Korsika 2024 Passknackertour

  • #11

    Sa 11.5. Propriano nach Evisa


    Morgens frühstücken, ein letztes Mal die Aussicht genießen, dann einpacken, bezahlen und Abschied nehmen von Yannick. Wir verbliebenen drei fahren heute zusammen meine Passknacker-Route. Die bietet so einiges, z.B. Blick aufs Meer.



    Nachweismotiv Stromkasten. Bitte nicht falsch parken, sonst...



    Es gings in Innere der Insel, wo sehr hohe, einsame und vor allem kurvige Straßen auf uns Warten.Wir werden zusätzlich mit bestem Wetter und tollen Aussichten belohnt.



    Der Gruppe gefällt's.



    Wo habe ich das schon gesehen?



    Hatten wir schon einen See?



    Echt toll hier, und wirklich beeindruckend einsam.



    Col de l'Usciolo, der vielleicht höchste legal anfahrbare, asphaltierte Punkt auf der Insel?



    Das Panorama ist auch eher alpin.



    Gerade als wir langsam etwas müde werden, wirft sich uns eine perfekt asphaltierte Kurvenstrecke in den Weg, die von einem Kurvengott erdacht wurde.



    Der Dunlop Mutant nimmt's gelassen, hier färbt er sich tiefschwarz und wird rauh, wie eine schnurrende Katze. Dann wird die Route wieder holprig und einsam, aber nicht weniger schön.




    2 Stunden vor dem Ziel gibt’s noch eine Cola-Eis-Kaffee-Pause. Zum Ende hin zieht es sich dann doch, und wir sind erst 17:30 am Hotel – aber alle wohlbehalten und un-/umfallfrei.



    270 km heute, die sich länger angefühlt haben. 67% Korsika. Echt schöne, einsame, kurvige Ecken, und keiner will dorthin. Dafür liebe ich das Projekt Passknacker! Noch 3 Fahrtage auf der Insel :)

  • #12

    So 12.5. Evisa – Ajeccio – Evisa


    Heute geht’s ohne Gepäck solo in den Süden, Pässe knacken. Dabei will ich mich nebenbei ein Wenig von gestern erholen, das war schon ein echt anstrengender Tag. Entsprechend gibt’s also wenig Zusatzaufgaben. Z.B. habe ich mir keine Mühe mit den Fotos gegeben – mal sehen ob's jemand merkt.


    Aus Evisa geht’s Richtung Westen an Porto vorbei, die D81 runter. Mich erwarten Felsen und Küste.




    Auf der Küstenstraße sehe ich auch wieder einige Motorradgruppen. Mir fällt ein, dass ich auf der Fähre einen Blick auf ihr Gepäck werfen konnte: Im wasserdichten Motorrad-Tankrucksack ist oben im wasserdichten Motorrad-Kartenfach eine wasserfeste Motorrad-Karte angebracht, auf der jemand mit wasserfestem rotem Stift 1x rundum die Küstenstraße markiert hat. Das ist bestimmt unterwegs hilfreich, wenn man die Küstenstraße mal nicht finden sollte. Dann braucht man auch kein Navi. Und so fahren die dann auch. Und das dürfen die natürlich auch. Ich knacke Pässe im Hinterland.


    Zum Beispiel den Bocca Curnatoghiu. Der liegt ab vom Schuss und je nach Routenplaner/Navi möchte man von West nach Ost komplett drüber, oder südlich ihn umfahren, und dann von Osten als Abstecher rein fahren. Ich bin von West nach Ost drüber gefahren, und es hat mir nicht gefallen. Die Westseite ist enorm schmal und fühlt sich eher wie eine 10 km lange Grundstückszufahrt an. Hier passen mit etwas Mühe 2 Motorräder aneinander vorbei. Nächstes Mal fahre ich von Osten rein.


    Andere Punkte machen deutlich mehr Fahrspaß und bieten auch teilweise schicke Aussichten! Die D81 bringt Fahrspaß, und hinter Ajeccio die frisch „begradigte“ D118 ebenso.



    Dann geht’s wieder durch Ajeccio durch – Hauptstadt der Insel mit 73000 Einwohnern, sonntags aber ohne Stau – und ins Inselinnere.



    Heute wie gestern war ich geizig wenn's ums tanken geht: Der Tank sollte schon ordentlich leer sein! Gestern und heute gehen 17,3 Liter in den 18 Liter-Tank. Danach knacke ich mich quasi parallel zur gestrigen Route durch die Landschaft, wieder sehr einsam und mit schönen Ausblicken.



    Als letzten Punkt gibt’s noch den Col de Vergio an der D84. Hier sind ebenfalls Motorradgruppen unterwegs, und sogar Camper, aber es verläuft sich angenehm. Es ist 15:30 und ich werde schon wieder schlapp, da kommt das Hotel gerade richtig.



    265 km heute, bestes Wetter, alle Nachweise korrekt. 80% Korsika. Noch 2 Fahrtage auf der Insel :) Heute war der letzte Fahrtag ohne Gepäck. Ab jetzt geht’s jeden Tag weiter Richtung Heimat, wo mich am 21.5. das Arbeitsleben wieder erwartet...

  • #13

    Mo 13.5. Evisa - L'Île-Rousse


    Heute früh gibt’s ein gemeinsames Frühstück mit Luca und Mirko, dann heißt es Abschied nehmen. Und los geht’s? Nein, mein Laptop macht Ärger. Er möchte nicht mehr laden. Anscheinend mag das Netzteil nicht. Gestern Abend nicht, heute früh nicht, aber nach dem Frühstück leuchtet es wieder mild blau. Klasse, noch eine Spezialhardware die unterwegs kaputt geht! Nein, das ist kein USB-C. Immerhin ist es aus der Ära, bevor Netzteile kompliziert mit den von ihnen geladenen Geräten kommuniziert haben, daher wird auch jedes andere Netzteil funktionieren, das ungefähr die richtige Spannung hat. Ich schreibe mir ein 20V/60W-Netzteil auf die mentale Einkaufsliste.


