Koriska, Insel der Schönheit. Bergige Mittelmeerinsel. Wer dort war, schwärmt. Da wollte ich schon lange mal hin. Beim Passknacker ist die Insel seit 2014 vertreten, und es gibt dafür einen eigenen „Landespreis“, auch wenn sie politisch natürlich zu Frankreich gehört. Angesichts von 845 Passknackerpunkten auf dem Festland ist das sicherlich hilfreich, dass nicht noch 112 weitere dazu kommen, plus 2 Fährüberfahrten (oder Flüge).
Tja, die Anreise. Runterfahren auf Achse oder Anhänger oder im Transporter, oder Fliegen und Mieten? Auf dem Weg lauern zwei Alpenüberquerungen, 3 verschiedene Mautsysteme und 2 Fähren. Wer wenig Zeit hat, sollte vielleicht eher fliegen. Ich habe aber viel Zeit: vom 1.-20. Mai. Da liegen 3 Feiertage und 3 Wochenenden drin, so dass ich dafür nur 11 Urlaubstage brauche.
Auf dem Hinweg werde ich mich in Norditalien vergnügen. Da gibt's einiges, wo ich noch nie war, und zwar am Comer See und südlich der Po-Ebene im Hinterland zwischen Genua und La Spezia. Danach bringt mich eine Fähre von Savona nach Korsika. Auf dem Rückweg nehme ich eine Fähre nach Toulon in Südfrankreich, und widme ich mich in ähnlicher Weise Südostfrankreich zwischen Rohne und Gap bis hoch zum Genfer See, wobei ich mir natürlich wetterbedingt Änderungen vorbehalte. Leider gibt es keine Fähre von Korsika nach Spanien. Dazu wäre ein Umweg über Sardinien nötig, und das wird dann insgesamt ziemlich weit.
Auf dieser Reise wird mich das bewährte Trio Luca, Mirko, Yannick begleiten. Sie fahren unverändert Tenere, Tuareg und Africa Twin, sind also eher im Unterholz zuhause. Letzterer ist eigentlich wechselwillig, aber die Motorradhändler waren wohl zu langsam. Wir treffen uns wegen unterschiedlicher Urlaubszeiträume erst in Korsika und übernachten dort gemeinsam. Zwischen den Unterkünften gilt wieder „alles kann, nix muss“. Und das ist auch gut so.
Korsika ist berühmt-berüchtigt für schmale Straßen in felsiger Landschaft. Man sieht also nie um die Kurve herum, und wenn einem ein Auto entgegenkommt, müssen beide auf Schrittgeschwindigkeit runter. Von Schrittgeschwindigkeit halten Einheimische aber eher weniger. Und auch ohne dieses Dilemma sind die Strecken so kurvig, dass mir manch ein Routenplaner für einige Tagesetappen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h ausspuckt! Hilfe! Ich traue dem Braten nicht und plane meine Tagesetappen am Festland wie gewohnt, und in Korsika mit 6 statt 8 Stunden Fahrzeit täglich.
Ich habe aktuell im Fuhrpark eine 2007er Versys 650 und eine 2018er Yamaha MT-09 SP „GT“ (18 Liter Tank). Auf dieser Reise wird mich die Yamaha begleiten. Es wird meine erste längere Tour mit diesem Motorrad. Der Vorgänger war eine 2018er Yamaha MT-09 „GT“ ohne SP, daher bin ich mit Ergonomie und Leistung vertraut, aber noch nicht mit dem Fahrwerk. Dunlop stellt mir einen Reifensatz „Mutant“ bereit. Das ist ein universeller Reifentyp, mit dem man eigentlich nichts falsch machen kann, außer auf der Rennstrecke oder im Schlamm. Ich will aber 10 km maximal leichte Schotterwege am Tag fahren, der Rest ist Asphalt in sehr unterschiedlich Ausprägungen an Griffigkeit und Zerfall. Und da ist mir ein Multitool lieber ein reiner Straßenreifen. Angesichts von 7000 km Gesamtlänge ist aber fraglich, ob ich mit einem Reifensatz durchkomme. Schaumermal, dann sehen wir schon. Es entfallen jeweils ca. 2300 km auf Anreise, Korsika und Abreise.
