Hey Ole,
wie lange fährst du Motorrad?
Warum ich das frage? Weil meine Vermutung wäre, dass du evtl. noch nicht so viel Erfahrung hast oder aber du hast schon eine sehr schlechte Erfahrung gemacht.
Grundsätzlich ist eine "Schräglagenangst" - nennen wir es aber doch besser Respekt vor großer Schräglage - etwas natürliches und evolutionär entwickeltes, die ab einer gewissen Schräglage ganz von selbst und zum Selbstschutz eintritt.
Durch Training und Übung kann man jedoch seine persönlichen Grenzen verschieben.
Sehr detaillierte Ausführungen und Beschreibungen zu dem Thema kannst du z.B. im Buch "Die obere Hälfte des Motorrades" von Berndt Spiegel nachlesen, das zwar mitunter recht weitschweifend geschrieben ist aber doch sehr verständlich die Zusammenhänge und viele Hintergründe fürs Motorradfahren erläutert.
Als erstes und wichtigstes würde ich dir nahelegen: Versuche nicht, deine Grenzen "mit Gewalt" zu verschieben und überfordere dich nicht, das kann böse enden.
Dein Ansatz ein Kurven/Schräglagentraining zu machen ist schon mal ein guter Ansatz.
Div. Apps, die Schräglagen messen etc. geben bestenfalls eine Information, welche Schräglage man gefahren ist - unter der Annahme, dass eine Winkelmessung unter derlei Bedingungen überhaupt so einigermaßen und ungefähr möglich ist.
Sie gibt aber keinerlei Aufschluss darüber, wo die Grenze liegt. Wie auch. Die Grenze wird auf einer Rennstrecke mit perfektem Asphalt eine ganz andere sein als auf einer öffentlichen Straße mit immer wieder unterschiedlich glattem Belag, Bitumenstreifen, Verunreinigungen etc. Die Grenze wird zudem abhängen von vielen weiteren Umgebungsbedingungen wie trocken/feucht/nass, sauber/schmutzig, warm/kalt, Reifeneigenschaften, Fahrstil (drücken,legen,hängen), Gesamtkräften, die auf die Aufstandsfläche eingebracht werden ("Kammscher Kreis", also in großer Schräglage - Seitenführungskraft noch zusätzlich Beschleunigen/Bremsen...).
Und ist die Grenze mal ernsthaft überschritten gibt es kein zurück mehr und du bist ausgeliefert - ein Zustand in den man möglichst niemals kommen sollte.
Hier ist insbesondere die ERFAHRUNG auch ein wesentlicher Aspekt, Erfahrung, unter welchen Bedingungen sich man in Schräglage wohl fühlt, welche Bedingungen gute Voraussetzungen für mehr Schräglage bringen und welche eher nicht, das "lesen" des Asphalts etc.
Ein wesentlicher Punkt auf den du dich jedenfalls konzentrieren kannst (und solltest) ist im ersten Schritt - und zwar am besten von ANFANG AN - eine SAUBERE LINIE in allen Kurven zu fahren, so dass du beim durchfahren der Kurve mit keinem Körperteil über deinen Fahrstreifen hinauskommst und am besten immer etwas Luft zum Fahrstreifen des Gegenverkehrs vorhanden ist. Die richtige Blicktechnik ist hierfür ein ganz wesentlicher Aspekt und Schlüssel.
Wenn diese saubere Linie mal wirklich eingefleischt ist - und das dauert mitunter auch länger (insbesondere wenn man zuvor einen davon abweichenden Fahrstil pflegte) - dann hast du die beste Grundlage um dann mit zunehmender Übung und Erfahrung ganz wie von selbst in größere Schräglagen zu kommen.
Schneller und schräger wirst du ohne Druck ganz von selbst, Kurven-/Schräglagentrainings unterstützen hier sicherlich gut, auch eine (angeleitete) Fahrt auf der Rennstrecke (natürlich nicht im Sinn einer Rennveranstaltung sondern eines freien Fahrens) kann dir sicher einiges an Erfahrung bringen.
Überlege dir daher evtl., die "Messung" (mit aller Messungenauigkeit, die damit evtl. verbunden ist) nicht dafür einzusetzen, aus den Messwerten abzulesen, dass da noch 5° mehr gehen oder nicht sondern bestenfalls als Kennzahl um in größeren Intervallen festzustellen, ob sich an den von dir gefahrenen Schräglagen etwas geändert hat.
Aber setz dich beim Fahren niemals unter Druck "da muss ich noch schräger durch", sondern konzentriere dich aufs saubere Fahren und auf den Spass den du dadurch erlangst.
Überleg dir evtl. auch noch, was dir beim Fahren den Spass bringt und revidiere evtl deine Ziele - Macht das Fahren selbst Spass? Oder das Wissen, dass heute noch 0,1° mehr Schräglage drin war?