    An sich brauche ich den Laptop nicht zum Motorrad fahren, aber zur Planung. Morgen abends geht meine Fähre nach Toulon (Südfrankreich), wo ich planmäßig noch einige Tage an meinem Passknacker-Lebenswerk arbeiten wollte. Leider sieht die Wettervorhersage für den gesamten Alpenraum echt übel aus. Ich erwäge andere Optionen, und um die zu planen, insbesondere die Routen, brauche ich den Laptop durchaus. Die Fähre ist nicht stornierbar oder verschiebbar, aber gutes Wetter ist unbezahlbar und die Fähre nach Livorno kostet nur 53 Euro (plus zwei Übernachtungen und einen halben Fahrtag, weil sie nachmittags fährt). Da ist heute Abend eine Entscheidung fällig.


    Aber jetzt ist es ein sonniger Tag zum Motorrad fahren in Korsika :) Los geht’s, auf die Küstenstraße im Uhrzeigersinn. Nachteil: Weniger Aussicht als andersrum. Vorteil: Man muss weniger Motorräder überholen. Nachteil: Es kommen einem Motorräder und Motorradgruppen entgegen. Und eine davon hätte mir dann auch fast den Tag, das Jahr und vielleicht das Leben versaut, weil ein besonders dämlicher BMW GS-Fahrer unbedingt eine fahrende Autoschlange überholen musste, damit aber nicht vor seiner nicht einsehbaren Linkskurve fertig geworden ist, und jetzt blöd neben der Fahrertür hergurkt, während ich um meine nicht einsehbare Rechtskurve komme und genau auf ihn zu fahre mit bestimmt 120 km/h Geschwindigkeitsdifferenz – zum Glück und dank Training bin ich so weit innen, dass ich kaum ausweichen muss. Ich hätte auch keine Zeit dazu gehabt, es reicht nicht mal für eine Unmutsäußerung. Unfassbar. Das ist der zweite Motorradfahrer in meiner Karriere, der genau das bei mir macht, und das zweite Mal in zwei Jahren, und beides waren BMW GS. Grrr. Ansonsten fährt auf der Küstenstraße natürlich alles und jeder rum, Camper, VW Busse, Leihwagen, hier und da sogar Einheimische. Ich sammle die ersten beiden Passknackerpunkte ein. Der dritte ist speziell: Bocca Serria ist sehr schmal, in schlechtem Zustand und auf meiner Route heute kann ich mir aussuchen, ob ich die Nord- oder Südseite 2x fahren will. Luca kennt die Strecke und empfiehlt dringend die Südseite. Da sage ich: Dankeschön! Die war schon schlimm genug.



    Zum Glück sind hier weniger halbfähige Touristen unterwegs, aber die natürlich auch auf der gesamten Straßenbreite, es kommt ja meistens keiner entgegen. Deutlich erleichtert biege ich ins Inselinnere ab und bin sehr erfreut, dass die Touristenverkehr damit auf nahezu Null einbricht. Die fahren anscheinend wirklich nur den ganzen Tag die Küstenstraße ab.



    So habe ich diese überraschend grün-hügelige Landschaft praktisch für mich alleine. Hier und da sieht man das Meer, manchmal auf die Berge.



    Es gibt verschiedene Gedenksteine.



    Man fühlt sich fast wie auf dem Festland.



    Einfach ungestört Motorrad fahren, so muss das sein :)



    Anhalten und verschnaufen ist auch erlaubt.



    Bei zwei Passknackerpunkten bietet sich ein Abstecher zu je einem nahegelegenen XXX-Schotter-Pass an. Auch die haben Luca und Mirko schon erkundet. Vom ersten wird man abgeraten, zu große Steine für meine spärliche Bodenfreiheit. Aber den zweiten nehme ich mit.



    Die Schotterstrecke ist bis auf zwei Stellen besser zu fahren als die Buckelpiste heute früh, und hier ist dann wirklich niemand unterwegs. An den beiden Stellen verläuft eine Erosionsstufe quer zur Strecke und man muss sich eine geeignete Stelle suchen, damit man nicht aufsetzt.


    Schließlich erreiche ich mein Tagesziel, und auch mein Hotel, aber der letzte Passknackerpunkt des Tages liegt dahinter: Ein Leuchtturm. Mit einem Zaum dran und einem Schild „Fotografieren verboten!“. Leider kann ich kein Französisch. Von hier hat man einen prima Blick auf den roten Felsen, der der Stadt ihren Namen gegeben hat.



    Dann checke ich im Hotel ein und erkunde die Umgebung. Es gibt viel Auswahl an Restaurants und Geschäften. Ich finde leider weder Laptopnetzteil noch Samsung S20FE noch Klebehalterung für Samsung S8 noch wasserdichte Socken.



    265 km heute, 93% Korsika. Bis auf die Buckelpiste eigentlich schön, aber der Gegenverkehr drückt arg auf die Laune, dazu noch Verrat durch meine technischen Geräte und die Wettervorhersage am Festland. Beinaheunfälle mit Gegenverkehr nehmen mir echt die Freude am Motorradfahren insgesamt.


    Nach dem Abendessen ist es Zeit für eine Entscheidung:

    A) Fähre nach Toulon und wie geplant fahren, auch im Regen, so lange es irgendwie geht. Auch wenn ich mit den untauglichen Navis und dem beschlagenden Visier verzweifeln werde

    B) Fähre nach Toulon und mit einer Zwischenübernachtung nach Hause, dann werde ich nicht so lange nass

    C) Fähre nach Livorno und irgendwas Lebenswerk pflegen, das wird aber eine Route mit viel Überführung und wenig Pässen

    D) Fähre nach Livorno und irgendwie anders nach Hause

    E) Länger in Korsika bleiben und später nach Toulon

    F) Irgendwas völlig verrücktes, z.B. Fähre nach Sardinien und ein paar Tage später Nachtfähre nach Genua

    Und nebenbei ist auch fraglich, wie lange der Hinterreifen noch mitmacht, und ob ich mir den Reifenwechsel unterwegs antun möchte. Das klappte in Italien zuletzt besser als in Frankreich.

  • #14

    Di 14.5. L'Île-Rousse - Cap Corse


    Heute geht’s zum Cap Corse , also zur nördlichsten Halbinsel von Korsika. Dort sammle ich die letzten Passknackerpunkte und begebe mich anschließend in mein Hotel für die letzte Nacht auf der Insel, wobei der versprochene Motorradladen mit SP Connect Zubehör in der Nähe ist.


