Sardinien 2020 über schön

  • #1

    Sardinien! Liegt da im Mittelmeer rum und ich war noch nie da, dabei habe ich seit 14 Jahren einen Motorradführerschein. Ein unhaltbarer Zustand! Die Eckpunkte der Reiseplanung ergeben sich schnell. Ich will den Passknacker Landespreis in Sardinien, also alle 65 Passknackerpunkte in Sardinien besuchen, das sind Höhenübergänge und hohe Sackgassen. Die Routenplanung ergibt 6 Fahrtage in Sardinien mit 2 Basislagern (Fewo Elini im Osten und BNB Ozieri im Norden). Ich nehme mein eigenes Motorrad, statt zu fliegen und zu mieten. Beide Fähren wähle nachts, und den nördlichsten Hafen in Italien (Genua). Ich plane je 2 Tage für An- und Abreise auf Achse über "schön", schließlich habe ich Urlaubstage extra, keine Anhängerkupplung am Auto, und mein Auto frisst auch mehr Sprit als zwei Motorräder zusammen. Achso, die Grundidee ist wieder mal 1. Motorrad fahren, 2. Motorrad fahren und 3. MOTORRAD FAHREN!! Kultur, Kulinarik und Badespaß sind was für eine andere Gelegenheit. Unterkünfte so günstig wie möglich mit eigenem Bad und gewissen hygienischen Ansprüchen. Fähren mit Kabine.


    Die Planung klappt gut, bis auf die Passknackerpunkte im Südwesten der Insel. Die liegen so weit ab vom Rest, dass man eigentlich noch eine Unterkunft bräuchte, nur für eine Nacht. Ooooder, man nimmt die auf der Überführungsetappe mit, und damit dafür in Kauf, dass diese brutal lang wird. Da läuft man sehenden Auges ins Messer bzw. in eine Mörderetappe, aber hey, ohne Fleiß kein Preis.


    Übersicht Gesamtroute, 3300 km nur zwischen den Unterkünften.


    Da meine übliche Frankreich/Italien-Reisegruppe dieses Jahr irgendwie schwächelt, muss 'ne neue Party her. Die Verkündigung meiner Reiseidee in den üblichen verdächtigen Foren ruft Herrn Freakshow auf den Plan, ein freundlicher Zeitgenosse aus dem MO24-Forum, den ich vorher noch nie getroffen habe. Er hat 'ne Aprilia Tuono V4 1100 dabei und wird von einem gemeinsamen Bekannten so beschrieben, dass ich interessiert bin. Aber Hallo! Leider decken sich unsere Reisetermine nicht ganz, so dass wir eher in Sardinien abklatschen, aber besser als alleine.


    Für diese Reise möchte ich die MT-09 nutzen, denn hier ist grenzenloser Kurvenspaß im Ausland gefragt. Leider steht die MT-09 gerade auf frischen Sportreifen, und zumindest mit dem hinteren brauche ich es gar nicht erst zu versuchen, bis Sardinien oder gar wieder zurück zu kommen. Da ich schon länger einen zweiten Radsatz für MT-09 will schlage ich zu, kaufe eine gelbe Felge, lasse sie blau lackieren, und lasse dort einen bereits über den Winter günstig organisierten CRA3 aufziehen. Jawoll, Mischbereifung - mache ich immer so, hat mit dem Pilot Power 3 auch einwandfrei funktioniert. Das sorgt dafür, dass beide Reifen ungefähr gleichzeitig hinüber sind, wodurch man nur halb so oft zum Reifenhändler muss (VH, VH statt H, V, H, VH). Ich wollte eigentlich wieder mit Topcase auf der MT-09 fahren, aber ein komplexes Einzelteil meines Spezial-Topcaseträgers ließ sich einfach nicht auffinden und auch nicht anderweitig besorgen. Dann habe ich meinen treuen Tankrucksack als Hecktasche probiert, bewährt auf diversen Kanaren-Trips, das reicht aber nicht für die Bandbreite an Kleidung, die man so braucht, wenn man mit dem Motorrad über die Alpen will: 5° in der Schweiz bis 30° in Sardinien. Und so wurde es wieder die gute alte Packrolle, die eigentlich zu groß ist. Damit sie nicht beidseitig schlapp von der Sitzbank runterhängt, kamen Soziusgriffe ans Heck und eine maßgeschneiderte Holzplatte in die Packrolle. Beides nicht ideal, aber funktional. Die MT-09 trägt noch die erste Kette und hat 17500 km gelaufen. Das ist verdächtig lange für meine Verhältnisse, sieht aber noch gut aus. Ich wollte aber mal eine kürzere Übersetzung probieren, also kam ein neues Ritzel drauf - mit freundlicher Unterstützung des Dorfschmieds.


    Die Vorbereitung zog sich durch diverse Dienstleisterpannen (Felgenverkäufer, Lackierer, Reifenmonteur) und meine Schusseligkeit im Umgang mit dem Topcaseträger leider bis zum Vorabend der Abreise hin, was echt nicht schön war. Und dann sprang auch noch kurzfristig wegen Krankheit eine sehr interessierte Mitreisewillige ab.


    Auch Corona hat auch mir in die Reiseplanung eingegriffen, zwei von fünf gebuchten Unterkünften haben mir abgesagt und die sardische Regierung eierte bzgl. Einreise heftig rum, aber dann hat's doch geklappt - man kann ja einfach abwarten und andere Unterkünfte buchen ;)


    Und dann sind da noch die Fähren, die quasi Eckpunkte der Planung schlechthin sind. Wann die Dinger fahren und was das kostet, kriegt man gerade noch raus, aber jegliche weiteren Details sind anscheinend Herrschaftswissen. Die Webseite sagt nur "Fahr mit unseren Fähren, sie sind sehr gut!". Nicht ideal, wenn man sowas zum ersten Mal macht.


    Und dann ist da noch die Liebe! Kaum sind die bayerischen Corona-Beschränkungen vorbei, schon hat man Schmetterlinge im Bauch und will nicht mehr alleine durch die Welt gehen. Die frisch gebackene Miss Blahwas sieht das ähnlich, aber nach Sardinien zieht’s mich trotzdem. Alleine, aber öfter am Handy als sonst...


    Do 18.6. Nürnberg-Widnau


    Das Pony wird schon den Abend zuvor vorbereitet und lauert ab schon ab Mittag fertig gepackt in der Garage...



    Ein paar Meetings im Home Office ziehen sich hin, aber 17 Uhr wollen alle Feierabend machen. Also flugs rein in die Klamotten, rauf aufs Pony und los geht's! Autobahn, Autobahn, Autobahn. Dann nach Österreich rein, weiter Autobahn, die neuerdings mautfreie Autobahn an Bregenz vorbei (holperiger Tunnel) und danach rechts ab in die Schweiz. Freundlich dem Grenzer nicken und rein ins BNB "Fai's Guesthouse", aka "Bruchbude". Es ist niemand da, um mich rein zu lassen. Also anrufen, und die freundliche Asiatin kommt sofort. Sie kann kein Deutsch. Funktioniert hat das BNB, günstig war es auch, dass man sich das Bad teilt war mir vorher jedoch nicht klar. Manche Wirte lassen im Sommer tagsüber die Fenster zu und man hat Hitze in der Bude, er hier lässt die Fenster offen und das Licht abends an, so habe ich Mücken in der Bude. Aber was will man für 44 Euro in der Schweiz erwarten. Merkwürdigerweise ist der Sprit teurer als daheim - was'n da los? Was soll’s, ein funktionaler Einstieg in den Urlaub. Abendessen habe ich dabei.



    Fr 19.6. Widnau-Cislago


    6 Uhr aufstehen, 7 Uhr Abfahrt. Es geht durchs Engadin. Es sind Schauer angesagt für den Schweizer Teil der Route und Sonnenschein für den italienischen. Es geht ohne Mautstrecken südlich im ländlichen Berufsverkehr, schön anständig, wir sind hier in der Schweiz. Der erste Wegpunkt liegt in Liechtenstein, der alte Tunnel. Wegen einer Baustelle geht's eigentlich nicht weiter, aber man fährt einfach dort rein, wo andauernd Autos rauskommen. Merkwürdigerweise müssen auch im Finanzdienstleisterparadies Liechtenstein manche Leute morgens zur Arbeit fahren. Es ist regnerisch und recht feucht, aber man hat echt schöne Landschaften.




    Dann geht's östlich in die Alpen rein. Hier findet man zügig Höhenmeter, und büßt dafür bei der Temperaturanzeige. Da werden aus 10° dann schnell mal 4°. Dass der Reißverschluss meiner alten Regenjacke – die mit dem günstigeren Packmaß - nicht ganz funktioniert, hilft nicht wirklich. Meine Route deckt sich ziemlich mit der "Grand Tour" und verläuft entlang des Engadiner Hochtals, mit Abstechern zu den Umliegenden Pässe.


    Höchster Punkt heute


    Das taugt übrigens auch als Alternative zu einer Norwegenreise: Es sieht optisch recht ähnlich aus, es gibt Wasserflächen, Felsen, Flüsse, Wasserfälle in beliebiger Reihenfolge und Kombination und eine Fremdwährung, alles ist teuer; Bußgelder und manche Handytarife besonders. Also wie Norwegen, nur nicht so weit weg und nicht so weitläufig. Kann ich empfehlen!



    Ich behalte mir Kürzungen vor, ziehe aber trotz Kälte und Regenschauern alles durch, außer den Abstecher zum Berninapass: Der ist sehr verkehrsreich und wegen Baustelle irgendwo und irgendwie von irgendwann bis kurz danach gesperrt. Baustellenampeln hatte ich heute schon reichlich. Tipp: Fahrt lieber im Herbst in die Alpen, dann sind zumindest die Bauarbeiten schon fertig, die nur Winterschäden beheben, und die Sommertouristen sind wieder daheim.


