So, zu meinem Passknackerpunkt Alto de Poio! Da geht's recht zügig hin, allerdings in die Wolken rein. Das heiß keine Sicht und Kälte. Zum nächsten Punkt habe ich zwei Möglichkeiten: Nahezu den gesamten Weg zurück, oder über Minipopelstraßen ziemlich Luftlinie. Die Navis sind sich uneinig, was schneller geht. Eine Stunde Autobahnlangweile hatte ich, außerdem müsste ich dann noch mal an der Kontrollstelle vorbei - auch wenn die einseitig ist, mir ist das unangenehm. Also Minipopelstraßen. Laut OSMand alles asphaltiert. So schraube ich mich in die Landschaft rein, und tatsächlich habe ich Asphalt und sogar einen Mittelstreifen. Aber nur bis zu einer Kehre, dann will Chinanavi geradeaus fahren. Das geht auch 5 km zu, allerdings mit zunehmend verwirrt guckenden Anwohnern und Hunden in allen Größenordnungen, die es auf der Straße echt gemütlich finden. Dann kommt ein Sportplatz und Ende Gelände. Chinanavi wollte kurz vorher auf einen Feldweg abbiegen, den ich aber verweigere. Am Sportplatz sind Bänke zum Rasten. Das trifft sich gut, Frühstück fehlt bisher.
Ich kriege was zum beißen, und der Hotelier kriegt die angedachte Email. OSMand liefert die Erkenntnis, dass man vorhin in der Kehre besser auf der "Hauptstrecke" geblieben wäre. Ich habe einen Handyhalter dabei, will den aber nicht extra montieren - der ist einfach zu sperrig. Ich habe aber ein Garmin Zumo 220 mit OSM-Karten dabei, das kann mich doch navigieren! Klar, es berechnet eine Route, und malt eine gerade rosa Linie in die Landschaft zum nächsten Wegpunkt. Prima, dann kann ich es ja gleich wieder ausschalten und wegpacken. Ich mag das Scheißding eh nicht. Die restliche Route finde ich auch mit dem kleinen Chinesen, wobei der Straßenzustand 98% echt okay, 1% naja und 1% haarsträubend ist. Gemessen am nicht vorhandenen Rang dieser Verbindung ist das überraschend gut. Am Punkt Puerto de Ancares angekommen bin ich dann trotzdem erleichtert, dass es jetzt wieder auf Hauptstrecken geht. Die Yamaha hat nämlich auch schon wieder Appetit. An der Hauptstrecke wird sie auch bald bedient. Die Nebenstrecken haben keine Tankstellen. Da will ja auch niemand mit einem Tanklaster fahren.
Dafür gibt's hier wohl Bären. Ich sehe aber keine.
Aber Kühe und Pferde immer wieder.
Weiter geht's Richtung Norden. Hier sind die Navis sich wieder uneinig. OSM möchte einen Umweg, China möchte direkt. Ich probiere direkt, weil es in OSM gut ausgebaut aussieht. Der Einstieg ist etwas schwer zu finden. Das hier ist eine (ehemalige?) Bergbauregion. An einem LKW-Wendeplatz hinten raus, 3x ums Eck, geht's auf eine sehr gut ausgebaute, 30 km lange "Bundesstraße" - mit einem großen Schild mit viel Text. Ich erfasse Satzfetzen vom Typ "Privatstraße", "Minengelände", und "verboten". Was genau das heißen soll, weiß ich nicht, aber das würde erklären, warum OSM hier nicht entlang möchte. Da jede durchaus Zivilfahrzeuge und keine grob verschmutzen LKW hier fahren denke, dass das klar geht. Und das geht dann auch klar. So knacke ich mich weiter durchs Land un genieße Straßen mit flüssigen Kurven und prima Aussichten.
Man sollte es aber nicht übertreiben, wird angedrohnt.
Am Puerto del Connio lade ich die nächste 500 km-Tour, und gleiche sie aus irgendeinem Impuls heraus noch mal mit der Passknackerlandkarte ab. Das tue ich normalerweise nicht, aber heute hat es sich gelohnt: Der Pozo de las Mujeras Muertas war in keiner von beiden Routen. Das hätte mich den Landespreis Spanien kosten können! Jetzt muss ich nur noch einen Weg dorthin finden. 13 km Luftlinie werden zu 50 km Route, und die führt geradewegs in einen Schotterweg. Nein, da spiele ich nicht mit. Manchmal macht da Chinanavis das, die Ausschlüsse ignorieren, wenn der Umweg zu groß wäre. Das ist mir aber egal, der Umweg ist auch ein Weg, und zum Motorrad fahren bin ich schließlich hier Es ist weiterhin sehr schön hier, auch wenn ich fünf Regentropfen abbekomme.