    Los geht’s nach meinem ersten Solo-Frühstück zum Bocca di Vezzu. 1A flüssige Kurvenstrecke mit Blick auf Küste, aber man stumpft ab. Hier könnte man nördlich abzweigen in ein Geflecht aus Schotter- und vor allem Sand-Strecken, mit 5 XXX-Pässen – aber darauf verzichte ich. Die schaffe ich eh nicht alle, und wenn ich nochmal herkomme mit einer Enduro, dann schaffe ich die eh alle auf einmal. Auf Empfehlung von Luca geht’s jetzt einmal quer über die Halbinsel und dann gegen den Uhrzeigersinn die Küste entlang. Da fahre ich zwar ein Stück doppelt, habe aber bessere Aussicht (und hoffentlich weniger Trottel Plage im Gegenverkehr, weil die Idee alle haben).


    Über den Bocca di / Col de Teghime geht’s Richtung Bastia. Es gibt einen Gedenkstein, aber auch einige der allgegenwärtigen Graffiti (Unabhängigkeit für Korsika).




    Jetzt kommt ein Abstecher zum Bocca di Serra (Pigno). Da will weder mein Navi noch mein Routenplaner hoch, aber es gibt nur eine Straße. Da steht „Privatstraße“ dran, aber kein Einfahrverbot – na dann los. Die Straße ist anfangs sehr schlecht, wird aber schnell besser. Sie bleibt aber sehr schmal, und mir begegnet rauf und runter genau niemand. So mag ich das. Oben stehen einige Antennen und ein umwerfende Aussicht aus knapp 1000 Höhenmetern, mit Blick auf die Inseln zwischen Korsika und Festland, z.B. Elba. Die Insel liegen für mich optisch über den Wolken – ich bin mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht doch das Festland ist? Aussicht kommt am Foto nie rüber, also einfach selbst hinfahren :)



    Nun geht’s runter nach Bastia, dann nach Norden die Küste hoch – das ist die Hauptverkehrsachse und zum Glück gut ausgebaut (keine Ampeln!). In den Vororten gibt’s dann Tempo 30-Schwellen und langsame Autos und Camper. Später wird’s wieder ländlich und man kann in Ruhe Kurven schwingen. Ein Passknacker liegt im Hinterland, also geht’s hoch auf eine schmale, aber gute Strecke.



    Col de la Serra (Cagnano) wird eingetütet. Von hier ist es nicht weit zum XXX-Pass Bocca di San Roccu, also probiere ich es – der Weg ist unbefestigt und etwas steinig, aber machbar, mit 3 km (x2) aber eher weit. Dann wird’s feucht.



    Ich verzichte, und wende in 3 Zügen. Stattdessen kommt jetzt etwas Tourimus: Luca hat mir den nördlichsten Ort der Insel empfohlen. Da fahre ich wohl mal hin. Es geht nach Barcaggio, da gibt’s einen kleinen Hafen wo man überdacht ganz weit vorne am Wasser sitzen und dinieren kann. Es ist ziemlich voll – ich fahre weiter. Tollare liegt noch etwas nördlicher, ist eine Sackgasse und ist wirklich einsam. Hier stehen 20 Häuser, die meisten verlassen, aber eines davon ist ein rudimentäres Cafe.



    Der Wind weht mir die halbvolle Coladose vom Tisch, während ich auf mein Mittagessen warte. Es gibt selbstgemachten Kartoffelsalat mit Zwiebeln. Nächstes Mal bringe ich Speckwürfel mit. Außer mir ist nur ein weiterer Gast da, eine deutsche Motorradfahrerin auf MZ. Wir genießen einstimmig die Stille und das Meeresrauschen. Smalltalk gibt’s erst wieder am Motorrad, bei der Abreise. Bloß kein Stress! Dann geht’s wieder die Küstenstraße entlang, jetzt an der Westseite der Halbinsel. Schick hier!



    Ein Passknackerpunkt liegt auf dem Weg, zwei weitere sind Abstecher. Das sind die letzten beiden, die mir noch zum Landespreis fehlen. Gern diese sehr abgelegene Kirche hier.



    Und schließlich noch eine Kirche, die mir zu den 100% Korsika fehlt.



    Pause machen, alles hochladen und prüfen: Voila, Landespreis Korsika eingetütet! Meine ersten komplette Insel! Und jetzt – einfach Urlaub machen. Küstenstraße runter fahren. Beeindruckendes altes Bergbau-Gebäude bei Nonza.



    Tipp: ist zwar verlassen, aber bitte nicht reingehen, zumindest nicht ohne FFP3-Maske: Das ist eine Asbest-Mine. Warum man ausgerechnet am nächstgelegenen Strand baden gehen muss verstehe ich nicht. Weiter geht’s, die Küstenstraße wird immer schöner, dann wieder über den Bocca di / Col de Teghime und dann aber rechts zum Motorradzubehörfachhandel „Kalimotard“. Der hat laut Aussage eines Handyladenmitarbeiters SP Connect, und siehe da: Ja! Ich kaufe eine universelle Klebehalterung für mein Samsung S8, auf dass ich das Handy ab jetzt wireless laden können möge, um auch im Regen eine zuverlässige Stromversorgung zu haben. Leider passt jetzt die Handyhülle nicht mehr, und ich sehe mich schon das Handy fallen lassen und dann richtig blöd dastehen. Mal sehen. Jetzt muss ich nur noch das Hotel finden und einchecken. Das ist schnell erledigt. Dann bearbeite ich meine Handyhülle, bis die Klebehalterung passt. Teppichmesser gehört ins Bordwerkzeug (und auf Flugreisen nicht ins Handgepäck). Voila:



    Fertig. Hält 100 Jahre und erzählt eine Geschichte!



    260 km heute, 100% Korsika – morgen Nachmittags geht es nach Livorno. Was ich bis dahin mache, keine Ahnung. Lokale Nachrichtenlage: Heute war in Bastia Olympia-Fackellauf. Es besteht kein Zusammenhang zum brennenden Land Rover, an dem ich vorbei gekommen bin, bevor die Polizei die Straße sperren konnte. Thema im Fernsehen war heute aber ein Überfall auf einen Gefangenentransport mit 2 Toten Beamten und einem geflohenen Häftling in Frankreich am Festland. Nicht so schön, aber weit weg. Jetzt nur noch sicher nach Hause kommen. Ich bin noch nicht fertig mit dem Verdauen des gestrigen Beinahe-Crashs.