    Kaum ist man in Italien, scheint die Sonne. Und dann geht's auch schon in die diversen vierspurigen Tunnel, den Comer See entlang. Ein eiliger Einheimischer führt mich sicher durch den Schilderwald. Das geht mir fast zu schnell, Anfunktszeit 16:00, und so biege ich ab zur Alpe Guimello. Dahin führen diverse Bergstraßen 1. bis 3. Ordnung. Noch schicker wird's am Passo Agueglio, denn dort hat man Sicht auf den Comer See.



    Dann wieder in den Tunnel rein und mit Autobahnen, aber ohne Maut zur Unterkunft. So gleitet man elegant durch den Berufsverkehr und wundert sich, warum es hier eigentlich so wenig Ampeln gibt - ich vermisse die Scheißdinger aber auch überhaupt nicht. Kreisverkehre mit halbwegs aufmerksamen Verkehrsteilnehmern sind in allem überlegen, und Motorradfahrer kriege in Italien 'ne Extrawurst.


    Mein BNB in Cislago ist optisch von außen wieder Bruchbude, und es ist niemand da, um mich rein zu lassen. Also anrufen, warten, und nochmal anrufen, und dann kommt jemand, aber ich kann kein italienisch. Mit Händen und Füßen finden wir mein Zimmer, aber der Wifi-Schlüssel bleibt in Dunkeln. Das klärt eine SMS. Innen ist die Bude modernisiert und schön groß (4 Betten in zwei Zimmern, ebenerdige Dusche). Das passt!


    567 km heute und alles von 3° bis 33°

    2 Mal editiert, zuletzt von blahwas ()

  • #2

    Sa 20.6. Cislago-Genua


    6:30 aufstehen, 7:30 Abfahrt nach einem kleinen Frühstück mit meinen besten Resten von gestern. Ich bin in der Po-Ebene und es ist eitel Sonnenschein angesagt. Da wandern sämtliche wärmende oder wasserdichte Schichten und Überzieher in die Packrolle, außer die Membran-Innenjacke meiner Revit Sand-Jacke - und das auch nur, weil ich ein Naked Bike habe. Unter 20° wäre es sonst zu kalt.


    Die Poebene will ich möglichst schnell überqueren, sogar mit Mautobahn. Das Wort habe ich mir gerade ausgedacht, für mautpflichtige Autobahnabschnitte, und ihr dürft es alle gern lizenzfrei verwenden ;) Wichtige Erkenntnis für mich: Beim pubertären Durchladen nach Mautstationen sollte man drauf achten, den Klapphelm VORHER zu schließen, sonst zieht’s arg an der Rübe auf dieser nackten Kanonenkugel.


    Dann mache ich über die Passknackerpunkte im Hinterland von Genua her. Ich mache dort weiter, wo ich vor 2 Jahren aufgehört habe, weil erst ein Mitfahrer eine Reifenpanne hatte, und dann gab's auch noch ein Unwetter. So ist der Passo Penice mein erstes Zwischenziel. Ja, ich mag alberne Namen.



    Die Landschaft ist nett anzusehen, die Straßen sind kurvig, aber der Straßenzustand ist schlecht. Ich gebe ja ungern den besserwisserischen Deutschen, aber in Deutschland würde man solche Straßen sperren. Oder gar nicht erst bauen. Schlaglöcher bis 3 Meter Durchmesser, meterlange Absackungen bis 15 cm, immer wieder Kies auf der Straße, und dazwischen wie zum Hohn einfach mal rauer und griffiger Belag. Jede Unkonzentriertheit wird bestraft. Notfalls auch mit dem Tod. Wach bleiben heißt die Devise. So wandert ein Pass um den anderen in den Köcher. Wir bewegen uns hier übrigens immerhin auf über 1300 Höhenmetern. Alle 5 Minuten sehe ich ein Auto und alle 30 Minuten ein Motorrad. Oft durch Wald, manchmal durch Bergdörfer. In den Tälern gibt es auch Bundesstraßen, aber die interessieren mich im Moment nicht.



    Auf den Hauptstrecken ist der Belag anständig und teilweise sogar neu. Da tummeln sich dann plötzlich auch andere Motorradfahrer - logisch, ist ja ein sonniger Samstag heute. Gefahren wird recht viel neue Hardware, und natürlich gerne Ducati. Schilder sind dekorative Elemente, Fahrbahnmarkierungen gelten nur für die anderen, so wie man das aus Südeuropa halt kennt und vielleicht auch, mehr oder weniger heimlich, schätzt. Ich wundere mich derweil über eine niegelnagelneue Yamaha R1, samt Fahrer im Lederanzug, die sich an einer Baustellenampel vor mich stellt, danach drei Harleys überholt und dann aber sofort vom Gas geht, als hätte er 'ne A2-Drossel und nagelneue nicht angefahrene Reifen verbaut. Da freut man sich dann, 115 statt 64 PS dabei zu haben und geht einfach bei nächster Gelegenheit vorbei, um sich nicht noch mehr Kurven zuparken zu lassen. Leute gibt's.


    Ich merke schnell, dass ich zu früh mit der Tour fertig werde. Da hilft auch kein Umweg über die einzigen beiden anderen Passknackerpunkte entlang der Route. Merke, bei der Routenplanung für Italien: Die Routenplaner gehen bei der Fahrzeit von fehlerhaften Tempolimits aus bzw. nicht von praktisch existierenden. So suche ich mir eine Waschbox per Google Maps und tippe die Adresse ins Navi als Wegpunkt. Einkehren zum Essen am Bikertreff, na klar: Panini und Coke Zero, außerdem Moppeds glotzen. Irgendwie hilft das alles nicht und ich frage einen daheim gebliebenen Freund (Wink!), ob er für mich Reisebüro spielen mag um mir die Zeit zu vertreiben: Er nennt mir einen Ortsnamen an einem See. Da fahre ich dann einfach mal hin, warum auch nicht? Ich komme zwar nicht bis zum See, und die Straße ist wegen Baustelle heute Sackgasse, dafür habe ich sie für mich alleine, und vor allem war da 'ne geöffnete Eisdiele mit beschatteten und teilweise besetztem Außenbereich in einer Ortschaft. Hatten wir eigentlich schon Eis essen in Italien? Ne, dann aber flott ran da! Lecker war's, und der Helm kriegt danach auch noch 'ne Wäsche - Durchblick, und so.


    Nach Genua rein suche ich mir noch eine Waschbox und einen Supermarkt. Ich lasse an der Ampel einer KTM hinter mir den Vortritt und hänge mich mal dran. Dann zeigt das Navi rechts abbiegen an, ich biege elegant ab ohne den nachfolgenden Verkehr zu behindern, und wundere mich dann doch, warum mein Vorderrad dabei nicht mehr mitspielen möchte. Kurz danach habe ich wieder Grip und bin erfolgreich abgebogen. Der Blick zurück im Zorn erkennt einen dunklen Streifen, 40 cm breit, zwischen Haupt- und Nebenstraße. Ein anderer Straßenbelag reicht aus, dir den Tag zu versauen, selbst wenn du gerade nicht meinst, besonders böse unterwegs zu sein. Da war sie wieder, die Unkonzentriertheit. Sie ist eine schlechte Begleiterin. Die Waschbox ist nicht aufzufinden, und der Supermarkt ist ein DESPAR Express mit so wenig Auswahl, dass ich nur eine Packung Tuc finde. Immerhin, salzig, hilft bei Hitze. Volltanken geht auch noch mal, dann muss ich morgen früh in Sardinien nicht.


    Dann geht's durch Genua zum Hafen. Da hänge ich mich wieder an offensichtlich ortskundige Rollerfahrer an, um niemanden mit einer auswärtigen Fahrweise zu irritieren. Das Navi findet den Weg und am Ende hilft auch die Beschilderung. Der Zoll möchte mein Ticket sehen, das ich daheim ausgedruckt habe. Eine andere Behörde möchte mein Ticket und die Coronoa-Selbstauskunft sehen, die ich daheim online abgegeben habe, und die ich als Beleg ausgedruckt habe. Alle sind zufrieden. Die Fährgesellschaft möchte mein Ticket sehen und gibt mir eine Bordkarte. Dann fährt man vor bis zur Fähre, Terminal 3, und wartet. Freundlicherweise ist schon ein anderer deutscher Motorradfahrer da, und ich habe wen zum Quatschen. Was es an Fährhäfen eher nicht gibt sind Schatten und WC, aber hier stehen einige LKW-Anhänger schon sehr lange seitlich dicht an der Warteschlange hinter einer Beton-Planke. Ideal für die kleine Abkühlung zwischendurch. Aus den Autos müssen alle außer den Fahrern aussteigen und zu Fuß auf die Fähre, damit per Laser auf Stirn Fieber gemessen werden kann. Bei den Motorradfahrern kann auch an der Handflächeninnenseite gemessen werden. Noch mal Bordkarte vorzeigen, und ab aufs Schiff - nach den Autos, aber dafür nah an der Ausfahrt. Das macht Hoffnung auf einen schnellen Start. Laut meiner Bekanntschaft mit Sardinien-Erfahrung hier ist die Fähre nicht mal zu 1/3 voll. Es sind insgesamt 4 Motorräder hier, er hat auch schon 800 Motorräder auf der Fähre gesehen (in der Pfingstwoche).


    In der Fähre wird geparkt, ich nehme alles Gepäck mit, andere lassen einiges zurück oder gar den Helm am Spiegel baumeln. 3 Stockwerke weiter oben gibt es eine Art Check-In, wo man die Bordkarte zeigt und dafür Schlüsselkarten kriegt und einen Wink in den richtigen Flur. Meine Kabine ist schnell gefunden und ich bin echt froh, als ich alles drinnen habe und die Tür hinter mir schließe. Es ist angenehm klimatisiert, ich habe ein eigenes Bad mit Dusche und WC, und von drei 3 Liegen sind 2 hochgeklappt. Eine davon klappe ich wieder runter, damit ich eine geräumige Sitzgelegenheit habe. Alles nur für mich! Der Aufpreis hat sich aus meiner Sicht gelohnt: 120 Euro für eine 12,5-stündige Überfahrt mit Übernachtung. Eine Übernachtung in Italien würden eh schon 45 Euro kosten - da kann ich nicht meckern.


