beeindruckend einsam hier und die Landschaft wechselt immer wieder. Hier könnte man sicher eine Woche fahren, ohne sich zu langweilen. Aragonien hätte mehr als 1 Reisetag und 8 Passknackerpunkte verdient.







    Vom letzten Passknackerpunkt geht’s dann auch schnellstem Weg Richtung Süden, Valencia wäre das Traumziel, aber 200 km sind mir jetzt zu viel. Das Navi sagt am Passknackerpunkt, in 35 km links abbiegen, das klingt nach einer öden Bundesstraße. Ich hätte nicht falscher liegen können! Es ist alles dabei, In Schwarzwaldhöhenstraße-Radien den Berg entlang, in 4. Gang-Kurven durch eine Schlucht, oder auch mal 2. Gang kurvig durch den Wald. Einfach Wow.


    Irgendwann ist die Autobahn nach Valencia dann doch erreicht und ich eiere mit Tempomat bis 16:30, bis ich ein Hotel suchen will. Mir fällt auf, dass ich das einzige Motorrad weit und breit bin, und überhaupt so ziemlich das einzige Privatfahrzeug. An einer Auffahrt sehe ich Motorradpolizei stehen, und sie sehen mich auch. Sie kontrollieren gerade einen Lieferwagen, und einer davon guckt unerfreulich interessiert. Ich erwäge das Aktiveren des Hebels am rechten Lenkerende, der mit der Funktion „Ist mir egal was hinter mir ist!“, aber der Kollege hat eine Varadero – auch nicht viel langsamer, aber viel größerer Tank, denn ich bin schon wieder auf dem Weg zur nächsten, na, Sie wissen schon. Ist ja erst das vierte Mal heute.


    Die letzten Tage habe ich über Booking ein Hotel gebucht. Heute gucke ich einfach mal, was da in Frage kommt, und fahre einfach hin. Das wäre heute ein Campingplatz mit Bungalows, und Restaurant am Platz. Das trifft sich gut, der Magen fordert schon eine Weile sein Recht ein. Vor Ort ist der Preis fürs Bungalow noch günstiger als bei Booking, aber das Restaurant ist geschlossen und auch sonst alles im Ort zu. Es gibt aber einen Minimarkt am Campingplatz. Okay, eine Packung Salami und eine Packung Pringels, dazu eine Dose Radler und noch 2 von den Schokobrötchen auf dem französischen Netto. Mahlzeit!


    Das Bungalow ist in Ordnung, wie man es halt erwarten kann auf einem Campingplatz. Man kann es im Gegensatz zu Hotelzimmern quer lüften und die Klima/Heizung tut, was sie soll. Die Dusche gibt Rätsel auf. Ich habe kein Handtuch dabei, bekomme aber eins an der Rezeption. Ich sehe ich hier nur spanische Nummernschilder. Es ist Leben am Platz, lokaler Tourismus läuft anscheinend hier in der Region Valencia. Ich bin der einzige Deutsche aufm Platz. Ja, richtig gelesen, keine Holländer!



    Als ich mich auf meiner Terrasse übers Abendessen hermache erhalte ich bald Gesellschaft einer jungen Dame, die sich auffällig unauffällig verhält. Sie sagt kein Wort, aber intensiver Blickkontakt und Körpersprache sprechen für sich. Sie reibt ihr Gesäß an der Latte meines Terrassenzauns, sucht immer wieder Blickkontakt, und hält dabei sogar den Corona-Abstand ein. Anscheinend glaubt sie, dass sie von mir etwas bekommen kann. Das ist ja so eine Sache mit dem Wohlstandsgefälle. Natürlich könnte ich leicht zugreifen, wirtschaftlich würde es mir wenig bedeuten und ihr viel, zumindest kurzfristig. Aber damit wird man seiner Verantwortung nicht gerecht. Menschlich nicht, und in Corona-Zeiten, wo viele unschuldig in wirtschaftliche Not geraten sind, erst recht nicht. Also sorry, Kitty, du wirst dir heute einen Anderen suchen müssen.



    Heute war ich erst 17:30 am Ziel. Ich schreibe eine halbe Überstunde auf.