    Außerdem befinde ich mich anscheinend in einer Art Wettlauf mit meiner persönlichen Elektronik: Das Zeug ist wild entschlossen, schneller kaputt zu gehen als ich es reparieren kann. Heute will das Haupthandy Samsung S8 ein neues Anbieterprofil installieren und dafür alle Anwendungen und Einstellungen löschen, was ich verhindern kann. Außerdem haben Laptop und Handy gleichzeitig DNS-Probleme mit und ohne WLAN und wollen die Passknacker-Seite nicht mehr auflösen, was sich zumindest am Laptop durch alternative DNS-Server beheben lässt. Das Laptopnetzteil funktioniert heute Abend so lange, bis ich etwas an USB anschließe, danach nicht mehr, bis ich es 10 Minuten vom Netz trenne, dann wieder. Die Yamaha ist dagegen vorbildlich und fährt einfach nur, verdaut Schotterausflüge, Temposchwellen, und 15 Minuten Pause mit eingeschalteter Zündung, als wäre es das normalste der Welt. Darum fahre ich Japaner!


    Yannick ist mittlerweile zuhause angekommen - den ganzen Urlaub ohne Bodenkontakt und ohne Feindkontakt. Sehr schön! :)

  • #15

    Mi 15.5. Bummelige Überfahrt


    Heute habe ich zur Abwechselung mal zu wenig zu tun. 14:30 legt die Fähre ab, 13:30 muss ich spätestens dort sein. Vom Hotel sind es 15 Minuten zu fahren. Frühstück gibt’s ab 7. Alle Pässe sind schon geknackt. Nur die Schotterpässe nicht, aber die sind zu weit weg bzw. zu schwer. Tja, was macht man da mit der überschüssigen Zeit? Sich im Museum inspirieren lassen? Einen Bandenkrieg zwischen lokalen Bikerclubs anzetteln? Sich bei der Thai Massage gründlich einölen lassen? Nein, nichts davon – dafür ist dann wieder nicht genug Zeit, und einiges davon würde die Klamotten versauen. Weil ich sonst nichts kann muss ich also leider wieder Motorrad fahren. Ich packe sehr gemütlich ein und verlasse erst gegen 10 Uhr das Hotel. Jetzt kann ich meine neue Handyhalterung testen und siehe, es lädt drahtlos und damit hoffentlich auch wetterfest! :) Dann fahre ich zum zweiten Pass, den ich auf der Insel überhaupt erfahren habe, weil's da so schön war. OSMand findet auch einen neuen Weg dorthin, der mir gut gefällt.



    Tipp: Wenn man keinen Porsche verfolgt, sieht man auch mehr von der Landschaft. Dies ist der südliche Weg zum Bocca di San Stefanu / Col de Saint Stefano. Ach, außer Motorrad fahren kann ich auch essen und trinken! Also im Google Maps „Thai Restaurant“ gehackt und ein Strandrestaurant entdeckt, knapp außerhalb von Bastia. Da könnte ich Zeit totschlagen. Ich bin gegen 11 der erste Gast, aber es ist viel Personal da. Ich schnabuliere eine Cola und ab 12 darf ich dann auch Essen bestellen. Naja. Wok nach Thai Art, reden wir lieber nicht drüber, aber reichlich satt macht es. Das ist gut, denn Abendessen könnte schwierig werden, aber dazu später mehr. Grob 12:30 gibt’s dann noch einen vollen Tank, und ab zur Fähre. Warten.



    Ist euch mal aufgefallen, wie klein die Rettungsboote im Vergleich zum restlichen Schiff sind? Egal, rein in den Pott! Ich habe eine gewisse Schadenfreude beim Beobachten der Versuche der vollverkofferten Reiseenduros, nah an der Wand zu parken. Zu wenig Platz für Seitenständer oder zum Absteigen, vor oder zurück geht auch nicht. Die Fähre legt sogar 10 Minuten zu früh ab und schon geht's los auf 4,5 Stunden Überfahrt. Fun Fact: Livorno ist deutlich nördlicher als Bastia, eigentlich fährt die Fähre unnötig lang, wenn es eine Verbindung zu einem Hafen weiter südlich gäbe, z.B. Piombino. Zum Zeittotschlagen habe ich Podcasts und auch Netflix auf dem Handy. Eine Konversation mit anderen Mitmotorradfahrern kommt nicht so recht zustande. Manche Gruppen definieren sich eben auch darüber, wer nicht dazu gehört. Eine ereignislose Überfährt später wieder allgemeine Hektik beim Aufrödeln an den Motorrädern, denn wer 17 Taschen hat, braucht halt auch länger. Bald bin ich im Hafengebiet, das beeindruckend groß und verwinkelt ist, und ohne weitere Kontrollen geht’s auf die Autobahn.


    Jetzt kommt der hektische Teil! 20:45 ist Sonnenuntergang, es ist 19:45, es sind 30 Minuten direkt zum Hotel. Aber ich habe eine Mission: Passknacker Lebenswerk pflegen! Da wäre ein Punkt 45 Minuten von hier. Ist zwar die falsche Richtung, aber hey. Los geht’s! Zum Glück ist schon kein Berufsverkehr mehr. Autobahn, Kleinstädte, Kreisstraßen, Gewerbegebiete, Dörfer. Alles ohne Ampeln. Das Navi staunt, die Ankunftszeit ändert sich, und bald habe ich den Pass vor mir: Es geht aus der sehr platten Ebene einen deutlichen Berg hoch, auf dem diverse Antennen stehen. Der Straßenzustand ist ziemlich gut, also für italienische Verhältnisse. Die Schatten werden lange und außer mir ist hier nur ein Radfahrer unterwegs. 7 km Kurvenstrecke zum Ziel, ich sehe meinen Schatten an der Böschung und vor mir. Nicht völlig unproblematisch, aber schönes Gefühl. Das Nachweismotiv ist „kleines weißes Passschild“, das ich nicht finde, oder das Restaurant.