    Nach der Dusche gucke ich mich etwas auf dem Schiff um und treffe meinen neuen Motorradkumpel wieder. Gemeinsam essen wir zu Abend Baguette und kaufen Wasser. Irgendwie ist meine Ernährung aktuell etwas brotlastig. 1 Liter Wasser kostet 3,80 Euro, da ist günstiger als im Flughafen, aber ich hätte doch vorher noch einen großen Supermarkt besuchen sollen. Dann genießen wir die Aussicht beim Ablegen des Schiffs, verschicken die letzten Nachrichten und schalten die Handies in den Flugmodus, denn Netz gibt's auf der Fähre nur für teuer Geld, denn die Roaming-Regulierung greift hier nicht. Miss Blahwas freut sich über Seflies, da müsst ihr jetzt also durch. Immerhin nicht ungeschützt.



    Und dann geht auch schon das Licht aus.


    Nur 265 km heute, aber besser Puffer als Hektik vor der Fähre

  • #3

    So 21.6. Ankunft in Sardinien, Olbia-Elini


    Ich kann in der Fähre ganz gut schlafen. Das Geschaukel beruhigt sich bald und ich kriege nicht mal mit, dass wir schon im Zielhafen Olbia liegen. Durchsagen verkünden weiterhin nur, dass der Geschenkeshop offen hat, und dass man bitte am Platz bleiben soll, bis man aufgerufen wird. Ich packe bequem meine 700 Sachen in die Rolle und werde auch nicht hektisch, als die Fahrzeuge von Deck 3 aufgerufen werden. Rolle aufs Mopped, rein in die Klamotten, runter rollen - Fiebermessen mit Laser im Gesicht, gute Fahrt, und dann bin ich schon raus aus dem Hafen. Bin ich jetzt schon drin, oder was? Palmen, Sicht aufs Meer und auf Berge: Klarer Fall, ich bin jetzt auf Sardinien! Es ist 8 Uhr morgens und ich sitze erholt auf meinem Motorrad, mein Navi führt mich zum nächsten Passknackerpunkt, dann zum nächsten, usw., und dann schließlich zu Hotel. Besser geht's eigentlich nicht - außer ich springe samt Motorrad aus dem Flugzeug, beide mit Fallschirmen, setze mich im Sinkflug drauf und starte schon mal den Motor. Vielleicht nächstes Mal. Nachtfähre ist 'ne prima Erfindung. Ich habe zwei Unterkünfte in Sardinien. Die erste ist in Elini im Osten der Insel. So sieht der Plan für heute aus:



    Die Routenplanungssoftware hat mit 6 Stunden Fahrzeit gerechnet. Das Navi geht eher von 8 Stunden aus. Aber schon nach 30 Minuten Fahrt, teilweise auf einer Schnellstraße, sind davon nur noch 7 Stunden übrig. Das wäre dann wieder das Problem an Routenlängenplanung in Italien... Es ist mein erster Tag auf Sardinien, aber ich bin schon begeistert. Aussichten und Landschaft sind Klasse, und die Straßenführung ist Weltklasse.




    Mag hier jemand Schotter?


    Der Straßenzustand schwankt stark, aber da wo wie Straßen gut sind, z.B. auf Kilometerlangen Wedelstrecken, da sind die Kurven nicht nur griffig und einsehbar, sondern auch überhöht. Steilkurven! Das kommt wie gerufen für meine MT-09, deren Fußrasten bisher sehr leiden mussten.


    Schattige Pause


    Es ist ein Fest. Dass sonst nichts los ist und kaum jemand hier fährt ist ebenfalls angenehm, zumindest für mich. Die Straßen sind alle schön, aber die SS125 ist mit die schönste heute. Da verblassen die Alpen, gerade weil überhaupt kein Betrieb ist.



    Trotz zahlreichen Pausen erreiche ich schon gegen 14:30 Uhr meine Unterkunft, eine Ferienwohnung. Sie ist optisch von außen modern, und es niemand da, um mich rein zu lassen. Also anrufen, Handy aus, SMS schreiben, warten, und dann kommt jemand. Ich kann kein italienisch, aber er kann Englisch. Er erklärt mir alles. Der Wifi-Schlüssel steht an der Tür, und das WLAN, das fast so heißt wie auf dem Zettel beschrieben lässt mich rein - und ich lande auf der Konfigurationsseite des Routers. Innen ist die Bude top modern eingerichtet und schön groß (2 Betten in, Wohnküche, sehr große ebenerdige Dusche). Das passt sehr! Das Motorrad darf noch in die Garage, und dann ist bei mir Auspacken, Katzenwäsche und Nickerchen angesagt. Die vielen Kurven kosten Konzentration.


    Gegen 18 Uhr wird mir langweilig, also fahre ich Richtung Strand und wasche noch mein Motorrad unterwegs. Der Strand ist ganz nett, aber ich bin nicht so recht der Strand-Typ. Strandposingfoto muss trotzdem sein ;)



    Es haben ein paar Restaurants geöffnet, aber überall wäre ich der erste Gast. Das ist mir suspekt. Eine kurze Recherche ergibt, dass man in Italien erst spät abends essen geht, so ab 20:30. Na dann wieder nach Hause, über schön fahren macht erholt noch mehr Spaß, und auf den Abend freuen.


    Um 20:30 setze ich mich aufs Motorrad und fahre ein Dorf weiter, wo zwei Restaurants sind. Das erste hat geschlossen, das zweite sieht leer aus, bis auf den Koch? Anhalten, Blickkontakt, schaufelnde Handbewegung zum Mund hin machen, freudiges Nicken ernten: Hier bin ich richtig. Ich bin zwar wieder der erste Gast, aber die Pizza schmeckt und das Eis auch. So satt war ich lange nicht mehr. Der Wirt ist traurig, dass wegen Corona keine Touristen da sind. Offen hat er trotzdem, inklusive einer sehr großen Bandbreite an angebotenen Speisen. Das erklärt die leeren Restaurants. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das rechnet, und ausgerechnet ich Hungerhaken (77 kg bei 190 cm) werde ihn wohl nicht retten können. Dafür habe ich heute Abend quasi einen persönlichen Butler. Vollgefressen geht's in die Laken, dazwischen beißen mich noch ein paar Schnaken...


    321 km geplante und sehr unterhaltsame km heute und danach endlich ein paar ohne Gepäck :)

  • #4

    Mo 22.6. Tagestour Osten 1


    Für mich überraschend ist bei meiner Ferienwohnung das Frühstück mit dabei. Ich wusste nicht, dass die Fewo zur Bar gehört, die 20 Meter weiter liegt. Das ist natürlich eine ideale Kombination. Wegen Corona, und vielleicht auch weil ich der einzige Gast bin, habe ich mein persönliches Buffet am Tisch, das locker für 3-4 Leute reichen würde. So mampfe ich mir den Magen voll und der Wirt legt auch noch eine MotoGP-DVD auf den Fernseher in der Bar. So kann der Tag für eine weitere Rundtour beginnen.



    Ich hatte zwar gestern Abend Langeweile, aber ans Tanken habe ich nicht gedacht. So starte ich heute früh schon 2 km auf Reserve. Macht nichts, da kommt ja bald eine Tankstelle, sagt das Navi. 15 km weiter ist da auch eine Tankstelle. Da stehen auch Autos an den Zapfsäulen - allerdings sind keine Menschen zu sehen. Wer parkt denn bitte an einer Zapfsäule? Als ich das wuchernde Unkraut allgemein und den verstaubten Bezahl-Automaten mit dem trüben Display sehe dämmert es mir: Hier wird heute nicht getankt, und hier wurde auch gestern nicht getankt. Mist. Dann frage ich als nächstes Mal nicht das Navi mit dem veralteten Kartenstand, sondern Google Maps - Handynetz hat man hier ja. 15 km weiter ist eine Tankstelle, die "geöffnet" markiert ist. Prima, das sind dann zwar schon 40 km auf Reserve, 2,5 Liter bei 5,5 Liter Verbrauch, aber ich hatte in Frankreich auch schon mal 44 km auf Reserve. Auch diese Tankstelle ist mitten im Ort, und auch hier sind alle Zapfsäulen belegt - und auch keine Menschen zu sehen. Schöne Scheiße! Ich rolle ran, eine Passantin spricht mich an: Hier nix Tanken. Ich hole mein Handy raus und zeige ihr die nächsten Alternativen auf der Karte. Mit Hand und Fuß erklärt sie mir, welche die nächste tatsächlich offene Tankstelle ist: 12 km entfernt in Tertenia. Superscheiße. Aber ich habe nicht wirklich eine Wahl, außer bei Autowerkstätten und Rasenmäherbesitzern betteln gehen. Aber noch habe ich Hoffnung, immerhin müsste es größtenteils bergab gehen.


    Naja, nee. Es ging nur am Anfang bergab, danach kerzengerade topfebene Bundesstraße, wo man echt nicht rumstehen will. Inzwischen hat's natürlich auch 30°, an Schieben ist nicht zu denken. Ich rolle im 6. Gang mit 90 km/h entlang und hoffe und bete, dass die Dämpfe noch reichen mögen. So sind sogar langweilige Strecken interessant! Außerdem komme ich noch an einem nicht für heute geplanten Passknacker vorbei, so dass der Umweg doch etwas Sinn hat. Tatsächlich schaffe ich es zur Tanke, und hier wird auch gerade getankt. Da stehen 55 km auf dem km-Zähler der Reserve. Erleichterung!



