Andalusien!
Hier war ich 2015 schon mal, damals 4 Tage mit einer nackten Yamaha MT09, alleine, in einem Hotel. Dieses mal sind es 7 Tage mit MT07 Tracer, mit Rainer und in mehreren Hotels hintereinander (Roadshow). Rainer besitzt eine Versys 650 und eine MT09-Tracer, und lässt letztere aus Deutschland per Spedition anliefern, ich miete mir eine MT07 Tracer vor Ort und zahle dafür weniger, als er nur für den Transport. Aber er hängt halt dran. Rainer hat in liebevoller Kleinarbeit Touren geplant und die Hotels ausgesucht und gebucht. Dafür geht schon mal ein Wochenende drauf, wenn's reicht. Auf meinen besonderen Wunsch wurde dabei vermehrt auf Passknackerpunkte geachtet. Perfekter Service!
Tag 1, Sa 01.04.2017 - Anreise, Run auf Ronda
Anreise ist für mich am Samstag FRÜH. Flug geht 5:50, Fahrdienst kommt 4:15 - das wird sogar recht knapp, denn schon so früh ist so viel los, nur Touris, alle mit richtig viel Gepäck und kaum ein Laden im Flughafen hat schon auf. Ich reise wieder mal mit kleinem Gepäck - zweiteiliger Tankrucksack plus Helm (mit 3 Paar Handschuhen und 2 Sturmhauben darin), habe diese Mal aber sogar den Platz für ein paar Turnschuhe gefunden, und einfach weil ich es kann, gebe ich die untere Hälfte des Tankrucksacks sogar als Gepäck auf, statt mich mit beiden Teilen plus Helm als Handgepäck an Bord zu drängeln. Das hat letztes Mal zwar auch geklappt, aber vor dem Rückflug wurden Teile meines Werkzeugs konfisziert, wegen Sicherheit, wissenschon. Werkzeug nehme ich gerne mit zwecks Zubehörmontage am Mietmopped: Navi, Kamera, Steckdose samt den jeweiligen Haltern sind mit dabei. Der Flug klappt 1a, Taxi ist schnell gefunden und als ich beim Vermieter ankomme ist das Tor noch zu, aber es steht eine MT07 Tracer an der Straße.
Das wird dann ja wohl "meine" sein, und so schraube ich Halter für Navi und Kamera dran und eine Steckdose, die ich extra dafür noch 2 Tage vorher gekauft habe. Ich kaufe Wasser und Sonnencreme – ich habe einen ziemlich nordischen Hauttyp. Den elektrischen Anschluss erledigt mir der Vermieter. Die Maschine ist makellos und sieht aus wie neu. Tatsächlich hat sie erst 1700 km runter und noch nie gelegen. Es ist Pilot Road 4 montiert, ein zeitgemäßer Tourensportreifen. Damit sollte einiges möglich sein.
Rainer ist bereits am Vorabend angereist, hat sein Motorrad abgeholt und dann in der Nähe von Malaga übernachtet. Der Plan war, mich mit Rainer unterwegs zu treffen, und dann auf dem Weg zum Hotel (Hotel Cortijo San Antonio, direkt an der A-357) möglichst alle der 13 Passknackerpunkte westlich vom Hotel anzufahren. Ich fahre zunächst über die Autobahn westwärts inkl. kurzer Mautabschnitte (Kreditkarte wieder mal sehr praktisch) und dann nördlich Richtung Ronda. Diese Traumstrecke A-397 ist mir noch in guter Erinnerung und der Puerto El Madrono hier soll der erste Passknackerpunkt dieses Urlaubs sein. Auch heute lasse ich es hier fliegen und bin damit nicht alleine. Allerdings fehlen die Luxussportwagen vom letzten Mal im Straßenbild. Dafür ist das Wetter eitel Sonnenschein - beste Sicht hatte ich letztes Mal nicht. Das macht wieder richtig gut Laune, auch andere Motorradfahrer genießen die Kurven. Die Yamaha wirkt etwas klein und holpert über Unebenheiten, aber das ist nichts was einen als Fahrer einer 23 Jahre alten Honda NTV mit 111000 km schrecken könnte. Leistung und Durchzug sind knapp über meiner Versys 650, und der zweite oder dritte Gang geht eigentlich für alles.
Knapp vor Ronda biege ich Kulturbanause links Richtung Gaucin südlich ab, wo ich an einer Kreuzung halte und Rainer mich anruft, der gerade südlich von Ronda tankt und mich bald darauf aufsammelt. Wiedersehen macht Freude und so geht es nach wenigen Kilometern fröhlichen Bundesstraßensurfens links ran ins Cafe, Cola und Salat genießen. Rainer hadert noch etwas mit der spanischen gefühlten Straßenverkehrsordnung und ich muss viel warten. Für mich als Deutscher gilt natürlich nur die Deutsche StVO, und da diese Straßen hier nicht in Deutschland liegen, gelten dort auch keine Regeln – so! Oder zumindest gelten für mich nur die geringeren deutschen Bußgelder. Und selbst die müsste dann ja wohl die deutsche Polizei erheben und eintreiben. Das ist zumindest genauso logisch wie unsere tolle neue PKW-Maut. Aber ich schweife ab.