    Typisch Passknacker Italien, natürlich mit Mülltonnen. So, jetzt aber flott ins Hotel! Navi droht 21 Uhr an. Ich fahre ja nicht gern in der Dämmerung, wegen möglicher Wildunfälle. Die Route führt aber komplett durch zersiedeltes Gebiet, da wird mit Wild nicht viel los sein. Genial an Italien (und vielen anderen Ländern) ist, wie gut man ohne Ampeln vorwärts kommt. So bin ich schließlich überpünktlich am Hotel. Ich sehe zwar meinen Lichtkegel, aber die Sonne schlüpft gerade erst hinter die Berge. Idyllisch hier, in La Badie, im „Anwesen der Wölfin“.



    Der Wirt hat auf mich gewartet, er ist freundlich, er spricht gern Englisch mit mir. Das Restaurant hat schon zu, aber ich bin tatsächlich noch einigermaßen satt vom reichlichen Mittagessen und zwei Snacks auf der Fähre. Wobei 'ne Tüte Chips jetzt schon echt charmant wäre, aber dafür fahre ich nicht nochmal los. Und nach einem reichhaltigen Abendessen würde ich das wohl auch denken. Aber kaum lässt das Adrenalin nach, kommt die Müdigkeit.



    265 km heute, davon die Hälfte Fähre, und 1 Passknacker. Angesichts von Profilschwund am Hinterreifen und Wettervorhersage muss ich eine Entscheidung treffen für den restlichen Heimweg. Ich werde noch mindestens 1x in Italien übernachten, und mich dann aber wohl vorzeitig auf den Heimweg machen. Korsika war richtig richtig toll, da kommt jetzt eh nichts mehr ran.

  • #16

    Do 16.5. Going South


    Heute habe ich viel zu tun. Es warten 500 km mit Autobahn und 11 Passknackerpunkte. Projekt Lebenswerk, es gibt noch Punkte in den Regionen Toskana, Umbrien, und Marken, wo ich noch nie war.


    Schon um 8:30 sitze ich auf dem Bock und fahre 190 km zum ersten Passknackerpunkt. Es geht elegant mit Telepass kontaktlos und ohne Ticket auf die Autobahn, und 25 km später runter von der Autobahn, aber weniger elegant, denn der Automat hier erkennt meinen Telepass nicht. Ist ja nicht schlimm, Knopf drücken, und der freundlichen Dame von der Service-Hotline die Auffahrt nennen. Dann wird der Preis angezeigt und man zahlt vor Ort. Die Ausfahrt habe ich mir gemerkt und ich finde sie auch bei Google Maps wieder. Leider ist diese Dame heute nicht so freundlich, oder das Mikrofon an der Säule ist kaputt, jedenfalls hätte ich ebenso gut mit einer Wand reden können. Personal ist keines vor Ort. Ich sitze am kürzeren Hebel und muss dann wohl einfach das Strafticket mitnehmen, das, weil ich angeblich meine Auffahrt nicht genannt habe, schlappe 70 Euro kosten soll, mit der Androhung von Inkasso. Seufz. Da macht man alles richtig, holt sich sogar für sein eigenes Geld einen Transponder, und zahlt am Ende dann doch wieder Strafe. Gegen die kann man sich bestimmt irgendwie wehren, mit Hotlines und Anwalt und Rechtsschutz, aber am Ende des Tages: Wegen 70 Euro? Ich bin richtig sauer, und hätte ich nicht schon zwei nicht stornierbare Hotels gebucht, würde ich jetzt „nach Hause“ ins Navi eingeben und darauf achten, in diesem Land so bald keinen einzigen Euro mehr zu lassen, inkl. den Motorradtreffen, die ich hier besucht und auch veranstaltet habe. Aber ich habe Urlaub, ein wunderbares Motorrad unterm Hintern, ich habe einen Plan, eine Mission, der Motor läuft, die Sonne scheint, es sind Passknacker in der Route, wo ich noch nie war, also einfach weiterfahren und möglichst nicht aufregen. Über diese völlig überflüssige Kackscheiße, verflucht nochmal!!


    Werktags ist rund um Florenz viel los, es gibt dichten Verkehr und ein überraschendes Stauende. OSMand ist wieder mal etwas schüchtern beim Ansagen von Autobahnabfahrten, und das Handy lädt mehr schlecht als recht. Bei Arezzo verlasse ich die Autobahn und widme mich 5 Pässen. Die Straßen sind überwiegend besser als befürchtet, und hin und wieder gibt’s auch mal kleinere Ausblicke. Es ist auch nicht zu heiß, trotz 24 Grad im Tal. Vor allem ist nichts los auf den Straßen.



    Mal gibt’s waldige Rastplätze, mal verlassene Häuser.



    Blick über irgendeine Stadt - davon gibt’s viele.



    Weitblicke sind eher selten, man fährt viel im Wald. Umso schöner, wenn's doch klappt.



    Hier soll ich eine Statue fotografieren.



    Tja, die gibt’s wohl nicht mehr, aber am Tunnelportal steht auch der Name des Schildes. Da zu parken ist aber eher für mutige.



    Gegen Ende wird es 17:30 und ich werde ganz schön müde. Ich bin diese 8-9 Stunden Tage nicht mehr gewohnt, auch wenn es viel geradeaus ging. Dieses Mauterlebnis hat mir den Tag ziemlich versaut, und der aufdringliche Tankservice, der 4 Liter Luft in meinem Tank lässt, half auch nicht. Dafür waren sonst alle sehr freundlich zu mir. Meine Unterkunft ist ein winziges Hotel am Ende der Welt, aber die Donna spricht sogar Englisch.


    Ich habe eine Entscheidung getroffen hinsichtlich meiner Heimreise. Morgen vormittags knacke ich mich wieder Richtung Norden, und danach geht’s auf die Autobahn – hoffentlich ohne Maut-Pannen. Eine Nacht in Verona, und dann direkt nach Hause. Mit etwas Glück komme ich vor Ladenschluss daheim an und kann mich noch etwas in meiner neuen Wohnung einrichten, und vielleicht auch etwas Verwaltung regeln – wobei dieser Mautmist jetzt noch mehr Verwaltung nach sich zieht, wenn ich die Kröte nicht einfach schlucken will.