    Aber nur kurz! Typisch Italien gibt es eine Säule mit zwei Seiten: Rechts mit Bedienung (20 ct pro Liter Aufpreis), links Selbstbedienung. Ich fahre nach links und nehme die Zapfpistole - wenn eine Bedienung anwesend ist, zahlt man dort normalerweise nach dem Tanken. Die Zapfsäule zeigt Null, liefert aber nix. Ich gehe zur Bedienung hin, die sich wieder im Häuschen verkrümelt hat, um gelangweilt aufs Handy zu starren, und sie zu bitten, die Säule zu entriegeln. Nein, das geht nicht, ich soll am Automaten zahlen. Okay, dann halt zum Automaten. Er steht mitten in der Sonne, die aufs Display knallt. Ich kann Computer und habe gute Augen und würde sagen: Das Display ist aus. Drückt man die Zapfsäulentaste, passiert nichts. Schiebt man die Kreditkarte rein, zeigt das LCD Display irgendwas an und schiebt sie dann wieder raus. Schiebt man einen Geldschein rein, passiert erst nichts, dann schiebt der Automat ihn wieder raus. Bar am Automaten tanken ist eh scheiße, weil er nicht wechselt - also entweder wird der Tank nicht voll, oder man verschenkt Geld. Zum Glück hätte ich einen halbwegs passenden 20 Euro-Schein für meinen 14 Liter-Tank zu 1,40 Euro.

    Na klasse. Tanken in Italien ist immer Abenteuer. Mich leicht genötigt fühlend fahre ich zur anderen Seite der Säule und lasse mich bedienen. Und dann auch richtig. Nein, der Tank ist noch nicht voll. Nein, voll bitte. Am Ende gehen 13,94 Liter in den 14 Liter-Tank, und nichts davon tropft auf den Boden. Maßarbeit! Und unverschämt teuer, aber dafür war ich auch unfreundlich - ätsch!


    So, jetzt aber wieder zurück zur Route. Dafür muss ich fast den gleichen Weg zurück und dann wird's auch wieder richtig schön. Die Straßen schlängeln sich durch die Landschaft, als wären sie nur für mich gebaut. Mittlerweile klappen die Fußrasten auch in den Steilkurven ein, und ich versuche gar nicht mehr, die Landschaft zu fotografieren. Egal wo man anhält zum Fotografieren - drei Kurven weiter ist es noch schöner.




    Ich sammle Passknackerpunkte und pfeife durch die Landschaft wie der Wind. Dabei begegne ich mehr Tieren als Autos. Es ist wirklich krass, wie leer die Straßen hier sind. Der Vergleich zu Andalusien drängt sich immer wieder auf. Hier im Inneren der Insel scheint auch die Landschaft manchmal ähnlich zu sein, aber doch irgendwie anders. So oder so, es ist bezaubernd. Nur eine Panne oder gar einen Sturz möchte man da nicht haben.


    Diverse Ortsdurchfahrten sind künstlerisch gestaltet.


    Kurios war noch eine Fahrpause, zu der ich am Straßenrand anhalte. Erst nach dem Absteigen sehe ich 20 Meter weiter vier Kühe auf der Straße stehen. Die haben die Brücke hinter der Kurve für sich in Beschlag genommen. Ohne Pause wäre ich da mit 90 km/h angekommen. Immer in Sichtweite anhalten könne, hier wichtiger denn je - bisher hat's geklappt, aber die Unkonzentriertheit lauert in jeder Ecke der Straße und des Kopfes.



    Darum mache ich öfters Pause am Wegesrand, und trinke Isotonisches. Das Isotonische wird langsam alle, also im nächsten Ort einen Supermarkt suchen und nachkaufen, auch gleich für morgen. Dafür fährt heute auch eine Hecktasche mit. Und dann war da noch das Navi. Das Kartenmaterial ist nicht automatisch falsch, aber es geht von falschen Annahmen aus. Z.B. wenn zwei Straßen parallel verlaufen mit gleichem Tempolimit, dass dann die kürzere Strecke schneller ist. Oder dass bei gleich langen Strecken die mit dem höheren Tempolimit schneller ist. Das führt leider oft zu "Abkürzungen" durch irre enge, steile und verwinkelte Altstädte, oder über Maultierpfade, die gerade noch befestigt sind. Der routinierte Tourguide empfiehlt an der Stelle einfach einen Blick auf die Straße zu werfen und dann den Befehl zu verweigern, besonders wenn an der Kreuzung keine Wegweiser stehen. (Innerlich bereits protestierenden ehemaligen Mitfahrern, die so eine Abkürzung schon mitmachen mussten, sei gesagt, dass ich das wirklich öfters verweigere als durchziehe.)


    Und dann gibt es echte Kartenfehler, wenn eine Straße inzwischen nicht mehr öffentlich befahrbar ist. Das passiert mir heute: Navi möchte links abbiegen, aber da steht roter Kreis und „Strada privada“. Okay, weiter. Die nächste Links sieht verdächtig schmal aus, aber zumindest ist ein Wegweiser vorhanden. Okay, rein da. Es geht über einen Berg. Optisch nicht uninteressant.



    Dann kommt ein Tor. Okay, das ist unerwartet, aber es nicht verriegelt und kein Schild sagt irgendeinen Pieps, dass man hier nicht rein soll. Also rein da, und das Tor wieder schließen. Man fährt durch eine Art Camping-Wald, wo es schon kühl ist. Ganz nett, aber gespenstisch leer. Okay. Das Navi kennt hier nur eine Strecke, von der real aber sehr viele Waldwege abgehen. Und was im Navi eine Kurve ist, ist dann eine Kreuzung diverser Schotterpisten. Ich nehme diejenige, die zur Richtung passt. Der Weg wird natürlich schlechter, aber nicht so schlecht, dass ich Angst um den Krümmer haben müsste. Es geht auch recht steil den Berg runter, aber nicht so steil, dass ich nicht wieder hochkommen würde. Ich glaube aber nicht mehr wirklich dran, dass ich hier irgendwo raus komme, und ärgere mich vorsichtshalber schon mal über die verlorene Zeit. Und siehe, wo der Weg real eine Kehre macht, will das Navi geradeaus weiter, nur das da real ein zugekettetes Tor steht, und dahinter ist der Weg bereits so überwuchert, dass man zu Fuß eine Machete bräuchte.



    Ich habe aber weder "Universalschlüssel" noch Machete dabei, also lassen wir das. Ein Blick in Openstreetmap (hätte ich gleich an der Kreuzung machen sollen) offenbart, dass der andere Wege von der Kehre auch nicht bald besser wird. Und so fahre ich den ganzen Stuss wieder zurück. Schotter-Abenteuer: Haken dran. Wichtig dabei, nicht umfallen, denn hier kommt einem niemand so schnell zur Hilfe. Zurück auf der Straße sind es dann halt 20 km Umweg zur imaginären Navi-Route, aber hey. Ich bin hier so weit vom Schuss, dass auch die SP-Straße holprig und rutschig ist. Die Ankunftszeit weigert sich wegen dieser Nummer jedenfalls, zu schrumpfen, wie sie es die Tage zuvor getan hat. Nicht mal auf die Unzuverlässigkeit ist Verlass...


    Die SP389 ist noch ganz interessant, da fährt man auf einem breiten Teilstück an einem Felsen vorbei, dann wird's etwas staubig auf dem Asphalt, und dann rollt man Kilometer später auf eine Leitplanke über die ganze Breite zu. Freundlicherweise ist links bereits ein 3 Meter breiter Schotterweg vorbei an der Sperrung angelegt. Warum auch immer. Auf der Rückseite der Leitplanke das kreisrunde weiße Schild mit rotem Rand. Leider kann ich kein Italienisch und weiß nicht was das bedeutet. Vielleicht ein verblasstes Tempolimit? Aber nur in eine Richtung? Kurios.


    Aus heute gelernt und schon an morgen dacht, wird heute Abend der Tank vollgemacht. Auch hier sind wieder zwei Versuche nötig, bis eine Tankstelle offen hat. Gut, dass wir verglichen haben. Am Ende sind es 400 km, die Hände tun weh, aber es ist einfach das Paradies hier. Zum Abendessen bin ich der einzige Gast bei einem Restaurant in der Nähe und werde extra liebevoll bedient. Die Pizza schmeckt.

  • #5

    Di 23.6. Tagestour Osten 2


    Heute reist Herr Freakshow an, ein freundlicher Zeitgenosse aus dem MO24-Forum, den ich vorher noch nie getroffen habe. Er hat 'ne Aprilia Tuono V4 1100 dabei und wird von einem gemeinsamen Bekannten so beschrieben, dass ich interessiert bin. Dass ich mir nur wegen dieser Begegnung ein kleineres Ritzel montiert, habe möchte ich aber entschieden (und überspezifisch) dementieren. Wegen der Extrarunde gestern kann ich einen Wegpunkt aus der Tour werfen und habe damit heute nur 300 km!



    Das trifft sich gut, ich schone mich heute gern, denn morgen droht die Mörderetappe. Die Route ähnelt geografisch der von gestern. Wieder geht es über schönste Kurvenstrecken ohne Verkehr durch Traumlandschaften. Eigentlich geht's genau wie gestern weiter. Soll ich das gleiche nochmal schreiben? Vielleicht ergänze ich mal ein paar Allgemeinplätze. Ortschaften in den Bergen sind gerne...


    ...verwinkelt, ...


    ...und die Straßen sind eng.


    Die Aussichten sind wieder mal Spitzenklasse.




    Nachmittags ziehen gerne ein paar Wolken auf und drücken die Temperator von heißen 33° auf erfrischende 28°. Ein Träumchen!


    Am Wegesrand gibt's auch richtig putzige Tierchen. Ja, die Fotos habe ich primär für Miss Blahwas gemacht, da müsst ihr jetzt durch. Der Reiseleiter ist halt verliebt.



    Kurios ist ein älterer deutscher KTM-Super Adventure-Fahrer mit Sozia, den ich völlig normal überhole. Er sieht mich sogar kommen, fährt rechts und geht vom Gas. Bei meinem nächsten Fotostopp hält er neben mir, beschimpft mich für 2 Minuten, und fährt dann weiter. Natürlich in die gleiche Richtung wie ich. Was genau ihn jetzt gestört hat, konnte ich nicht ermitteln. KTM-Fahrer sind aber nicht mehr das, was sie mal waren. Achja, da er in die gleiche Richtung weitergefahren ist, laufe ich natürlich 30 Sekunden später wieder auf ihn auf, und überhole ihn erneut ganz normal. Vielleicht hat er eingebautes Überholverbot und ist sauer, dass ich das nicht respektiere? Oder man darf nicht schneller als er sein, weil er den Testsieger gekauft hat? Oder er hat Kraft seines deutschen Nummernschildes eine 50 Meter Schutzzone aus deutscher StVO um sich herum? Ich werde es wohl nie erfahren. Dass sich da einer auf den weiten Weg nach Sardinien gemacht hat, um dort dann andere zu belehren, das irritiert mich aber echt nachhaltig. Das erste Mal in Italien? Nur wegen dem Wetter dort? Oder bin eigentlich ich der Blöde, den sowas beschäftigt?