    Zielerreichung:

    6,8% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    Etwa 5 geplante Tagestouren an 4 Tagen gefahren

    Etwa 65% Hinterreifen übrig

    Mo 12.4. Katalonien


    Die Nacht war kalt, aber erholsam. Spätabends standen lange Polizei und ein Abschlepper vorm Hotel, und ich habe mich gefragt warum, aber mein Motorrad war noch. Auch der Kleinwagen mit deutschen Nummernschild ist noch da. In meinem Zimmerpreis ist Frühstück mit dabei, also nehme ich das auch mit. Es ist ein Buffet, und es wird in einem geschlossenen Raum gegessen. Okay, aber ohne mich. Ich bediene mich mit Einweghandschuhen am Buffet (hat sich mal jemand gefragt, ob die Zangen zum Brötchen greifen noch Sinn machen?), staple meinen Teller voll und gehe zurück aufs Zimmer. Ja, so ein Frühstück ist doch ganz nett. Draußen ist es kalt und grau, da habe ich es nicht wirklich eilig, loszukommen.


    Gegen 9 Uhr ist es dann soweit, ich trete an zum Dienst ;) Direkt 200 Meter vom Hotel bekomme ich das erste Beispiel für den normalen Wahnsinn namens spanischer Straßenverkehr. Schrottiger Lieferwagen und SUV deutscher Marke streiten sich um einen Spurwechsel. Das kann schon mal 1 km dauern. Verglichen mit Frankreich halten sich mehr Leute gar nicht an Regeln, quer durch alle Gruppen. Sogar Omas humpeln bei rot über die Ampel an der Hauptstraße. Aufmerksamkeit tut Not. Dafür wird es einem aber auch nicht nachgetragen, wenn man sich mal etwas erlaubt. Wie ein wartendes Motorrad aussieht, wissen viele Spanier wahrscheinlich gar nicht.


    Es beginnt mit einer Überführungsetappe, heute früh nur 50 km, und über Bundesstraßen. Dann kommen 8 Passknackerpunkte in den südlichsten Pyrenäen-Ausläufern, die bei der späteren Pyrenäentour mehr Umweg wären als heute. Danach 4 Punkte in einem kleinen Mittelgebirge weiter im Süden, und dann schließlich ein langer Transfer Richtung Zaragoza.


    Ich habe heute wieder alle regulären Motorradklamotten an, denn es ist mit 11 Grad nicht warm, und auch Schauer sind möglich. Leider sind die Handschuhe noch nass von gestern. Außerdem hängen die Wolken in den Bergen. Und ich fahre in die Berge. Zunächst aber macht Motorradfahren in Spanien echt Spaß, besonders auf einsamen Straßen, mit vollem Tank und vollem Magen, denn mit vollem Magen friere ich nicht. Grund dazu gäbe es, denn das Thermometer sinkt je 100 Höhenmeter um 1 Grad. Zum ersten Punkt hin verfolge ich einen ambitioniert bewegten modernen SUV von einem Handynetzbetreiber. Logo, die haben ja Antennen oben auf den Bergen. Wenn ihr also beruflich Bergstrecken fahren wollt, haltet euch ran ;) Ich bin ganz froh, hinter ihm zu sein, denn wenn er mir entgegen käme, wäre das vermutlich 'ne knappe Sache. Der erste Punkt ist eine Sackgasse mit Antennenanlagen hoch oben, fast schon über den Wolken, aber leider mittendrin. Und ein paar 100 Meter mit Rollsplit sind auch dabei, freundlicherweise aber ankündigt. Wenn man bei 3 Grad da nicht mehr runter fahren möchte, kann man sich anscheinend auch runter stürzen.



    Wieder runter kann dann aber mal richtig Motorrad fahren und fröhlich Kurvenstrecken wegschnupfen. Bald muss ich nach einem Punkt umdrehen und ein Stück zurück, um einen zweiten Punkt zu erreichen. Da wird die Straße unbefestigt. Äh. Erdboden mit sehr wenigen Steinchen drauf. Alles ganz schön feucht. Das mag ich aber nicht. Mein vorderer Pilot Power auch nicht, und protestiert mit seitlichem versetzen bei Schrittgeschwindigkeit. 300 Meter weiter wird's wieder befestigt. Dann wieder unbefestigt. Bis zum Punkt sind es noch 4 km. Hmm. Bis jetzt geht's noch, aber die Yamaha hat keinerlei Schutz nach unten, und erfahrungsgemäß werden solche Strecken weiter oben und weiter von der Hauptstrecke weg nur noch schlechter. Taktische Nachguckpause.