  • #17

    Fr 17.5. Adria Aufwärts


    Gestern gab's noch Abendessen vom Wirt. Das Hotel Parco Alle Noci möchte ich lobend hervorheben, denn ich habe mich hier wirklich sehr wohl gefühlt. Es ist nicht modern, es liegt nicht zentral. Die Grenze zwischen Umbrien und Latium ist alles andere als zentral. Man läuft ins Hotelzimmer rein und fällt fast übers Bett, weil das Zimmer eher klein ist. Der Lüfter im Bad macht was er will. Es ist eher düster, aber man hat Fliegengitter, und die braucht man auch, denn man ist hier mitten in der Natur. Dafür ist es familiengeführt und die Eheleute sind mit Herz und Seele dabei, sind aufgeschlossen und sprechen gutes Englisch. Das Hotel liegt auf einem erstaunlich großem Anwesen und nachts hat man wirklich Ruhe. Da schmerzt es schon fast, dass ich der einzige Gast bin. Ich bekomme Abendessen nach Wunsch (Pasta, Süßspeise) und Frühstück (italienisch süß).


    Und das Frühstück brauche ich auch, denn heute habe ich schon wieder viel zu tun. Es warten 625 km mit Autobahn und 8 Passknackerpunkte. Projekt Lebenswerk, es gibt noch Punkte in den gleichen Regionen wie gestern, wo ich noch nie war. Nur weiter Richtung Adria, und es geht nach Norden statt nach Süden. Ansonsten ist es ähnlich: Schon um 8:30 sitze ich auf dem Bock und fahre zum ersten Passknackerpunkt. Die ersten 3 Punkte liegen auf 60 km Strecke und sind ein bunter Mix an Strecken und Streckenzuständen.




    Kurz nach diesem Anblick kamen einfach mal 4 km Schotter, unangekündigt. Dabei geizt Italien ja generell nicht mit Beschilderung. Die Einheimischen interessieren sich dafür manchmal mehr oder generell eher weniger. Ich nehme mit, dass man bei solchen Anblicken:



    Hier einfach die Schildern zählen sollte. Rekord waren heute 8 Warnschilder in kurzer Folge. Wohlfühltempo erreiche ich nach der Faustformel „10 minus Anzahl Schilder“. Die Strecke hatte ich für mich alleine – dachte ich, bis während der Pippipause dann plötzlich der örtliche BMW-Club vorfuhr.



    Sie haben aber genug Abstand gehalten, dass ich unfallfrei wieder einpacken konnte. Jetzt geht’s nördlich. Ich hab's echt nicht eilig um bummle um die Welt. Der Hinterreifen hat jetzt vermutlich genau 1,6 mm und wird auch genau diese Profiltiefe bis zu Hause beibehalten, da bin ich völlig sicher. Am 17. Tage einer Tour echt keine schlechte Leistung. Es gibt viele idyllische Orte hier.



    Und es gibt sehr windige Hochebenen.



    Abwärts gab's ein Motoradfoto aus dem Gebüsch ;)



    Dann wieder Ortswechsel! Es folgen 85 km Transit über Landstraßen. Wegen Bauarbeiten waren 2 Strecken gesperrt. Freundlicherweise werden aus diesem Anlass aber vorher die Ortsstraßen neu asphaltiert, verbreitert, und/oder zu Einbahnstraßen erklärt, so dass man eigentlich genauso schnell ans Ziel kommt. Kurz vor dem (Zwischen-) Ziel fällt mir diese Strecke auf:



    Tja, wo bin ich hier wohl? Im einzigen Ort Europas mit 46 km/h Tempolimit, da bin ich :)



    Im Heimatort von Valentino Rossi nämlich. Eigentlich wollte hier Mittagspause machen und ein Eis essen. Aber, typisch Italien, Eisdiele und Fanshop hatten Freitag 14 Uhr geschlossen, wegen Mittagspause. Ein Fußgänger interessiert sich etwas zu sehr für mein Motorrad, und ich habe wirklich wenig Zeit heute, so dass ich weiterziehe und mich im lokalen Einkaufszentrum erfrische, verköstige, mit Wasser versorge und das Visier putze.


    Dann geht es elegant mit Telepass kontaktlos und ohne Ticket auf die Autobahn, und 250 km und je eine Pippi- und Tankpause später runter von der Autobahn, aber weniger elegant, denn der Automat hier erkennt meinen Telepass nicht. Ist ja nicht schlimm, Knopf drücken, und dem freundlichen Herren von der Service-Hotline die Auffahrt nennen. Die habe ich mir gemerkt. Der Herr heute ist freundlich, das Mikrofon an der Säule funktioniert, er sagt danke und fertig, und öffnet die Schranke. Und ich stehe etwas misstrauisch da. Das war's jetzt? Nix bezahlt, kein Ticket? Doch vom Telepass abgebucht? Oder übers hinterlegte Nummernschild? Ich werde es wohl erfahren, notiere mir aber vorsichtshalber Auf- und Abfahrt. Jetzt nur noch zum Hotel. Freitagabend ist rund um Verona viel los, und das Hotel ist überraschend weit von der Autobahn. Gegen Ende wird es 18:30 am Hotel und ich bin ganz schön müde. Morgen geht’s direkt nach Hause, aber ich habe noch eine Verabredung unterwegs. Dusche, Supermarkt, Pizza, Bericht, und gute Nacht ;)



    625 km heute, im Lebenswerk 3843 verschiedene Punkte geknackt. Anfangs abwechslungsreich, auf der Autobahn eher monoton. Lang. Trotz 26 Grad ist es mir nicht zu warm in der Airbag-Weste, das klappt besser als erwartet. Ich schließe sogar die Lüftungen an der Jacke auf der Autobahn. Dazu trägt auch die teilweise Bewölkung bei, denke ich. Handystrommäßig reicht Wireless Charging für Google Maps, aber nicht für OSMand. Da reicht aber auch Kabel von Dose nicht, da muss es USB-C-USB-C Kabel von der Powerbank sein. Es liegt also ziemlich sicher an den USB-Dosen, oder alle meine USB-A-USB-C Kabel sind defekt.