Bald nehmen wir den Abzweig östlich Richtung Jubrique, dem Ort meines Hotels von vor 2 Jahren – quasi Hausstrecke. Freudig nehme ich den erneuerten Belag zur Kenntnis. Ich kann mich tatsächlich noch an den Streckenverlauf erinnern. Da kommt mir der neue Belag gerade recht. Als ich mit Angasen fertig bin und eher so vor mich hin summend durch die Kurven bummle, mich über den gelungenen Einstand in Urlaub und Saison freue und wie gut das Kurvensurfen klappt, pfeift der Vorderreifen jedoch zum Abschied leise Servus.
Okay, das macht wach. Was ist hier los? Ich bin in einer Rechtskurve, jenseits des Scheitelpunkts und habe gerade noch etwas nachgedrückt und dezent das Gas im dritten Gang geöffnet. Tempo 40 und diese Schräglage sind im Bereich routinierter Tourenfahrer, aber von sportlichen Ambitionen eigentlich weit weg. Der Lenker bewegt sich lose über den Asphalt, der Kurvenradius wurde gerade zur Geraden und die Schräglage vergrößert sich bedenklich schnell – ohne Grip am Vorderrad liegt am echt schnell auf der Nase. Und Gegenverkehr ist auch da, und zwar in meiner denkbaren Sturzzone - ich bin in einer Rechtskurve. Na herzlichen Dank.
Nach eingehender Überlegung einschließlich Rücksprache mit dem Motorradvermieter und meiner Krankenversicherung beschließe ich, keine Lust auf einen Sturz zu haben, und fasse den Lenker recht locker an, aber irgendwie in die Richtung bestimmend, in die das Motorrad gerade ungefähr fährt, und rutsche dabei auf der Sitzbank zurück, damit der Hinterreifen mehr zu tun bekommt, und der Vorderreifen entsprechend weniger. Der Vorderreifen nimmt darauf hin wohlwollend zur Kenntnis, dass der abgerufene Grip jetzt wieder zur Fahrsituation passt (geradeaus) und dass das Rad auch wieder in die Richtung dreht, in die sich die Straße unter dem Motorrad hindurch bewegt, und prompt rastet der Michelin wieder in der Straße ein. Daran ändert auch ein vorsichtiger Lenkimpuls nichts, ich will ja schließlich eine Kurve fahren. Die gedachten Linienrichter am Straßenrand schütteln zwar den Kopf ob der so zelebrierten Kurvenlinie, doch weil ich bereits am Hinterschneiden war, komme ich weniger als 30 cm von meiner geplanten Fahrlinie ab und damit bequem am Gegenverkehr vorbei.
Sowas braucht kein Mensch, besonders nicht am ersten Tag. Vor zwei Jahren auf der MT09 mit Pilot Road 1-Holzreifen hatte ich hier und da kleine Rutscher, auch vorne, aber keiner davon über so eine lange Strecke. Ich misstraue im Folgenden dem spanischen Asphalt und brauche mehrere Tage, um da wieder Vertrauen zu fassen, insbesondere auf Nebenstrecken. Merke: In frostfreien Regionen gibt es keine Aufplatzer durch gefrierendes Wasser in Löchern, da leben die Beläge länger und können komplett platt gefahren werden. Das gilt besonders an Stellen, wo viel gefahren wird bzw. viel Grip abgerufen wird: Kreisverkehre, Engstellen, besonders eckige Kurven, z.B. Anfang und Ende von Brücken, wenn die Straße am Hang entlang läuft. Letzteres war auch hier der Fall. Dieses Mal ist es gut gegangen, vielleicht auch wegen meiner Reflexe, und ich werde ab jetzt vorsichtiger sein. Schließlich erreichen wir den Pass Puerto de Peñas Blancas. Nun geht es die Rallye-Strecke von vor 2 Jahren den Berg hinab.
Eine von wenigen Kehren, und von vielen Kurvenstrecken mit super Aussicht
Jetzt geht es nach Estepona hinein, was unangenehm warm und voll ist. Noch dazu finden wir wegen einer Veranstaltung nicht direkt den Einstieg in die nächste Bergpiste. Aber schließlich gelingt es doch und es wandert mit Puerto de la Cruz (Casares) der südlichste aller Passknackerpunkte in den Köcher. Der nördlichste wäre das Nordkap, aber das ist nicht halb so schön zu fahren – und kalt! Nachdem ich kurz gehalten habe um das Foto zu machen habe ist Rainer verschwunden, ich glaube, er ist vorgefahren. Ich fahre also weiter auf der geplanten Route. An der ersten Abbiegung warte ich drei Minuten, falls er doch hinter mir war? Da kommt aber keiner. Also geht es nördlich Richtung Gaucin über eine Nebenstrecke mit Baustelle, die leider teilweise kilometerweit geschottert ist.