    Der Punkt ist vom Typ XXX und gehört damit nicht zur Landeswertung, weil er schwer zu befahren ist. Das sehe ich auch so und werfe ihn aus der Route. Den hätte ich eigentlich gar nicht reinplanen sollen. Darauf muss ich künftig mehr achten. Gut, dann eben zurück und außenrum. Aber vorher noch kurz pinkeln, hier kommt ja niemand vorbei? Natürlich kommt sofort doch jemand vorbei. In Italien brechen auf solchen Strecken zuverlässig Panda 4x4 geräuschlos aus dem Gebüsch, in Spanien ist es eher gleichalte japanische Hardware. Immerhin keine Schulklasse auf Wandertag. Wenden klappt, und weiter geht's, und damit die Kurvenstrecke von vorhin das dritte Mal hoch. Mir bleibt aber auch nichts erspart :)


    Auch kein Gegenverkehr. Mir kommt eine kurvenschneidende BMW RT entgegen, Fahrer in albernen Neonklamotten. Und er führt eine Gruppe an. Alle auf BMW RT, alle auf dem Mittelstreifen unterwegs. Was'n da los - Clubausfahrt? Und warum tragen die alle die gleichen Klamotten - Touratech Luxustour? Und warum haben die Blaulicht an? Ah, achso. Anscheinend ein sehr eiliger Polizeieinsatz, hier am Montagvormittag in den Bergen, dass da 10 Polizeimotorräder anrücken müssen. Gut, dass ich nicht gegrüßt habe. Ich weiß nicht was sie hier machen, aber sie wissen auch nicht, was ich hier mache. Außerdem würde ich es an ihrer Stelle vermutlich ebenso machen. Wie auch immer, ich will mich damit nicht beschäftigen (aktiv/passiv) und fahre einfach weiter, gucke aber gelegentlich in den Spiegel. An wievielen Kreuzungen muss ich vorbei fahren, dass 10 Motorräder nicht alle Wege abklappern können? Ich traue mir viel zu, aber einem Motorradpolizisten davonzufahren kann ich mir abschminken. Es kommt aber nichts und niemand, und ich fahre entspannt weiter meiner Wege. Z.B. zu diesem "Santuari" (große Kirchenanlage oben auf Berg).



    Passend zum obigem Anlass möchte ich noch anmerken dass ich auf dieser Reise statt von Rammstein jetzt von Body Count musikalisch unterstützt werde. Bei Rammstein geht's um Ablehnung der Kirche, um Sex, Gewalt, Fetische und Gewalt-Fetisch-Sex, bei Body Count dagegen um Ablehnung der Polizei, um Sex, Gewalt, Voodoo und Gewalt-Voodoo-Sex. Man ist ja vielseitig kulturell interessiert. Jetzt geht's aber ins nächste Tal, die Sonne kommt raus, es wird warm. Auch die Landschaft wird motorradbefahrfreundlich.



    Nach dem Coll de Bac ist 40 km Überführung nach Süden angesagt, aber freundlicherweise ohne Ortsdurchfahrten. Am Coll de Ravell ist das Fotomotiv eine Tankstelle, die direkt an einer Autobahnausfahrt liegt. Ich hätte mir denken können, dass der Tankwart nervös wird, wenn man da mit laufendem Motor absteigt ohne zu tanken, aber ich komme ohne Einschusslöcher davon. Interessanter ist das Wetter, denn jetzt wird's über 1000 Meter hoch und ich fahre wieder in den Wolken rum.



    Die Temperaturen sind einstellig und gehen bis auf 3 Grad runter. Den Abzweig zum Turó de L'Home verpasse ich zunächst und muss auf einer schmalen Straße wenden - genau dann kommt eine Teenagerin des Weges, schwarze Klamotten, am rechten Straßenrand laufend. Die wird sich wohl wundern, was ich hier am AdW von ihr will, aber ich komme ohne ihre Telefonnummer davon.


    Die Stichstraße zum Turó de L'Home ist in schlechtem Zustand, und wenn ausgerechnet ich das sage, dann ist es auch wirklich so. Man muss auf der 6 Meter breiten Straße eine Spur suchen, die man befahren kann, und Tempo 30 wäre zuviel.



    Freundlicherweise geht alle 3 Minuten für 1 Minute das Licht an, weil die Wolken erste Lücken zeigen. Erst ganz oben, 1666 Meter, ist es dann wirklich so weit und die Sonne wärmt. Zeit für eine Pause. Schokoriegel rein, ich will nicht mehr frieren. Dann eiere ich den Berg wieder runter, die Hände tun inzwischen weh. Zum nächsten Tal hin wird es endlich wieder heller.