Mi 1.5. Nürnberg - Breno
Kurz vor der Reise bin ich umzogen, und die Reifen kamen erst 3 Werktage vorher, das macht die Vorbereitung nicht einfacher. Auch das Öl war schon 7000 von 10000 km drin, und die vorderen Bremsbeläge ersetze ich auch noch. Wie immer schaffe ich es, am geplanten Abreisetag vormittags gepackt und angezogen auf einem Motorrad mit laufendem Motor zu sitzen – mehr kann man vom Leben nicht erwarten. Ob's jetzt 9:30 oder 9:00 Uhr ist, sei's drum. Der Wintereinbruch ist auch wieder vorbei und so geht’s ohne Schneeregen nach Süden. Die Idee haben sicherlich auch andere, aber da muss man eben durch. Ready to Reise:
Es geht heute nicht über die A7 nach Süden, weil ich da letztes Mal soviel Ärger hatte, sondern über die B2 Richtung Augsburg und dann erst diagonal zur A8, dann etwas A7 und schließlich A96 raus aus Deutschland. Es rollt keine Welle aus Benelux, und so geht’s ohne Verzögerungen und Aufreger nach Österreich, per Tunnel um Bregenz herum. Am Ende der mautfreien Autobahn ist in Hohenems ein Tankstopp Pflicht, und dann hab ich mir vorgenommen, von Nord nach Süd durch Liechtenstein zu fahren, so zur Auflockerung. Den nördlichen Grenzübergang zwischen Nofels und Schellenberg kannte ich tatsächlich noch nicht. Letzter ist dann der erste Passknackerpunkt heute.
Die Sonne scheint bei mittlerweile 24 Grad. Ich sehe viele T-Shirts und kurze Hosen. Liechtenstein ist putzig, aber etwas nervig zum Durchfahren, weil Tempo 50 das höchste der Gefühle ist. Völlig überraschend ist es auch kein Billig-Tankstellen-Paradies. Darauf ist man wohl einfach nicht angewiesen. Der Sprit ist teurer als in beiden Nachbarländern. Man hat hier andere Werte.
Südlich raus geht’s aus Liechtenstein über den St. Luzisteig, das ist die erste echte Motorradstrecke heute. Ich habe eine Triumph Rocket vor mir und irgendeine Harley hinter mir. Und einen brandneuen Reifensatz unter mir, so dass ich die Schräglagen behutsam steigere. Dann geht’s über Schweizer Bundesstraßen durch Chur und schließlich die Lenzerheide hoch. Tolle Motorradstrecke, wenig Betrieb, aber leider einige Baustellenampeln. Die Ankunftszeit zeigt mittlerweile deutlich auf 19 Uhr. Tja, jetzt kann ich auch nicht mehr abkürzen. Aber ich kann weiterfahren! Hoch den Julierpass, hier wird’s hochalpin. Kaum liegt neben der Straße Schnee, wird es gefühlt sofort 5 Grad kälter.
Die Temperatur sinkt minütlich auf 12 Grad ab – ich fahre einfach weiter. Es geht durchs beschauliche St. Moritz, wo mir ein Polizei-Audi-Elektro-SUV fast die Vorfahrt nimmt. Ich ertrage es ohne Handzeichen und Fußabdrücke, biege dann rechts ab zum Berninapass. Nach dem letztem Ortsausgang tun alle so, als wären sie in Italien, da will ich nicht die Spaßbremse spielen. Der Dunlop ist inzwischen rundum angeraut und gibt keine Zeichen, dass ihm irgendwie kalt wäre – also ran an den Speck! Der Breninapass ist zwar 2330 m hoch, wird aber ganzjährig geräumt. Das sieht man sehr deutlich.