Dann macht die Route einen Schlenker nach Westen und ich verliere an Höhe. Nach dem Punkt Alto de Acevo suche ich ein Hotel. Ein "Hotel"-Hotel, nix mit Hostel, BNB & Co. Eigenes Badezimmer, por favor! Ich werde fündig, wenige Kilometer von meiner Route entfernt. Ich buche per Booking, fahre hin, 8 Uhr bis 17:45 reicht echt als Fahrzeit. Auf dem Weg habe ich plötzlich Sicht auf den Atlantik - zweites Meer, Check!
Endlich angekommen checke ich ein. Wieder mal mit Hand und Fuß, mangels gemeinsamer Sprache. Der Wirt zeigt mir zwei Zimmer und ich darf mir eins aussuchen. Beide sind gut - ich nehme das zweite. Hier hat jemand mitgedacht und die Fenster offen gelassen, damit Covid schön raus geweht wird. Ich mache etwas Kettenpflege und einen Spaziergang für die Beweglichkeit, und wenn ich einen Supermarkt fände, könnte ich mir zum Abendessen auch noch 'ne Packung Wurst vorstellen.
Dann jedoch das zweite Highlight des Tages, 15 Minuten in meinen Spaziergang hinein. Der Wirt spricht mich an und bittet mich, ins Restaurant zu kommen und mich an einen Tisch zu setzen. Dort sitze ich jemandem gegenüber, den ich noch nicht gesehen habe. Es hat etwas von Der Pate. Der Pate spricht französisch und englisch, wir einigen uns auf englisch. Der Pate erklärt mir, dass es ein Problem gäbe. Es tue ihnen sehr leid, man habe einen Fehler gemacht. Hier in diesem Landkreis sind keine touristischen Übernachtungen erlaubt. Es gäbe aber 9 km weiter ein anderes Hotel, wo ich übernachten könnte, weil es ein anderer Landkreis ist. Wenn ich einverstanden bin, soll ich die Buchung hier stornieren und einpacken, man wird mich dorthin begleiten. Dafür gibt's auch aber Freigetränke. 1 Bier kriege ich sofort und noch 2 Dosen in einer Tüte. Ich stehe ihrem Problem mitfühlend gegenüber. Endlich mal Probleme, könnte man auch sagen. Ich bin jetzt 13 Tage unterwegs und hatte noch kein derartiges Problem mit Übernachtungen - das hat mich bisher ehrlich ein wenig überrascht. Ich willige ein und packe meine Sachen. Der Pate fährt im Auto voraus, ich hinterher. Ich frage mich noch, im angeborenen Misstrauen, ob ich jetzt in eine Lagerhalle geführt und dort ausgeraubt werde, aber lache über den Gedanken. Er fährt langsam. Ich fahre Schlangenlinien. Die Nachricht kommt an. Der Pate kann auch schnell Autofahren. 9 km und keine einzige StVO-Verletzung später kommen wir am neuen Hotel an. Ich soll das Motorrad mit dem Nummernschild zur Wand einparken. Der Wirt hier ist informiert und zu dritt checken wir mich ein. Ich war niemals hier. Ich weiß ja nicht mal, wo ich überhaupt bin.
Das Zimmer ist minimal hochwertiger, und ich packe aus. Im Ort habe ich einen offenen Supermarkt gesehen, da hole ich mir jetzt mein Abendessen. Ansonsten tue ich dem Wirt wohl einen Gefallen, wenn ich nicht den gesamten Ort abwandere sondern mich bald wieder zurückziehe. Der Wirt des morgendlichen Hotels hat mir zurückgeschrieben, das wäre schon in Ordnung, ich hätte ja nicht gefrühstückt und man bedankt sich für meinen Zahlungswillen. So geht ein ereignisreicher Tag zu Ende. Mal sehen, wie das künftig mit den Übernachtungen läuft. Mahlzeit!
Zielerreichung:
40,0% von 295 spanischen Passknackern geschafft
2 Corona-WTFs
3 Freibier