    Mit jedem Höhenmeter runter wird es wärmer. In einer Ortsdurchfahrt raste ich 20 Minuten, nur um mich aufzuwärmen. Schokoriegel hilft wieder. Vom letzten Pass heute zum nächsten Pass morgen sind es 360 km, die ich mir zwischen heute und morgen einteilen kann. Alles heute wäre mir zuviel, ich habe ja schon 250 km in den Knochen und auch Schmerzen in den Händen, die sich nicht so gut ignorieren lassen wie die im Gesäß. Zwei Stunden sollten aber noch gehen, die meisten davon mit "Tempomat". Also suche ich mir ein Hotel auf dem Weg, gerne außerhalb der Stadt, und gerne einfacher als gestern, denn 20x übernachten zu 50 Euro läppert sich doch gewaltig. 10000 km Motorradfahren ist schon teuer genug... nämlich bisher 33 ct pro km mit und 20 ct pro km ohne "eh da"-Kosten (Steuer, Versicherung, TÜV, Zubehör, Umbauten usw.) bei meiner MT-09.


    So, die Überführung darf dann auch gern mautfrei sein, sind nur 10 Minuten Unterschied, und habe ich es gar nicht mehr eilig. Teilweise Autobahn, teilweise Bundesstraße. Es wird warm. Hier blüht auch schon der Raps :)



    Es zieht sich dann doch ziemlich. 17 Uhr erreiche ich das Hotel. 8h gefahren, Pflicht getan. Abrödeln, einchecken, ausziehen, Lage peilen: Hunger. Habe vorhin einen KFC gesehen. Motorrad dreckig. Kann man bestimmt waschen. Regenradar? Die nächsten 2 Tage trocken, Donnerstag wohl viel Regen. Okay, den einen Euro kann man investieren. Google Maps, leite mich! Motorradwäsche klappt, beim KFC sind die Produkte andere als daheim und man spricht kein englisch. Ich aber leider auch noch immer nicht spanisch. Ich hätte mir vor Reise wenigstens Phrasen merken/Aufschreiben können, aber da wusste ich ja noch nicht, ob ich es hierher überhaupt schaffe. Statt 2x Classic Burger gibt's für mich also 1x Classic Burger und 1x BBQ Burger. Der BBQ Burger hätte ruhig noch mehr Hitze vertragen, der Classic Burger ist ungefähr der Zinger Burger, den ich eigentlich wollte. Essen nur zum Mitnehmen oder Lieferdienst, wie daheim, unterwegs schienen aber viele Restaurants ihre Außenbereiche geöffnet zu haben. Vom angeblichen Mega-Lockdown merkt man in den Städten nichts und es waren auch keinerlei Behörden zu sehen, außer auf ihrer Motorradtour.


    Ich habe auch heute wieder keinen Stress und keine Problem gehabt, und dafür bin ich sehr dankbar. Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn es wieder heißt: "Kommt blahwas endlich in den Knast, oder auf den Passknackerolymp, oder irgendwas dazwischen?" ;)


    Zielerreichung:

    4,1% von 295 spanischen Passknackern geschafft

    Etwa 4 geplante Tagestouren an 3 Tagen gefahren

    11 von 12 GB Datenvolumen übrig

    Es ist allgemein wenig Verkehr an diesem regnerischen Sonntag, aber zum Col de Banyuls hin ist es dann auffällig still. Nach den letzten drei Kehren sehe ich auch den Grund: Eine provisorische Mauer versperrt den Weg nach Spanien, und zwei blaue Kastenwagen blockieren provozierend geparkt den Weg. Was soll das denn. zunächst ist kein Mensch zu sehen, aber dann steigt ein Mann aus einem Auto aus. Er trägt militärische Tarnkleidung mit Schutzweste und Gewehr. Im Auto sitzt noch einer. Da mache ich keinen Stich und parke in sicherer Entfernung. Jetzt bloß nichts falsch machen. Der Fluchtweg nach Spanien ist ziemlich kompetent versperrt. Außerdem könnten auf der anderen Seite die spanischen Zwillinge dieser Akteure warten. Dann besser umdrehen, ohne aufzufliegen, und dabei bloß keine Neugierde wecken. Ich "muss" hier aber ein Passknackerfoto schießen. Leider stehen sie auch komplett vorm Passschild und sonst ist nichts wirklich sonderlich markantes da. Ich steige ab und spiele den Unschuldigen: Interessiert an Landschaftsfotos und Getränk aus Tankrucksack. Nebenbei knipse ich den halbwegs markanten Gedenkstein als Passknackernachweis. Irgendwer hat was auf den Boden gesprüht.