    Zwischendurch halte ich Max auf dem Laufenden, wo ich mich etwa bewege, und tatsächlich spricht mich bald ein Mann in Lederkombi mit Rucksack an, als ich anhalte, um auf dem Navi nach dem rechten Weg zu suchen.



    Max ist da! Freudige Begrüßung mit einer Runde Visierreiniger. Danach geht’s zügig in ein Cafe und wir teilen begeistert unsere Eindrücke dieser Insel. Den Rest des Tages fahren wir zusammen. Max hat eine eigene Fewo im gleichen Haus wie ich und fühlt sich dort sehr wohl. Eigentlich schade, dass wir nicht länger in Elini bleiben, die Fewo war klasse und mit 22 Euro am Tag inkl. Frühstück fast verdächtig günstig.


    Gemeinsam fahren wir durch Orgosolo, einen recht interessanten Ort. Bildungstipp: https://www.spiegel.de/geschic…-kuenstler-a-1111079.html

    Da kommt man auf dem Weg zum Passknacker Cantoniera Iannas vorbei. Im Ort gibt es sehr viele Wandmalereien, auch politische. Wir fahren aber lieber Motorrad.



    Auf den letzten Kilometern darf Max führen. Er zieht bald den Megazonk: Tempolimit 10 (ZEHN!) und ein Polizeiauto vor uns. Charakter wird unter Druck geformt.



    Den Abend verbringen wir im gleichen Restaurant, in dem ich gestern war, so dass der Wirt heute den doppelten Umsatz von gestern macht. Corona ist echt traurig für die Gewerbetreibenden dort, die auf Touristen angewiesen sind. Tapfer, dass er trotzdem jeden Tag öffnet. Ich wünsche alles Gute.

  • #6

    Mi 24.6. Überführung nach Ozieri - die Mörderetappe


    Wie schon angedroht dauert es heute etwas länger. Da morgens auch noch gepackt werden muss ist Disziplin nötig. Eine harte Prüfung für den ersten gemeinsamen Fahrtag. Das sieht auch Max so und klinkt sich aus. Er will möglichst wenig mit Gepäck fahren und fährt daher zuerst direkt zur neuen Unterkunft, und macht sich dann einen schönen Tag. Das kann ich vollständig nachvollziehen und wünsche einen angenehmen Tag. Wir halten uns per Whatsapp auf dem Laufenden. Ich starte pünktlich um 8 Uhr und beginne meine 580 km Etappe.



    Diese besteht aber aus viel Bundesstraßengebolze, so dass ich guter Dinge bin, es deutlich vor Einbruch der Dunkelheit ans Ziel zu schaffen. Es gibt mehr oder weniger 2/3 der Inselküste entlang. Seien wir ehrlich, hier an einem Tag durchzubraten ist Barbarei.



    Das sieht offensichtlich auch der Spielleiter so, denn die als Schnellstraße ausgebaute SS125 ist gesperrt. Man muss zur Umleitung über eine kurvige Bundesstraße. Das macht durchaus auch Spaß, birgt aber gewisse Risiken. Nach ein paar Minuten habe ich ein ungutes Gefühl. Auch der Gegenverkehr macht besorgte Gesten. Wenige Kurven später steht die Polizei am Wegesrand und unterhält sich vermutlich recht einseitig mit einem Autofahrer. Das Gewicht meines Heiligenscheins beim Passieren der Kontrollstelle erdrückt mich fast. Da ist es übrigens auch wieder hilfreich, wenn man keine Brülltüte montiert hat. Der erste Pass ist Valicu Arcu e Tidu und immerhin 430 Meter hoch. Abseits der Fernstraßen ist man wieder weitgehend alleine unterwegs.



    Danach muss ich an Cagliari vorbei, Hauptstadt Sardiniens mit 470.000 Einwohnern im Einzugsgebiet. Da es gegen 9 Uhr ist, habe ich hier sowas ähnliches wie Berufsverkehr, auch wenn ich mich tangential zur Stadt bewege. An einer Autoschlange vor einer Kreuzung fahre ich vorbei, weil ich nicht realisiere, dass sie dort wegen einer Ampel stehen. Ampel? Habe ich seit Tagen keine gesehen und irgendwie vergessen, dass es das gibt. Dann fahre ich eine Weile die Südküste entlang, was nett zu gucken aber auch verkehrsreich ist. Das lässt erst nach, als ich zum Nuraxi de Mesu, Valico rechts abbiege, zurück ins Innere der Insel. Einmal rechts ab geht’s zum Colle della Campanasissa. Dort wende ich, und fahre zum Cuccuru de sa Idda weiter.



    Vor Iglesias geht es nach Links, zur SP83, die sich mit toller Aussicht die westliche Steilküste entlang schlängelt, unterbrochen von Strand.



    Das ist echt wunderschön. Hier habe ich die ersten Wohnmobile dieses Urlaubs auf der Straße. Ohne Corona wären das sicher mehr. Montecani ist der höchste Punkt mit 425 Meter, aber wegen des Meeres fehlt es einem an nichts.



    Es ist mit Meer in der Sicht auch immer sofort erfrischend kühl, obwohl weder Thermometer noch Windgeschwindigkeit großartig abweichen. Der Physiker in mir ist verwirrt, freut sich aber über die Erfrischung. Der Passo Genna Bogai liegt nur wenig östlich von hier, aber man muss um die Berge außen rumfahren. Das geht südlich kürzer, aber ich will auch die nördliche Seite der Küstenstraße fahren - den Umweg gönne ich mir mal. Die Route ist zwar durchaus lang genug, aber die erwartete Ankunftszeit schmilzt ohnehin mit jedem Kilometer dahin. Auch die Nordseite ist sehr schön zu fahren. Der Passo Genna Bogai (SS126) ist eine Waldstrecke - die Küste ist schöner.



    Im nächsten Ort, Fluminimaggiore, raste ich bei Cola und Eis - Flüssigkeit, Kälte und Zucker tut gerade gut. Bei der Weiterfahrt erklärt mir entgegenkommender Einheimischer die Einbahnstraßenregelung mit einem Fingerzeig in eine sehr schmale Querstraße. Den Hinweis nehme ich dankend an. So schmal war das - kein Problem mit dem Motorrad.



    Auf dem Weg nach Guspini liegen noch 3 Punkte, und dann bin ich auch schon fast fertig. Zumindest mit Pässen, denn die restlichen 200 km habe ich nur noch 2 Stück, denn der Westen ist eher dünn bestück, und den Nordwesten schnappe mir mit einer Tagestour rund um meine neue Unterkunft und außerdem bei der Abreise. Der Vorteil hier auf der Insel an Überführungsetappe ist, dass man auch mal die netten Täler, Schluchten und Flussbetten entlang fahren kann. Auch dort geht's kurvig zu.



    Und dann fuhr ich an einer Tankstelle vorbei wo ich mir danach dachte, da hättest du jetzt eigentlich auch tanken können, hätte für den Rest von heute gereicht. Egal, die nächste Tankstelle kommt ja gleich. Die hatte aber kein Benzin, wie man auf den dritten Blick sieht. Da war ich bereits 22 km auf Reserve.



    Der Tankwart empfiehlt mir eine Tankstelle in der Richtung, aus der ich gerade komme - kommt mir bekannt vor. 12 km weiter sind aber laut Google und meinem Navi zwei Tankstellen, und eine davon wird ja wohl Benzin haben. Die erste hatte Benzin, mochte aber mein VISA-Karte nicht (Chip bäh!). Der clevere Bundesstraßenbrezer hat aber vorgesorgt, und kleine Scheine eingesteckt. 15 Euro nimmt der Automat und liefert dann auch Benzin für 15 Euro, also etwa 11 Liter, die dann auch alle reinpassen.


    Bevor es weitergeht, stelle ich bei genauerer Betrachtung fest, dass mein Navi Quatsch macht. Die letzten drei Pässe sind noch als Wegpunkte in der Übersicht zu sehen, und auch eine Route dorthin, aber er navigiert mich weiter auf meiner Route ans Ziel. Das ist so ziemlich der Horror auf so einem Passknacker-Trip, wenn man auf Vollständigkeit angewiesen ist. Ich prüfe genauestens, ob ich bei den dreien schon war, kann das bejahen, und entferne sie. Und schon habe ich eine Ankunftszeit von 18 Uhr. Wow. Das ist früher als gedacht.


    Es folgt ein kurzes Stück Bundesstraße, dann zwei Pässe. Nuraghe Friarosu und Grighini. Danach folgt viel Bundesstraße, und dann wieder eine Bergstrecke. Hinterher stelle ich fest, dass es eine minimal längere Bundesstraße gegeben hätte - die wäre mir angesichts der Gesamtlänge eigentlich auch lieber gewesen, aber hey, ich komme wohlbehalten in Ozieri an und habe auch noch die Muße, vollzutanken. Ozieri ist ein quicklebendiger Ort, der am Berg hängt. Es gibt mehrere Tankstellen, Supermärkte, Bars, Restaurants, und auch Reifenhändler fallen mir auf, denn mein Vorderreifen wimmert sich bereits abends leise in den Schlaf.