  • #18

    Sa 18.5. Abreise


    Heute ist der Plan simpel: Nach hause fahren. Einzige Leckerlis: Ich werde unterwegs einen alten Bekannten treffen, das Wetter ist gut und die Hauptreisewelle rollt in die Gegenrichtung. Lang wird’s trotzdem. Vor dem Frühstück versuche ich mal wieder die Mautgeschichte zu klären: Ich könnte ja die Hotline anrufen. Dafür gibt es eine ganz besondere, kurze, praktische, gebührenfreie Nummer, die 803-111, kann man sich gut merken, macht Spaß. Die hat leider den Nachteil, dass man sie aus dem Ausland nicht erreichen kann. Und auch nicht mit einer ausländischen SIM-Karte, selbst wenn man die Italienische Vorwahl davor wählt. Die italienische Bandansage erklärt mir, die Nummer sei nicht bekannt. Geschäfte, die Wert auf ihre Kunden legen, geben daher normalerweise eine zusätzliche, reguläre Festnetznummer an - schließt ist die Kurze Nummer ja nur ein Alias für einen ganz normalen Telefonanschluss. Der Mautbetreiber tut das aber nicht. Naja, okay, aber ich habe tatsächlich ein Telefon auf dem Hotelzimmer! Damit kann ich die Nummer wählen, dann dauert es etwas, und dann kommt ein Besetzzeichen. Auch im zweiten Versuch. Echt praktisch, so eine Hotline.


    Aber ich könnte es ja online probieren? Der Mautbetreiber hat eine umfangfreie Homepage, und für genau meinen Fall gibt es auch ein buntes und ausführliches Formular, dass ich sogar auf Deutsch ausfüllen kann! Ich habe zwar keine italienische Steuernummer, und meine deutsche Führerscheinnummer passt auch nicht ins Formular, aber hey, wer könnte auch ahnen, dass Ausländer die Autobahn benutzen wollen? Ich kann im Formular eintragen wo ich wirklich aufgefahren bin, ich kann das Formular vollständig ausfüllen und bekomme dann die Meldung, dass ich das Formular nicht absenden kann. Aber ich kann einfach direkt die 69,70 Euro bezahlen, oder eine E-Mail schreiben. Klasse! Danke für Nichts! Zur Erinnerung: Ich habe einen Telepass, der aber nur bei der Einfahrt, nicht bei der Ausfahrt erkannt wurde. Ich habe nichts falsch gemacht.


    Also grummelnd Frühstück rein und rauf auf die Yamaha, wobei ich anhand von Katzenhaaren auf der Sitzbank erkennen kann, dass da jemand ein Kuschelbedürfnis hatte. Das freut mich! Rauf auf die Autobahn geht’s wesentlich direkter als gestern runter, und bald schieben sich die Alpen ins Bild. Das Etschtal entlang zu fahren ist landschaftlich schon beeindruckend. Bei Bozen sehe ich ein Schild, dass es an dieser Ausfahrt ein Büro des Mautbetreibers gibt? Hallo, da spreche ich doch mal vor. Hier spricht man ja sogar (hoffentlich) deutsch. Eine kurze und übersichtliche Ausfahrt später…



    …. finde ich das Büro (oben im Bild bei der "2"), es stehen Autos davor, es brennt Licht. Ich sattle ab, nehme den Helm ab, setze ein freundliches Lächeln auf und gehe zur Tür. Und es passiert: Nichts.



    Die Tür geht nicht auf. Es gibt auch keine Klingel. Natürlich, es ist ja auch Samstag! Ich kann die Mitarbeiter durchs Fenster hören und rufe rein, aber ich werde ignoriert. Dabei bleibe ich sogar höflich. Ja, echt eine tolle Sache, so ein Mautsystem. Produziert Kosten und Verwaltung und verbraucht Flächen (siehe zwei Bilder weiter oben), und am Ende wird alles für alle teurer und nerviger. Nur ein Betreiber schwimmt danach im Geld, bzw. seine Führungsetage. Schönen Gruß an die „Wirtschaftsweisen“, die das gerade in Deutschland vorgeschlagen haben. Bitte nicht weitersagen, aber es gibt bereits eine entfernungsabhängige Abgabe, die schwere, leistungsstarke, und ineffiziente Fahrzeuge besonders belastet, nennt sich Mineralölsteuer. Jedenfalls fällt’s mir gerade richtig schwer, gute Laune zu haben, und so verfahre ich mich beim Weg zurück auf die Autobahn (siehe zwei Bilder weiter oben), treffe aber doch beim verabredeten Treffpunkt ein. Mein Kontakt ist schon da.



    Experten des Versysforums wissen Bescheid: ich treffe Ander, einheimischer Südtiroler, Alltags-Versysfahrer und Erfinder des Höhentreffens. Wir unterhalten uns nett, ich ziehe mein Mittagessen vor. Ich spreche auch das Maut-Thema an, er hat selbst keinen Telepass und nicht so wirklich Erfahrung damit, weil er meistens in der Region unterwegs ist und wenig Autobahnen benutzt. Er bietet mir noch an, diese Zauber-Rufnummer anzurufen. Darauf komme ich gern zurück. Ander fährt übrigens auch Dunlop Mutant. Mein Hinterreifen hat weiter exakt 1,60000 mm, aber ich würde damit nicht zum TÜV fahren. Aber dann muss ich auch weiter, es sind noch 450 km zur heimischen Garage, von dort noch 20 Minuten zu meiner Wohnung, und ich sollte vor 20 Uhr noch in einem Supermarkt vorbei schauen, um übers Sonntag und den Feiertag nicht Hunger leiden zu müssen. Also habe ich ein Mautticket für Österreich gekauft, das geht inzwischen auch für Privatleute am gleichen Tag, und es gibt jetzt auch ein 1-Tages-Ticket für 3,40, das passt. Dafür kommt man in Italien 1-2 Ausfahrten weit. Der Brenner kostet natürlich extra, aber hey. Tank voll, wenn ich schonmal runter von der Autobahn bin, dann wieder rauf auf die Autostrada und mit maximalem Mauteinsatz ereignislos bis Innsbruck, wobei es ab Landesgrenze schlagartig deutlich kälter wird. Dort kann man sich entscheiden:


    Von Bozen nach Nürnberg schlagen die meisten Navi den Weg über Kufstein vor (Autobahn, 452 km, 4:40) oder über Scharnitz (Bundesstraße, 433 km, 4:55). Ich gähne bereits intensiv auf der Autobahn, ich brauche Abwechslung. Es gibt aber auch noch den Achenpass (434 km, 5:23, 1 Passknacker), und letzteren wähle ich, weil ich dann immer noch 17 Uhr zu Hause sein kann, was mir reicht. Die Strecke ist gut ausgebaut. Ich laufe auf 2 Motorradfahrer auf, bekofferte BMWs, die auf einen Bus auflaufen. Der Bus wird planlos und unter Lebensgefahr überholt, ich folge in sicherem Abstand, und 3 Minuten später fällt ihnen ein, dass sie eigentlich lieber 10 km/h unter Tempolimit fahren wollen, so dass mir jetzt der Bus im Nacken sitzt, dessen Fahrer wenig Verständnis dafür aufbringt. SEUFZ. Ich auch nicht. Ich habe leider nicht die Zeit, mich diesem Idiotengespann per ausgiebiger Pause zu entziehen, also muss ich jetzt 2 erratische Motorradfahrer überholen, die sich anscheinend auch miteinander nicht grün sind. Dann habe ich viel freie Fahrt, in Gegenrichtung sieht’s schon anders aus. Am Achensee hat man eine tolle Aussicht, kann ich empfehlen, aber anhalten will ich nicht. Ein Foto gibt’s also erst wieder am Achenpass selbst, wo es keine Aussicht gibt. Und die Fotogelegenheit ist auch nicht die sicherste.



    Hier gibt’s noch eine Stoffwechselpause und dann geht’s weiter. So schnell man von der Autobahn in Österreich zum Achenpass kommt, so lang und nervig ist der Weg zur Autobahn in Deutschland. Ortsdurchfahrten, Ampeln, am Tegernsee immerhin was zu gucken. In Gegenrichtig ist viel Betrieb. Autos, Camper, Motorräder, nahezu geschlossene Kolonne. Ein paar Motorradfahrer versuchen, sich vor zu arbeiten. Ich bin einigermaßen entsetzt, als ich eine Goldwing wahrnehme, deren Fahrer es für eine gute Idee hält, eine Tempo 60 fahren Autokolonne mit sich links auf dem Mittelstreifen dran vorbei quetschenden Motorrädern als ganzes zu überholen. In einer lang gezogenen Rechtskurve (führ ihn). Mit anderen Worten, der nutzt dann halt mal meine Spur. Entweder hat er mich nicht gesehen, falsch eingeschätzt, oder er denkt, der wird schon Platz machen. Wie auch immer: FUCK YOU! Wir sind hier nicht auf der Rennstrecke, ich kann nicht jedem einzelnen Verkehrsteilnehmer im Gegenverkehr in den Kopf gucken und überlegen, welcher davon jetzt als erstes auf die Idee kommt, mich in Lebensgefahr zu bringen, weil er in einer Autokolonne unbedingt 2 Autos weiter vorne sein möchte. Dabei winkt er mir noch doof zu. Ich fahre, weil’s für mich eine leichte Linkskurve ist, bereits rechts in meiner Spur und muss kaum ausweichen. Ich hätte wohl auch nicht schnell genug reagiert, denn ich bin im "geradeaus fahren und Reifen schonen"-Modus, nicht im Kurvenstrecken-Nahkampf-Ninja-Modus. Die nächsten Minuten habe ich aber Gewaltfantasien. Der zweite lebensgefährliche Vollidiot dieses Jahr, dabei bin ich gerade mal 25 Tage insgesamt unterwegs. Die letzten Jahre hatte ich im Schnitt 0-2 solche Ereignisse auf 70-120 Fahrtagen, und das waren häufiger Autos als Motorräder.


    Naja, hilft jetzt nix, heute fahre ich einfach nach Hause, und wenn ich jetzt volltanke, schaffe ich es bis nach Hause und muss nicht an der Autobahn tanken, also rein damit. Endlich wieder einrastende Zapfpistolen, und den billigsten Sprit der Reise (ich habe nicht in Österreich getankt). Die deutsche Autobahn ist bald erreicht und weil wenig los ist, fließt der Verkehr, und 17 Uhr kann ich heimatnah volltanken.



    Ich habe bisher auf der Reise keinen km-Stand notiert, heute die 63934 macht 6280 km für die Reise insgesamt, also an 18 Tagen im Schnitt 349 km. Fühlte sich nach weniger an, besonders in Korsika, aber heute waren es auch wieder 600 km. Ich komme wohlbehalten und trocken daheim an und damit ist die Reise zu Ende. Jetzt geht der private Stress wieder los, ein halbfertiger Umzug, eine Wohnung noch ohne Internet, defektes Handy (mit Garantie, also nicht einfach neues kaufen), noch kein guter Motorradstellplatz an der neuen Wohnung, der lokale Gas- und Stromanbieter zickt rum, die Mautscheiße muss geklärt werden, und ich frage mich, ob ich angesichts so deutlich zahlreich werdender fremdverschuldeter lebensgefährlicher Situationen im Straßenverkehr eigentlich überhaupt noch Lust auf Motorradfahren habe, und was ich dagegen tun könnte.


    So bleibt ein etwas bitterer Geschmack einer eigentlich ansonsten toll gelungenen Reise: Keiner in meiner Gruppe ist umgefallen, niemand hatte eine Panne. Ich habe den Landespreis Korsika geschafft, ich hatte tolle Touren, schöne Landschaften, und habe viel Neues kennengelernt.


    Danke fürs virtuelle Begleiten! Vielleicht möchten meine schotterfreundlichen Begleiter auch mal was über ihre Erlebnisse posten.

  • #20

    Darauf kam ich zurück, und die Antwort der Hotline war: Schreiben Sie uns eine E-Mail mit angehängtem Foto eines Ausweises, dass Sie Person X geboren am Y in Stadt Z sind und am Tag A die Einfahrt B genommen haben, als sie das Ticket mit Nummer C bekommen haben. Das habe ich gestern gemacht, und heute hatte ich schon die Antwort: Bitte zahlen Sie 5,40 Euro. Statt 69,70 Euro, da sag ich nicht nein :) Wichtig ist noch, bei der Überweisung Ticketnummer und Kennzeichen anzugeben. Ich hoffe, dass ich davon nie wieder etwas höre.


    In der Mail falsche Angaben zu machen ist übrigens eine Straftat.

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