    Der Uniformierte steigt wieder ins Auto. So wünsche ich mir das. Ist ja auch kalt hier. Vielleicht geht doch ein Foto vom Schild? Handy in die Richtung halten führt zu intensivem Kopfschütteln und Handgewedel. Okay, das lassen wir dann. Ich gucke traurig, packe ein und steige auf. Jetzt muss ich hier nur noch weg kommen, ohne Neugierde zu wecken. Ich könnte hier am Platz wenden, dann sehen sie mein Nummernschild, oder ich rangiere etwas dümmlich rückwärts umher, versuche erst rechts und dann links zu wenden wie ein Anfänger, bis es dann endlich klappt, genau so, dass das Nummernschild nicht zu sehen ist. Den Berg runter müsste ich eigentlich schneller sein - normalerweise. Entschlossene französische Autofahrer darf man aber nicht unterschätzen, und wegen der Kehren könnte auch der Fußweg schneller sein. Es kommt aber nix ;) Allerdings sind es 35 km und 50 Minuten Umweg. Dafür hat der Regen inzwischen aufgehört und der Wind bläst kalt, aber in einem Tempo, dass die Regenklamotten trotzdem trocken werden.


    Dieser Umweg führt über eine bestens ausgebaute Kurvenstrecke, wo nahezu Null Verkehr ist. Das fetzt richtig. Es läuft richtig gut. Insgesamt kommen mir zwei deutsche Camper entgegen, was mich hoffnungsvoll stimmt. Und wenn auch hier dicht ist, dann fahre ich den ganzen schönen Weg halt wieder zurück, so!



    Bald kommen Markierungen auf der Straße "Stop" und daneben typische Grenzerhäuschen. Diese sind aber intensiv mit Graffiti übermalt und es ist kein Mensch zu sehen. Damit wäre ich wohl raus aus Frankreich. Jetzt noch rein nach Spanien, dann bin meinem Traum einen großen Schritt weiter. Aber lieber mit Bummeltempo, falls ich umdrehen muss ;) Irgendwo hinter einer Kurve geht's über eine Kuppe, der Fahrbahnbelag wechselt, und das war's dann auch schon: Da stehen Schilder auf spanisch. Geschafft! :)



    Jetzt noch ein Hotel in der nächsten Großstadt buchen und dann ist's mehr als gut für heute. 50 Euro, Ankunft 18 Uhr, passt. Oder ist das eine Falle? Kommt die Kontrolle erst im nächsten Ort? Abwarten und weiterfahren. Erst mal bewundere ich das Ortsschild hier.



    Von wegen Covid, die haben hier ganz andere Probleme. Zwei Ortschaften weiter steht dann wirklich mal ein Polizeifahrzeug an einer schnurgeraden Ortsdurchfahrt. Das Blaulicht leuchtet gedimmt. Ich dachte mir schon, dass die verdächtig gut ausgebaut ist, und achte noch mehr als sonst darauf, das Tempolimit einzuhalten und desinteressiert zu sein. Guardia Civil, wohl zuständig für Straßenverkehr und auch Grenzkontrollen. Oh-oh. Meine zwei Lieblingsthemen bei dieser Reise. Ich wecke aber kein Interesse. Zumindest keines, dass sich in meinem Rückspiegel manifestiert - nachdem ich eine Kurve später am Ortsausgang kräftig den Hahn quäle. Sicher ist sicher ;)


    Die letzten 10 Kilometer sind heute die schwersten. Es hat wieder angefangen zu regnen, ich bin müde und friere. Aber die Tankstelle vorm Hotel nehme ich noch mit. Hier zahlt man im Shop an der Kasse. Das ist nicht so mega Covid-konform, aber immerhin trägt jeder 'ne Maske. Irgendeine Maske oder Stoff vorm Gesicht, um genau zu sein. Dafür habe ich eine FFP2-Maske einstecken, und um sie nicht zu zerstören, ziehe ich meinen durchnässten rechten Handschuh aus. Da muss ich später wieder rein :( Zum Trost gibt's noch ne Packung salziges aus der Tanke. Am Hotel gibt's einen netten toten Winkel, wo mein Motorrad vor neugierigen Blicken geschützt ist. Im Hotel gibt's eine ordentliche Rezeption und kostenlose Heißgetränke. Das kann ich gerade gut gebrauchen. Das Zimmer ist groß, das Bad hat einen Fön und genug Platz für meine nassen Sachen, und das WLAN ist super. Das passt richtig gut so.


    Das Tagesziel habe ich heute weit übertroffen. Ich war wieder mal nah dran mich mit Behörden auseinandersetzen zu müssen, aber dieses Mal war es Geschick statt Glück, dass ich nicht angesprochen wurde. Wenn ich morgen Abend noch nicht verhaftet wurde, bin ich zufrieden. Bis dahin bin ich aus Katalonien raus, was die Lage entspannen sollte. Der Wechsel zwischen den Regionen könnte noch mal spannend werden.