    Mein BNB in Ozieri (bzw. außerhalb davon) ist optisch von außen Villa eines verrückten Künstlers, und es ist auf den ersten Blick niemand da, um mich rein zu lassen. Also anrufen, es geht keiner ran. Ich laufe ums Haus rum und finde eine Klingel. Dann kommt jemand, der Englisch kann, und sagt, das BNB ist oben, im ersten Stock, nicht hier. Ich fahre nach oben, und finde keine Klingel. Ich gehe noch weiter ums Haus und finde eine offensichtliche riesige Treppe, wo oben BNB steht. Es hätte so einfach sein können! Klingeln, jemand kommt, sie kann kaum englisch, ich kein italienisch. Mit Händen und Füßen finden wir mein Zimmer, bzw. meine Suite, aber der Wifi-Schlüssel bleibt in Dunkeln.


    Das klärt eine SMS. Innen ist die Bude verwinkelt und kreativ eingerichtet. Das kann man auch mal machen. Unsere beiden Zimmer sind recht klein und wir teilen uns ein Bad. Bei Vollbelegung wären wir hier zu fünft – das wäre sicherlich zuviel. Wir sind wieder etwas außerhalb des Ortes und fahren deshalb mit den Motorrädern zum Supermarkt. Fürs Abendessen finden wir im Ort ein hippes Lokal, für mich gibt es Pasta Seafood – das wird ein Gemetzel.


  • #7

    Do 25.6. Tagestour Nordwestsardinien


    Heute fahre ich endlich mal eine Tagestour mit Max. Ich habe eine kurze Tour nur aus Passknackerpunkten vorbereitet (für schlechtes Wetter), und eine touristische, die minimal länger ist (für gutes Wetter). Wir nehmen natürlich die längere! Mit 330 km und 6 Stunden geplanter Fahrzeit ist sie eher kurz. Das darf aber ruhig auch mal sein. Mehr Zeit zum Quatschen, und gestern war es anstrengend.



    Als kleinen Scherz am Morgen frage ich nach der Wettervorhersage, denn es sind stabil morgen 20°, mittags 30°, trocken, morgens sonnig, mittags sonnig, und abends ein paar kleine Wölkchen. Ein Traum. Dass die Insel trotzdem grün ist, liegt an Grundwasserspeichern, die sich über den Winter auffüllen – dann regnet es auch mal.


    Unsere Tour ist nicht so lang, aber hat ein paar Überraschungen eingebaut. Das liegt natürlich daran, dass Passknackerpunkte oft das einsamste sind, was man noch legal mit Straßenfahrzeugen fahren kann. Da endet dann auch mal der Asphalt recht plötzlich, und es geht auf Schotter weiter. Freundlicherweise aber nur für 3 km. Leichter kurioserweise gibt es auf diesem besseren Trampelpfad dann einen beschrankten Bahnübergang, der aber sehr kurioserweise ohne Bahngleise auskommt.



    Das Schmalspur-Schienennetz ist wohl weitgehend nicht mehr in Betrieb. Max nimmt’s gelassen und bleibt den ganzen Tag hartnäckig und gelassen im Rückspiegel. Der Passknackerpunkt „Chiesa di Nostra Signora di Bonaria“ ist eine Sackgasse mit nahezu 360° Aussicht aus 720 Höhenmetern. Hin geht's nur über diese Kammstraße.



    Oben ist es perfekt für Posingfotos. Da darf ich auch mal auf der Aprilia sitzen. Nur fahren darf ich sie noch nicht.



    Eine richtig nette Strecke führt zum Scala Piccada. Hier haben wir den ersten unaufmerksamen Autofahrer vor uns, der Kurven schneidet. Zum Glück kein lang andauerndes Problem. Hier fahre ich voraus, und wundere mich dann bald, warum Max nicht mehr im Spiegel ist? Bisher war es sehr hartnäckig, und dabei völlig gelassen. Ich drehe lieber um. Er parkt am Kurvenausgang innen und steht neben dem Motorrad, beide sehen okay aus, aber er macht einen verwirrten Eindruck. Oha. Entwarnung, er hatte nur ein Insekt im Helm. Beruhigt geht es weiter, zum Start/Ziel dieser augenscheinlichen Bergrennstrecke. Posingfoto!



    Im weiteren Verlauf darf Max im Dienste seiner Konzentration auch mal vorfahren. Dabei fährt er mir einfach davon. Pöh! Danach geht es die westliche Steilküste entlang, SP105 heißt die, oder Libezzu beim Passknacker. Hässlich ist Sardinien nirgends, besonders zum Motorrad fahren, aber diese ist Strecke unfassbar schön.




    Hier muss ich wieder länger auf Max warten, denn schon wieder hat ein Insekt den Weg in seine Schutzkleidung gefunden. Offenbar wirkt er magnetisch auf Insekten, denn diese Szene wird sich heute noch 3x wiederholen. Ich hänge etwas durch und suche mir ein Eis. Da gibt es ein Restaurant an der Küste, und dort gibt es einen deutschsprachigen Kellner, und einen gefährlichen Hund namens „Jack the Ripper“. Es ist ein Jack Russel. Wir können ihn nicht aus den Augen lassen und uns kaum konzentrieren…



    Dann suchen wir uns ein schattiges Plätzchen und genießen das wohlverdiente Eis.



    In folgenden schrauben wir uns wieder die Berge hoch. Ich darf immernoch nicht Aprilia fahren. Recht kurios ist der Punkt Monte Sant'Antonio in einem dicht bewaldeten Park, der anscheinend eine längere Einbahnstraße ist. Ansonsten fahrer wir gemütlich Berge rauf und runter, oder auch mal an die Küste.



    Der Fiat Panda ist ein nationales Heiligtum in Italien und auch hier noch reichlich vertreten, mit oder ohne 4x4.



    Mein Vorderreifen war morgens schon etwas hüftsteif, inzwischen würde ich sagen, dass er rechts am Ende ist. Der tapfere S21 hat 1000 km Anreise und rund 2000 km gemeinsten Kurvenspaß klaglos ertragen. Ich danke ihm für seine Dienste. Nach der Ankunft in der Fewo suche ich mir einen Reifenhändler im Ort, aber drei verschiedene Reifenhändler haben keine Motorradreifen. Ich lasse mir aber einen Händler empfehlen, der morgen auf meiner Route liegt. Danach geht’s zum Supermarkt, denn das Leitungswasser im BNB schmeckt nicht. Anschließend gehen wir wieder schick essen und genießen einen alkoholfreien Abend in voller Schutzkleidung und ohne Völlerei. Anschließend gibt’s beim BNB einen gemütlichen Ausklang auf der Terrasse, denn es ist unser letzte gemeinsamer Abend auf dieser Reise. Morgen Abend bin ich schon wieder auf der Fähre. Max hat mich tatsächlich den ganzen Tag nicht Aprilia fahren lassen, und leider auch immer auf seinen Zündschlüssel aufgepasst. Ansonsten kann ich nichts negatives über ihn sagen :)

  • #8

    Fr 26.6. Ozieri - Nordsardinien - Porto Torres


    Heute früh heißt es Abschied nehmen. Max bleibt länger auf der Insel als ich und verlagert sich heute in den Süden. Einpacken macht nie Spaß, aber am letzten Tag auf der Insel besonders wenig. Wir bezahlen die 86 Euro für die Unterkunft gerne, auch wenn wir ein gemeinsames und kein "eigenes" Bad hatten. Vielleicht ist damit gemeint, dass das Bad nicht vom Gastgeber genutzt wird. Das Frühstück auf der Terrasse lädt auch zum Verweilen ein. Jeden Tag kriegen wir hier liebevoll unser Buffet aufgebaut.



    Ich bummle heute mit Gepäck noch etwas im Norden rum, gerade mal 240 km, sammle die letzten fünf Passknacker und mache etwas Tourismus. Außerdem halte ich die Augen offen nach einem Reifenhändler am Wegesrand, und falls ich keinen finde, habe ich als letzten Wegpunkt vor der Fähre noch einen eingespeichert, der mir gestern empfohlen wurde.



    Meine Route beginnt mit Bundesstraßen zum Punkt San Pietro, eine schöne Bergstrecke.


    Dann knubbelt sich die Route rund um die quirlige Stadt Tempio Pausania. Mir ist das eigentlich schon zu quirlig. Es ist heiß und voll, und man kommt nicht vorwärts. Aber zum Passo del Limbara führt kein anderer Weg. Der ist eine 1A-Kurvenstrecke. Ich raste auf der Passhöhe und lausche dem Z900-Fahrer mit dem 4-in-0-Auspuff, der das offensichtlich auch so sieht. Danach geht's zum Monte Limbara. Es geht in sehr vielen Kehren immer den Berg rauf. Es könnte mit 1335 Meter fast der höchste anfahrbare Punkt auf der Insel sein. Man hat fast rundum Aussicht bis aufs Meer, aber die vielen Antennen stehen optisch im Weg. Praktisch sind sie schon, so hat man fast überall Handynetz.




    Weiter geht es wieder nur durch Tempio Pausania. Dann geht es östlich zum Sant'Antonio di Gallura. Hier wird's wieder richtig einsam und ländlich.


    Ich wollte um den Lago di Liscia eigentlich herumfahren, was aber nicht geht - das Sackgassenschild war da recht eindeutig, und OSM auch. Also wird die Route noch kürzer. Da mein Navi wieder durch Tempio Pausania fahren will, helfe ich ihm auf die Sprünge: Die Verbindung von der SP137 zur SP10 ist laut OSM immerhin durchgehend asphaltiert! Real ist sie etwas zugewuchert, und eine schmale Brücke deutlich versandet, aber hey, lieber so als noch mehr Bundesstraßen.



    Auch heute habe ich wieder keine Tiere auf der Straße. Das scheint also eher im Osten der Insel ein Thema zu sein. Kurven und Berge hat es aber überall :)



    Dann geht an die Nordküste. Hier fährt man einfach mal auf Korsika zu und sieht das auch. Weil es dabei schnurgerade steil bergab geht, können sich Skeptiker selbst von der Krümmung der Erdoberfläche überzeugen: Die Spitzen bleiben stehen, das Flachland verschwindet.



    Am Küstenort gibt's Eis und Cola und ich genieße die Aussicht, also die auf mein Motorrad direkt an meinem Tisch. Hier sind immerhin ein paar Gäste - rund 10% Auslastung. Auch ein paar Autos mit deutschen Nummernschildern sind zu sehen. Ich freue mich für die Gastgeber.