Dem Fahrspaß schadet es nicht.
Jetzt ist es aber wirklich Zeit für eine zusätzliche wärmende Schicht. Die Aussicht ist auch nicht schlecht, ich bin aber nicht so recht in Foto-Laune – die Ankunftszeit drückt. 19 Uhr, das sind 2 Überstunden! Pausen müssen trotzdem sein.
Ich mag die kompakte Bauweise der MT-09 sehr.
Eigentlich war für den Nachmittag Regen angesagt, der hält sich bisher aber erfreulich zurück. Kaum überm Grenzübergang in Italien angekommen, entdecken plötzlich alle das Gaspedal, und ich schwimme halt so mit im Verkehr. Über den Passo d'Aprico geht’s nach Osten, dann vor Edolo weiter nach Süden, zu meinem Hotel in Breno. Diverse Tunnels schützen mich vor leichtem Nieselregen auf den letzten 20 Minuten. Ich bin mittlerweile ganz schön müde und mache sogar 10 Minuten vor dem Ziel noch einen Tankstopp, der dritte heute, und der ist auch für meine Konzentration gut.
Meine Unterkunft ist schnell gefunden. Es ist augenscheinlich eine Jugendherberge, die auch Zimmer vermietet. Mein Doppelzimmer hat 25qm, und ein eigenes Bad. Mit Frühstück kostet das sagenhafte 40 Euro – wow! Es sind ein paar Restaurants in der Nähe, und trotz 1. Mai haben die Geschäfte heute offen. Es gibt eine Pizza, völlig überraschend in Italien, 7,50 Euro inkl Cola.
Das war heute ein langer Anreisetag. Ich hatte eine stressige Vorbereitung bis zur letzten Minute und unterwegs fallen mir stündlich Dinge ein, die ich vergessen habe. Die Tour heute war sehr lang, und weder A7-Vermeidung noch Liechtenstein haben sich so richtig gelohnt. Aber das weiß man erst hinterher. Für morgen ist seit Tagen so viel Regen angekündigt, dass ich ernsthaft überlegt habe, die Anreise 2 Tage später zu beginnen. Aber außer Lebenswerk-Pflege habe ich hier keine Mission. Ich kann auch alle Umwege aus der Route werfen und direkt zum nächsten Hotel fahren, mit Stopp an jedem Cafe. Jetzt beginnt der erholsame Teil, nach dieser eher stressigen Anreise heute.
Die neue Yamaha fährt bisher brav. Das hochwertige Fahrwerk mit seinen 7 Parametern, die man an 11 Stellen mit 4 verschiedenen Werkzeugen einstellen kann, habe ich zunächst nur in die Mitte von allem gestellt, und damit bin ich schon nicht schlechter unterwegs als mit der alten Yamaha, die 80000 km runter hatte. Nachteil am SP-Fahrwerk: Der Fernversteller der Federbeinvorspannung stört beim Fahren im Stehen. Der Dunlop Mutant macht sich sehr gut. Der Tacho der SP ist zwar funktional identisch zum Basismodell, aber invertiert, und er macht bei vielen Modellen Ärger. Auch bei mir ist er heute auf der Autobahn einfach eingefroren. Davor wurde ich gewarnt! Es hilft Ausfahrt nehmen, Zündung aus, Zündung an, und alles geht wieder. Die neuen EBC Sinter Bremsbeläge vorne packen ab dem ersten Meter richtig schön zu. Ich würde aber die Pumpe noch etwas nach links verschieben. Die Hinterradbremse hat etwas viel Leerweg bzw. ist mir der Hebel zu tief. Und die sportlichen Griffschalen bieten spürbar weniger Windschutz als meine gewohnten, sind aber auf dem gleichen robusten Träger.
585 km heute