Ziemlich lange und lästige Baustelle
Von Rainer ist weiter nichts zu sehen, aber er ruft an und wir vereinbaren ein Treffen in Ubrique. Ich bin vor ihm und baue einen Umweg ein über den deutlich westlich gelegenen Puerto de Galiz. Nach Ubrique kommt man nur über eine sehr lange Kurvenstrecke mit Wald rechts und Links, Straßenzustand 3 und wenig Sicht. Das schlaucht. Zeit für eine Pause am Wegesrand.
In Ubrique finde ich Rainer nicht, er ist schon weiter. Wir vereinbaren ein Treffen am Hotel, ihm wird es langsam zu spät. Ich will meine mittlerweile erschöpften Wasservorräte auffüllen, aber alle Supermärkte haben schon zu – ist ja schließlich Samstag.
Und dann verlässt mich auch noch die Technik: Das Headset mag sich nicht mehr mit dem Handy koppeln, die Digicam ist plötzlich leer, obwohl der Akku vor Reiseantritt noch voll angezeigt hat und eigentlich 10 Tage typische Nutzung hält, und - am schlimmsten – mein Pearl-Navi geht mit leerem Akku aus. Der flache USB-Stpösel hat wohl nicht geladen? Dafür habe ich als Lösung das PKW-Ladekabel meines Zumo 210 dabei, und notfalls auch noch einen zweiten Akku für das Pearl-Navi, eine volle Powerbank und dann noch das Garmin mit vollem Akku, das ich mangels Routine aber nicht so gerne benutzen mag. Statt Musik gibt’s jetzt Gehörschutz, was ich eine echte Wohltat ist, denn die Scheibe an der Tracer produziert nervig viel Krach (tiefe Stellung) oder unerträglich viel Krach (obere Stellung). Außerdem beginnt es langsam zu dämmern und ich habe ein getöntes Visier montiert. Dass ich seit 3:30 auf den Beinen bin merke ich dagegen noch nicht – wie letztes Mal, am Anreisetag dominiert das Endorphin.
Weitere Passknackerpunkte liegen auf dem Weg bzw. an knappen Abstechern, wobei der Puerto de Montejaque zwei Schilder hat und auch als zwei Punkte gilt, d.h., man hätte zwei Fotos machen müssen, obwohl der Name gleich ist und keine 5 Minuten zwischen den beiden liegen. Das merke ich leider jetzt noch nicht. Danach geht es über völlig freie Bundesstraßen nördlich an Ronda vorbei. Weil es flacher wird, dämmert es noch länger – wenn die Sonne hinter den Bergen steht, aber man aus den Bergen raus fährt, wird’s schneller heller als dunkler.
Pässe knacken bei Sonnenuntergang
Puerto de Las Abejas ist der dreizehnte und letzte Passknackerpunkt des Tages, und damit ist mein geplantes Ziel erreicht, auch wenn ich dabei Rainer verloren und einen bösen Rutscher hatte. Die Ankunft am Hotel ist für mich erst um 21 Uhr, gerade noch hell genug für das leicht getönte Visier, und ich bin jetzt definitiv gut fertig. Das Hotel liegt unterhalb einer Bundesstraße, man fährt eine Sandpiste hinab, wo man nichts sieht – keine Ahnung, ob man da bei Regen wieder hoch kommen würde. Aber an Regen ist überhaupt nicht zu denken. Das Hotel ist offenbar eine alte Pferdewechselstation und durchaus etwas besonders, und zwar im positiven Sinn.
Unser gemeinsames Fazit beim Abendessen: Supergeil, wie geträumt. Als würde einer zugucken und fragen: Hast du auch genug Spaß? Wie wäre es mit etwas Abwechslung? Hier, neu Farben für die Felsen. See gefällig? Gerne, nimm ruhig türkisblau. Ist die Streckenführung so gut, oder doch lieber mehr Supermoto? Oder vielleicht zur Abwechslung mal wieder weite Radien? Hier, nimm noch ein paar 60° am Hang entlang mit. Und wenn du rechts runter guckst, hier sind die nächsten 8 Schleifen, die vor dir liegen. Aussicht immer rechts langweilig? Dann führen wir die Straße jetzt mal etwas auf dem Kamm entlang und danach hast du Aussicht links. Gut so? Vielleicht ein Cafe zum Einkehren mit Kaffee, Cola und Eis für 3 Euro? Eine prima Art, in die Saison zu starten. Sowas gibt einem kein Fahrsicherheitstraining.