    Dann steht da am Ende einer Ortsdurchfahrt so 'ne scharfe neue Yamaha R1 am Wegesrand - vor einem Reifenhändler? Hallo? Stopp! Hier bin ich richtig. Der Reifenhändler steht meinem Problem mitfühlend gegenüber. Er hat aber nur Mitas auf Lager. Na gut, den Mitas Sportforce+ halte ich für einen Pilot Power-Ersatz, der darf drauf. Und für 88 Euro kann man das mal machen. Leider muss ich eine Stunde warten, und stelle am Ende fest, dass ich einen Mitas Touringforce montiert bekommen habe. Seufz. Der auf der MT-09 ja nun nichts verloren, eher auf der Versys. Bei 30 Euro fürs Umziehen lohnt das aber kaum. Es ist höchste Zeit, dass ich mich selbst werkzeugmäßig zum Reifenwechseln ermächtige.


    Da es auch schon 17:30 ist, geht es ab nach Porto Torres. Die Yamaha kriegt noch einen vollen Tank und der Tankrucksack 5 frische Getränkeflaschen. Ticket und Ausweis greifbar verpacken und ran an den Hafen. Das Boarding hat bereits begonnen und ich bin nach Ausweis, Ticket und Fiebermessen schon drin. Dieses Mal guckt zusätzlich jemand, ob das Nummernschild am Motorrad zum Ticket passt. Die Kabine ist leicht zu finden, aber die Tür geht nicht auf. Ziemlich genervt hole ich Personal dazu, und der braucht auch drei Versuche, die Tür einzurennen. Später versuche ich es mit Tür Eintreten, und auch da brauche ich jedes Mal zwei Versuche.


    Nach der Dusche hole ich mir im SB-Restaurant Paella mit Fisch und 'ne Limo dazu. Macht schlappe 22 Euro und bleibt nicht mal bis zum Ende warm. Ansonsten ist auch dieses Schiff zu 80% leer, aber es sind mehr Deutsche drauf als noch auf der Hinfahrt. Sonstige ausländische Kennzeichen sind nicht zu sehen. Auch hier werden Abstandsregeln und Maskengebot mehr oder weniger eingehalten. Morgen früh bin ich dann wieder am Festland...

  • #9

    Sa 27.6. Genua - Ost-Westalpen


    Die Nacht in der Fähre war erholsam, aber kalt. Ich halte mich anscheinend als einziger an die Aufrufe, bitte erst jetzt zum Auto zu gehen, denn ich bin so ziemlich der letzte dort. Aus Genua raus wollten ich den schnellsten Weg nehmen. Großstädte machen einfach keinen Spaß, also geht es auf die Autobahn Richtung Osten. Dann ein paar Pässe im Hinterland, Autobahn über die Poebene, und dann noch etwas leckerer West-Ostalpenspaß bis Edolo (Provinz Brescia).



    Am schnellsten kommt man aus Genua raus per Autobahn. Dachte ich zumindest. Dann war da Stau - Samstag früh? Stadtauswärts?? Okay, Baustelle, einspurig durch Tunnels. Da orientiert man sich an den Einheimischen und stellt dann doch bald fest, dass das nervt, Zeit frisst, und dass man auf der Bundesstraße vermutlich schneller wäre. Also nimmt man die erste Ausfahrt, die heißt passenderweise Nervi, und schraubt sich die Hügel hoch - leider eine enge Straße, lange bebaut und mit uneinsehbaren Kurven, Hausecken und vielen geparkten Autos. Aber dann wurde die SP67 richtig schön! Der Blick vom Kamm des Monte Fasce auf Genua und aufs Meer aus 300 Meter Höhenmetern entschädigt.



    Die SP65 mündet in ein Geschlängel aus Provinzstraßen in schattigen Tälern, was nach Sardinien mit 25° erfrischend kühl ist. Hier liegen 6 Pässe fast auf einer Nord-Süd-Linie, wie für meine heutige Route gemacht - wenn auch runde 40 km zu weit östlich, aber hey, ich bin mobil. So, jetzt wieder Pässe sammeln! Der Straßenzustand ist wieder typisch Hinterland, zwischen fragwürdig und haarsträubend. Ist das rauer Belag oder Kies auf dem Belag? Ist das einfach nur Halbschatten unter den Bäumen, oder tiefe Schlaglöcher? Versauen einem die Schlaglöcher die Linie, oder brechen sie gleich die Felge? Mir alles nicht so wichtig, ich habe es nicht eilig. Ich will nur ankommen. To finish first, you first have to finish. So geht es vom Passo del Bocco bis zum Passo del Mercatello. Es ist auffallend, wie gut man auf Hauptstrecken im Gegensatz zu den Nebenstrecken vorwärtskommt, obwohl an diesem Samstag viele Einheimische auf dem Weg unterwegs sind, z.B. zur nächsten Badegelegenheit. Da helfen die kleinen Privilegien, die Zweiradfahrer in Italien so haben. Jeder macht Platz, keiner wundert sich über irgendwas.


    Doch dann kommt wieder diese lästige Poebene. Ich verstehe ja, dass Italien auch irgendwo mal ebene Flächen braucht um Handel und Industrie zu betreiben, aber zum Motorradfahren ist das schon echt unpraktisch. Bretteben und zersiedelt, meistens superheiß, hier will man einfach nur möglichst schnell durch. Heute auch per Mautobahn – auch wenn das natürlich noch heißer als Bundesstraßen ist. Schmerzen in der Hand vom ständigen Gas aufhalten machen es nicht besser. Ich will mich zur Abkühlung in ein Restaurant am Rastplatz setzen, aber das ist wegen Corona geschlossen. La merda! Immerhin, Verkauf auf die Hand geht. Als die freundliche Thekenkraft mein erfrischendes Tomate-Mozarella Sandwich dann auch noch toastet, ist die Laune wirklich im Keller. Hilft alles nix, da muss man durch. Es geht am Iseosee vorbei, viele Tunnel, dazwischen immer wieder tolle Aussichten. Da sollte man auch mal Urlaub machen (Höhentreffen 2021?). Man kommt prima vorwärts. Die Berge türmen sich auf, und in Darfo Boario Terme biegt die Route endlich links vom Haupttal ab. Es geht nun in die Ostalpen rein.



    Die SPBS294 ist sehr schick, aber vermutlich in dieser Region nichts besonders. Der erste Pass ist der Passo della Presolana. Hier ist es ungewohnt touristisch geprägt. Das kommt mir gelegen, denn Pausen machen tut Not, und ich hatte noch kein Eis heute. Ich bin hier im Nachbarkreis von Bergamo, entsprechend ernst werden Corona-Schutzmaßnahmen genommen. Es sind allgemein vielen Masken im Straßenbild, auch outdoor. Ich werden auch auf den drei Metern zwischen meinem Motorrad und dem ersten Tisch im Cafe von einem Fußgänger ermahnt, weil ich keine Maske trage: Man tut so als würde man nießen und sagt dabei „Covid“ (weil „Corona“ im Italienischen bereits mit „Krone“ bzw. „Kranz“ belegt ist). Ich will nicht wirklich wissen, wie viele der Beerdigungen und Trauerfeiern, die ich an diesem Samstag heute so gesehen habe, mit Covid zusammenhängen. Es standen aber oft Menschen vor den Kirchen oder vor dem Friedhof, auch auf der anderen Straßenseite – Mindestabstand wird ernst genommen.


    Heute lohnt sich fast mal ein Satz über das Wetter: Es ist den ganzen trocken und heiß, aber anscheinend hat es hier kurz zuvor geregnet. Fertig! Ein Eis später fahre ich zum Croce di Salven, über die SP5, die ganz schön schlecht einzusehen ist. Am Rückweg bemerke ich eine neue S1000XR hinter mir, Fahrer in lässig-eleganter Schutzkleidung, da mache ich doch gerne Platz. Leider fährt er dann eher langsamer als ich, aber nicht so viel, dass Überholen höflich möglich gewesen wäre. Vielleicht weiß er auch irgendwas, was ich nicht weiß. Dann bleiben wir mal dahinter. Die fünf anderen Premium Biker hinter mir (seine Gruppe?) sehen das anscheinend ähnlich. An der nächsten Kreuzung trennen sich unsere Wege wieder. Ich schraube mich nun den Passo del Vivione hoch. Der ist bemerkenswert, weil er sehr schmal, steil und verwinkelt ist. 1826 Meter Höhe, 31 Kehren, und in weiten Teilen so eng, dass zwei Motorräder nur achtsam aneinander vorbei passen. Daher auch Tempolimit 30 (oder gar 20?).




    Google rechnet mit 90 Minuten für die 32 km. Dazu natürlich Baumgrenze und tolle Aussichten mit und ohne nackigen Fels.



    Ein wenig wie der Manghenpass also, aber länger. An der Passhöhe stehen tatsächlich zwei Langgabel-Chopper, da muss ich doch etwas schmunzeln – oder ist die Nordseite gerader? Vielleicht werden ich es nicht erfahren, denn hier oben warnt ein Schild vor einer Sperrung wegen Baustelle in 4 km. Es ist immer genial, wenn man sowas nach 15 km und 45 Minuten Pass erfährt. Also fährt man natürlich weiter, vielleicht wurde ja vergessen, das Schild wegzuräumen, oder es ist Baustellenpause wegen Sonntag.



    Mir kommt aber auch echt niemand entgegen. Nach 4 km stehen ein paar Baumaschinen brav geparkt am Rand der einwandfreien Straße. Kommt da noch was? Es bleibt spannend, bis ich die ersten Autos in Gegenrichtung parken sehe. Und die Nordseite ist tatsächlich flacher, gerade und breiter ausgebaut. Ich bin froh, als ich den nächsten Ort erreich, denn der Tag neigt sich schon dem Ende zu und ich bin schon sehr lange im Sattel heute – immerhin seit Genua.


    Einen Pass habe ich aber noch im Köcher, direkt nördlich meiner Unterkunft, der Passo di Fletta. In der Passknackerdatenbank steht dazu: „Klassische Abkürzung, die wesentlich länger dauert als der direkte Weg. Wer sich auf engen steilen Straßen und Rollsplitt nicht wohl fühlt, sollte im Val Camonica bleiben. Die Strecke ist zwar mittlerweile fast komplett geteert. Nur ganz kurz sieht man noch den alten rauen Beton. Allerdings befindet sich besonders im Anstieg von Edolo viel Splitt auf der Straße.“ Und das trifft auch absolut zu. Südseite harmlos, an Nordseite ist vorantasten angesagt. Wenn einen Anwohner verwirrt angucken, ist man abseits der ausgetretenen Pfade unterwegs.


    Ich bin heute im Hotel Europa in Edolo. Das ist das erste „richtige“ Hotel in diesem Urlaub, der Rest war BNB, Fewo oder Monteurzimmer. Angenehm daran ist, dass es eine Rezeption ist, und man niemanden anrufen oder warten muss. Edolo ist ein lebendiger Ort an der Kreuzung zweier Täler, der offensichtlich vom Tourismus lebt. Die Angestellte ist nett, zieht aber ständig ihre Maske runter, wenn man sie eigentlich rauf ziehen sollte, und umgekehrt, und betatscht unnötig intensiv Dinge, die sie mir später überreicht. Die Yamaha darf in einer Tiefgarage, und ich gönne mir eine Dusche. Dann geht’s auf die Pirsch zum Abendessen. Heute wird’s eine gutbürgerliche Osteria. Letzter Abend in Italien, da dürfen es zwei Gänge sein. Die Angestellten tragen Masken, aber die die 10 Leute am Nachbartisch nicht, womit ich mich etwas unwohl fühle. Andere Gäste sprechen teilweise Deutsch oder zumindest so etwas Ähnliches, weil ich nur etwa jedes zehnte Wort verstehe. Ostlombardisch? Ladinisch? Niederbayerisch? Dann gute Nacht!

  • #10

    So 28.6. Livigno - Österreich - München - Heim


    Heute geht es nach Hause. Ziemlich krass, aus den Alpen einfach nach Hause fahren zu können bin ich als jetzt-wieder-Nürnberger mit NRW-Migrationshintergrund noch nicht gewohnt. Zunächst schön durch die Berge, dann zügig durch Österreich, und dann möglichst Autobahn durch Deutschland bis zum trauten Heim, mit einem Stopp fürs Abendessen in der Nähe von München.



    Zwei Minipässe liegen direkt bei Edolo. Den ersten klemme ich mir aus Zeitgründen, aber über den Passo di Santa Cristina will ich rüber. Vorher schickt mich das Navi noch in einen steinigen Feldweg, weil da kein Tempolimit ist, im Gegensatz zur parallel verlaufenden SS39. Böses Navi!



    Der Passo di Santa Cristina ist nichts Besonderes, aber eng, und aus irgendwelchen Gründen sind hier reichlich Autos unterwegs, so dass ich in Kolonne schleichen muss und wegen jedem Auto im Gegenverkehr angehalten wird. Das nervt.


    Aber nur kurz, denn dann geht’s in die Schweiz und die Straße wird schön breit. Die Westseite des Berninapass habe ich mir am Hinweg gespart, nun hole ich ihn von der Ostseite her. Wunderschön.



    Da drehe ich um, biege links ab nach Italien, genauer nach Livigno. Da ist es auch schön.




    Außerdem schon erstaunlich voll, anscheinend läuft der Tourismus innerhalb Italiens wieder. Außerdem ist es ein sommerlicher, sonniger Sonntag, entsprechend sind auch Rad- und Motorradfahrer unterwegs. Ein paar Autos und Busse dazwischen, vielleicht ein Wohnmobil, und der ganz normale Alpenpasswahnsinn ist perfekt.


    Ich tanke in Livigno für 90 Cent. Zum ersten Mal fahre ich zur Torre die Fraelle hoch, und lasse mich vom Parkscheinautomat verwirren. Die Nutzung ist Pflicht, aber vermutlich nur, wenn man auch wirklich parken will. Sei es drum, 5 Euro für einen guten Zweck. Die Aussicht ist durchaus beeindruckend, auch wenn man hier wirklich rücksichtsvoll fahren sollte. Wer Kehren mag, wird es hier lieben.




    Richtung Norden geht es über die Stilfser Joch Südseite. Es ist viel Betrieb. Die Ampel am Tunnel ist zum Glück für mich grün, aber was sich da in der Gegenrichtung staut ist der Wahnsinn. Da stapeln sich bestimmt 100 Motorrad- und Rollerfahrer. Kirmes auf Rädern. Da spiele ich nicht mit und biege baldmöglichst nach links ab, wieder in die Schweiz rein, über den Umbrail. Da ist es weniger voll und es hat viele variable Kehren statt engstem Zickzack – und keine Wohnmobile.




    Diese kleine Ecke Schweiz wird gleich wieder verlassen. In Italien geht’s nördlich zum Reschenpassen. Ich nehme mir vor, noch ein letztes Eis in Italien zu Essen und halte bei der vermutlich letzten Gastronomie – aber die haben kein Eis. Ist das überhaupt legal? Es war eher ein Dönerkeller. Na, dann muss ich wohl nochmal hin.


    Österreich verwirrt mit Beschilderung, da steht mal eben auf 10 Zeilen Text am Rand der Bundesstraße (Tempo 100) welcher Pass gerade wo gesperrt sei und wo man stattdessen entlangfahren darf, und zwar mautfrei. Hilfe? Keine Ahnung? So lande ich irgendwo, wo ich eigentlich nicht hinwollte, bis das Navi mich wieder einfängt und ich den Weg nach Norden beruhigt weiterfahren kann.

    Tirol liegt auf dem Weg, da kann man doch mal im Hahntenjoch und Namlostal vorbeischauen, wo es jetzt diese Sperrungen für Motorräder über 95 dB Standgeräusch gibt. Die will ich mal exklusiv für euch testen. Es ist Sonntag mit gemischter Wettervorhersage, aber gerade noch trocken. Für die Verhältnisse ist sehr wenig Motorradbetrieb.


    Die östliche Zufahrt zum Hahntenjoch ist eine furchtbare Quälerei. Kilometerlang Tempo 30 im Ort. Kaum geht's aus dem Ort raus, steht da die Polizei und winkt mich raus. Ein Polizist geht hinter meinem Motorrad vorbei und sagt "Passt! Sie können weiterfahren." Vermutlich haben die schon genug Motorräder kontrolliert, dass sie eine MT-09 naked 2018 erkennen können - die ist nicht selten, hat aber einen selten hässlichen Kennzeichenträger, und 93 dB Standgeräusch. Die restliche Strecke ist durchgehend Tempo 60, unterbrochen von Tempo 30. Fahrspaß kommt nur auf ungefähr 3 km Wechselkurven und Serpentinen auf - ansonsten ist das eher was zum Landschaft gucken, die ist nämlich rein imposant.




    Ansonsten macht diese Strecke wohl nur Spaß, wenn man recht heftig über dem Tempolimit fährt. Westlichen der Passhöhe ist es recht kurvig, aber auch übersichtlich, und man darf 100 fahren! Das macht Spaß. Am Ende des Hahntenjoch biege ich rechts ab, das Lechtal hoch. Bundesstraße, Ortsdurchfahrt, Durchschnitt. Man kommt voran. Rechts ab nach Namlos beginnt der Namlossattel, bekannt aus diversen Youtube- und Gaskrank-Videos. Schaafs Revier, könnte man sagen. Hier hat man Tempo 100 und flüssig zu fahrende Kurven, von denen aber viele kaum einsehbar sind. Das ist eigentlich nichts unglaublich besonders, eher eine typische Straße 2. Ordnung in den Alpen, aber halt eine mit wenig Ortsdurchfahrten.


    Mir kommen insgesamt 30 Motorräder entgegen, davon drei, die ich auf den ersten Blick als über 93 dB erkenne (BMW S1000R). Ob die später raus gezogen wurden, weiß ich nicht. Geschwindigkeitskontrollen gab es keine. Es standen viele "Bitte leise fahren"-Schilder. Mir wurde 2x von Autos die Vorfahrt genommen, so dass ich deswegen bremsen musste, aber nicht so knapp, dass es gefährlich gewesen wäre - nur unhöflich (oder blind).


    In Summe würde ich sagen, dass diese Strecken weder die Krönung des Straßenbaus noch des Fahrspaßes schlechthin sind. Ich war aber auch vorher 'ne Woche in Sardinien mit Zwischenübernachtung in den Dolomiten ;)


    Danach geht es auf dem schnellsten Weg nach Gilching, Freunde besuchen und gemütlich Abendessen. Leider gerate ich in 15 Minuten Starkregen, wo die Membran versagt, insbesondere die der Hose. So muss ich vor Ort noch schnell die Unterhose wechseln. Das Abendessen ist lecker und es tut gut, die Leute mal wieder zu sehen. Ich werde zur Übernachtung eingeladen, aber es sind nur 2 Stunden nach Hause, ich habe Lust auf mein eigenes Bett. So geht’s wieder auf die Autobahn, aber mit Fleece-Pulli – den hatte ich seit der Schweiz-Etappe nicht mehr an. Vielleicht nächstes Mal ein Schließfach an der italienischen Grenze auftreiben ;)


    Um 23 Uhr komme ich nach 640 km daheim an und die rechte Hand tut echt weh. Es ist aber echt praktisch, wie nah Nürnberg an den Alpen liegt, zumindest im Vergleich zu Essen vorher. Es wird aber Zeit für einen Tempomat. Leider verkauft Yamaha einem diese Softwarefunktion nicht, daher muss man dann wohl zu halbseidenen ECU-Flash-Diensten greifen, oder sich archaische Mechaniken an den Lenker nageln, die nicht nur unerlaubt sind, sondern auch noch offensichtlich.



    War lang heute. Bin wieder daheim, danke fürs Mitkommen! Fazit folgt (irgendwann).

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